Die in der „Viridans“-Gruppe zusammengefassten Streptokokken gehören aufgrund ihrer physiologischen und zellstrukturellen Merkmale sowie Antigeneigenschaften verschiedenen Spezies an. Auf Blutagar-Platten bildet sich meist entweder ein vergrünender Hof um die Kolonien (vergrünende Streptokokken, alfa-Hämolyse) oder eine makroskopisch nicht sichtbare Hämolysezone (nicht-hämolysierende Streptokokken, gamma-Hämolyse) aus. Die wichtigsten Spezies der „Viridans“-Gruppe sind S. mutans,S. mitis, S. sanguinus, S. anginosus, S. oralis undS. salivarius. Die meisten Spezies sind Bestandteil der normalen Mundflora. Sie werden daher auch als „orale“ Streptokokken bezeichnet.
Pathogenese und Krankheitsbilder
Als Krankheitserreger sind einige Spezies bei der Genese der infektiösen Endokarditis sowie Zahnkaries beteiligt.S. mutans ist offenbar in besonderem Maße in der Lage sich an die den Zahnschmelz bedeckenden Proteine zu legen und aus Saccharose (Rohrzucker) extrazelluläre Polysaccharide aufzubauen. Die in diesen klebrigen Substanzen eingebetteten Bakterienzellen, sowie weitere sich dort ansiedelnde Bakterienarten (Plaquebakterien), bilden organische Säuren, die den Zahnschmelz schädigen.
Streptokokken der „Viridans“-Gruppe sind die häufigsten Erreger der infektiösen Endokarditis an natürlichen Herzklappen (1-2 Fälle/100.000/Jahr). Sie machen aber auch bei Spätinfektionen von Herzklappenprothesen einen beträchtlichen Anteil der Erreger aus. Die Endokarditis entsteht dadurch, dass die Organismen über Läsionen der Mundschleimhaut in das Gefäßsystem eindringen. Von dort aus gelangen sie über den Blutstrom zu den Klappen, wo es zu einer Besiedlung und Ausbildung eines Biofilms kommt. Die Bakterien sind besonders befähigt, vorgeschädigte Herzklappen zu infizieren und eine chronisch verlaufende Endokarditis (Endocarditis lenta) zu unterhalten.
Bei Leukämiepatienten können „Viridans“-Streptokokken eine schwere Sepsis mit Schock verursachen.
Diagnostik
Die Techniken zur Anzüchtung und Identifizierung der „Viridans“-Streptokokken unterscheiden sich nicht von den Verfahren für andere Streptokokken. Als Untersuchungsmaterialien kommen vorrangig Blutkulturen, Biopsie- und Abszessmaterial in Frage. Die Kultivierung erfolgt auf Blutagar-Platten in CO2-angereicherter Atmosphäre.
Therapie
Inzwischen findet sich weltweit, abhängig von der Region und der Grunderkrankung, bei bis zu mehr als 50% der Stämme eine verminderte Penicillin-Empfindlichkeit (MHK >0,25 mg/l). Für Deutschland liegen keine präzisen Angaben vor.
Die Endokarditis durch Streptokokken der „Viridans“-Gruppe wird mit Penicillin G (PENICILLIN GRÜNENTHAL u.a.; 20 Mio. E/Tag, 3-4 Einzeldosen) ggf. in Kombination mit Gentamicin (REFOBACIN u.a.; 3 mg/kg/Tag, 3 Einzeldosen) behandelt. Der Vorteil der Kombinationsbehandlung gegenüber der Monotherapie mit Penicillin G oder Ceftriaxon (ROCEPHIN) beruht auf der verkürzten Behandlungsdauer, die bei gleicher Wirksamkeit mindestens zwei bzw. vier Wochen beträgt.
Bei Prothesen-Endokarditis wird wegen der schwierigeren Eradikation der Erreger eine sechswöchige Behandlung mit Penicillin G in Kombination mit Gentamicin über wenigstens zwei Wochen empfohlen. Bei Penicillin-Unverträglichkeit kommt eine vierwöchige Therapie mit Vancomycin (VANCOMYCIN CP „LILLY“ u.a.; 30 mg/kg/Tag, 2-3 Einzeldosen), Teicoplanin (TARGOCID; 400 mg/Tag als Einzeldosis) oder Ceftriaxon (2 g/Tag als Einzeldosis) in Betracht.