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Thymosin α1 zeigt keine Wirksamkeit bei Sepsis

Eine aktuelle multizentrische, doppelblinde, placebokontrollierte Phase-3-Studie untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit von Thymosin α1 bei der Behandlung von Sepsis. Die TESTS-Studie (The Efficacy and Safety of Thymosin α1 for Sepsis) wurde zwischen September 2016 und Dezember 2020 in 22 Zentren in China durchgeführt und umfasste 1106 erwachsene Patienten im Alter von 18 bis 85 Jahren mit einer Sepsis-Diagnose nach Sepsis-3-Kriterien.

 

Die Patienten wurden im Verhältnis 1:1 randomisiert und erhielten entweder Thymosin α1 (n = 552) oder Placebo (n = 554). Die Randomisierung erfolgte stratifiziert nach Alter (< 60 und ≥ 60 Jahre) und Zentrum. Thymosin α1 wurde alle 12 Stunden über 7 Tage subkutan injiziert, sofern die Behandlung nicht aufgrund einer Entlassung von der Intensivstation, des Todes oder eines Widerrufs der Einwilligung vorzeitig beendet wurde.

 

Der primäre Endpunkt war die 28-Tage-Gesamtmortalität nach Randomisierung. In die modifizierte Intention-to-treat-Analyse wurden 1089 Patienten eingeschlossen, die mindestens eine Dosis der Studienmedikation erhalten hatten (Thymosin α1-Gruppe n = 542, Placebo-Gruppe n = 547). Das mediane Alter betrug 65 Jahre (Interquartilsbereich 52–73) und 68,9 % der Teilnehmer waren männlich.

 

Die 28-Tage-Gesamtmortalität trat bei 127 Patienten (23,4 %) in der Thymosin α1-Gruppe und bei 132 Patienten (24,1 %) in der Placebo-Gruppe auf (Hazard Ratio 0,97; 95-%-Konfidenzintervall 0,76 bis 1,24; P = 0,93 im Log-Rank-Test). Auch für die sekundären Endpunkte wie 90-Tage-Gesamtmortalität (Hazard Ratio 0,95; 95-%-KI 0,77 bis 1,17), Intensivstationsmortalität, Auftreten neuer Infektionen innerhalb von 28 Tagen und Änderung des SOFA-Scores an Tag 7 zeigten sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.

 

In der präspezifizierten Subgruppenanalyse zeigte sich ein potenzieller differenzieller Effekt von Thymosin α1 auf den primären Endpunkt in Abhängigkeit vom Alter (< 60 Jahre: Hazard Ratio 1,67; 95-%-KI 1,04 bis 2,67; ≥ 60 Jahre: 0,81; 0,61 bis 1,09; P für Interaktion = 0,01) und Diabetes (mit Diabetes: 0,58; 0,35 bis 0,99; ohne Diabetes: 1,16; 0,87 bis 1,53; P für Interaktion = 0,04).

 

Insgesamt traten bei 730 Patienten (67,0 %) mindestens ein unerwünschtes Ereignis auf, ohne signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen (Thymosin α1: 66,4 % vs. Placebo: 67,6 %; Gruppendifferenz −1,2 %; 95-%-KI −6,8 % bis 4,4 %; P = 0,70). Die häufigsten unerwünschten Ereignisse waren Anämie (10,7 %), gefolgt von Fieber (9,6 %), abdomineller Distension (5,4 %) und Gerinnungsstörungen (4,8 %). Es traten keine unerwarteten schwerwiegenden Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Thymosin α1 auf.

 

In einer explorativen Analyse der Immunmarker zeigte sich nach einer Woche Behandlung in beiden Studienarmen eine ähnliche Veränderung der monozytären HLA-DR-Expression, der Lymphozytenzahl und des prozentualen Anteils regulatorischer T-Zellen. Die absolute Veränderung (Gruppendifferenz −1,7; 95-%-KI −3,0 bis −0,6; P = 0,02) und die prozentuale Veränderung (Gruppendifferenz 9 %; 2 % bis 15 %; P = 0,006) des Neutrophilen-Lymphozyten-Verhältnisses waren in der Thymosin α1-Gruppe jedoch größer als in der Placebo-Gruppe.

 

Folgerung der Autoren

 

Diese Studie fand keine eindeutigen Belege dafür, dass Thymosin α1 die 28-Tage-Gesamtmortalität bei erwachsenen Patienten mit Sepsis reduziert. Das gute Sicherheitsprofil des Medikaments bei der Behandlung von Sepsis wurde jedoch bestätigt. Zusätzlich könnte Thymosin α1 möglicherweise vorteilhafte Effekte bei Patienten im Alter von 60 Jahren und älter sowie bei Patienten mit chronischen Erkrankungen haben. Zukünftige Forschung sollte sich auf diese Patienten konzentrieren, um potenzielle therapeutische Vorteile zu klären.

 

Wu, J. et al. The efficacy and safety of thymosin α1 for sepsis (TESTS): multicentre, double blinded, randomised, placebo controlled, phase 3 trial. BMJ. 2025; 388:e082583. doi: 10.1136/bmj-2024-082583

 

Wu, J. et al. Corrections: The efficacy and safety of thymosin α1 for sepsis (TESTS): multicentre, double blinded, randomised, placebo controlled, phase 3 trial. BMJ. 2025; 389:r1098. doi: 10.1136/bmj.r1098

 

18.06.2025

INFEKTIO_Podcast | Startschwierigkeiten – Die Neugeborenensepsis

Der Podcast consilium infectiorum bietet medizinischem Fachpersonal praxisrelevante Themen der klinischen Infektiologie und unterstützt dabei, evidenzbasierte Behandlungsoptionen für Patienten auszuwählen.
In jeder Folge diskutiert Infektiologe Prof. Mathias Pletz aus Jena mit einem Expertengast einen klinischen Schwerpunkt – fundiert und dennoch in entspannter Gesprächsatmosphäre.

 

Besonders praktisch: Für jede Folge können Sie bis zu einem Jahr nach Veröffentlichung CME-Punkte sammeln, indem Sie die zugehörigen CME-Fragen beantworten.

 

In der aktuellen Folge ist Prof. Dr. Christian Gille aus Heidelberg zu Gast. Gemeinsam widmen sie sich dem Thema Neugeborenensepsis.

 

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18.06.2025

Rückkehr eliminierter Infektionskrankheiten bei sinkenden Impfraten in den USA

Die flächendeckende Durchführung von Routineimpfungen im Kindesalter hat in den USA zur Eliminierung verschiedener Infektionskrankheiten geführt. Allerdings sind die Impfraten in den letzten Jahren rückläufig, und es gibt politische Debatten über eine Reduzierung des Kinderimpfplans. Eine aktuelle Simulationsstudie untersuchte nun die möglichen Folgen sinkender Impfraten für die Wiederkehr von Masern, Röteln, Poliomyelitis und Diphtherie.

 

Die Modellierung erfolgte für alle 50 US-Bundesstaaten und den District of Columbia über einen Zeitraum von 25 Jahren. Dabei wurden Daten zur Demografie, Bevölkerungsimmunität und zum Importrisiko für die jeweiligen Infektionskrankheiten berücksichtigt. Mit den aktuellen bundesstaatlichen Impfraten prognostiziert das Modell, dass Masern in 83 % der Simulationen nach durchschnittlich 20,9 Jahren wieder endemisch werden könnten. Dabei würden über 25 Jahre schätzungsweise 851.300 Masernfälle (95-%-Konfidenzintervall [KI] 381.300 bis 1,3 Millionen Fälle) auftreten. Bei einem 10-prozentigen Rückgang der Masern-Mumps-Röteln-Impfung rechnet das Modell mit 11,1 Millionen Masernfällen (95-%-KI 10,1 bis 12,1 Millionen) über 25 Jahre. Bei einer 5-prozentigen Steigerung der Impfrate würden dagegen nur etwa 5800 Fälle (95-%-KI 3100 bis 19.400) erwartet.

 

Bei einem Rückgang der Routineimpfungen um 50 % prognostiziert das Modell über 25 Jahre 51,2 Millionen Masernfälle (95-%-KI 49,7 bis 52,5 Millionen), 9,9 Millionen Rötelnfälle (95-%-KI 6,4 bis 13,0 Millionen), 4,3 Millionen Poliomyelitisfälle (95-%-KI 4 Fälle bis 21,5 Millionen) und 197 Diphtheriefälle (95-%-KI 1 bis 1000). Dies würde zu schwerwiegenden Komplikationen führen: 51.200 Fälle (95-%-KI 49.600 bis 52.600) mit neurologischen Folgeerscheinungen nach Masern, 10.700 Fälle (95-%-KI 6700 bis 14.600) mit kongenitalem Rötelnsyndrom, 5400 Fälle (95-%-KI 0 bis 26.300) mit paralytischer Poliomyelitis sowie insgesamt 10,3 Millionen Krankenhauseinweisungen (95-%-KI 9,9 bis 10,5 Millionen) und 159.200 Todesfälle (95-%-KI 151.200 bis 164.700).

 

In diesem Szenario würden Masern nach durchschnittlich 4,9 Jahren (95-%-KI 4,3 bis 5,6 Jahre) endemisch werden, Röteln nach 18,1 Jahren (95-%-KI 17,0 bis 19,6 Jahre). Poliomyelitis würde in etwa der Hälfte der Simulationen (56 %) nach durchschnittlich 19,6 Jahren (95-%-KI 14,0 bis 24,7 Jahre) endemisch. Die Wahrscheinlichkeit einer endemischen Übertragung von Diphtherie wäre selbst bei diesem starken Impfrückgang gering.

 

Die Modellierung zeigte deutliche regionale Unterschiede beim Risiko für Ausbrüche und die Rückkehr zu einer endemischen Übertragung. Texas wies dabei das höchste Risiko für Masernausbrüche auf. Die Ergebnisse waren robust in verschiedenen Sensitivitätsanalysen, wobei die Basisreproduktionszahl und die Importrate der Erreger den größten Einfluss auf die Resultate hatten.
 
Folgerung der Autoren
 
Basierend auf den Schätzungen dieser Modellierungsstudie würden sinkende Impfraten im Kindesalter die Häufigkeit und das Ausmaß von Ausbrüchen zuvor eliminierter impfpräventabler Infektionskrankheiten erhöhen und schließlich zu deren Rückkehr auf ein endemisches Niveau führen. Der Zeitpunkt und die kritische Schwelle für die Rückkehr zur Endemizität unterscheiden sich dabei erheblich je nach Krankheit, wobei Masern wahrscheinlich als erste Erkrankung zurückkehren und dies möglicherweise bereits unter den aktuellen Impfraten geschehen könnte, wenn keine Verbesserung der Impfabdeckung und der Reaktion des öffentlichen Gesundheitswesens erfolgt. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Notwendigkeit, Routineimpfungen im Kindesalter mit hoher Durchimpfungsrate fortzusetzen, um ein Wiederauftreten impfpräventabler Infektionskrankheiten in den USA zu verhindern.
 
Kommentar der Herausgeber
 
Diese Modellrechnungen basieren auf konstanten Impfraten. Dagegen ist jedoch ebenso denkbar, dass ein gehäuftes Wiederauftreten dieser Erkrankungen die Gefährlichkeit dieser in weiten Kreisen der Bevölkerung vergessenen und verharmlosten Infektionen wieder in Erinnerung rufen und Impfraten auch konsekutiv ansteigen könnten. Betroffen wären insbesondere Kinder, Alte und Immunsupprimierte. Allerdings sollten alle Anstrengungen unternommen werden, dass es gar nicht erst zu einem weiteren Abfall der Impfraten kommt.


Kiang, M. V. et al. Modeling Reemergence of Vaccine-Eliminated Infectious Diseases Under Declining Vaccination in the US. JAMA. 2025; published online April 24, 2025.
doi: 10.1001/jama.2025.6495

 

21.05.2025

WHO aktualisiert Liste der prioritären antibiotikaresistenten Erreger für 2024

Die Antibiotikaresistenz stellt eine der größten Herausforderungen für die globale Gesundheit dar. Im Jahr 2019 wurden schätzungsweise 4,95 Millionen Todesfälle mit antibiotikaresistenten Erregern in Verbindung gebracht, wobei Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen überproportional betroffen waren.

 

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat nun ihre „Bacterial Priority Pathogens List" (BPPL) für 2024 aktualisiert. Diese Liste, die erstmals 2017 veröffentlicht wurde, dient als Orientierungshilfe für Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie als Grundlage für Maßnahmen zur Überwachung und Kontrolle von Antibiotikaresistenzen. Die aktualisierte Liste umfasst 15 Familien antibiotikaresistenter Erreger, die in die Kategorien „kritisch", „hoch" und „mittel" eingestuft wurden.

 

In der Kategorie der kritischen Priorität finden sich Gram-negative Bakterien, die gegen Reserveantibiotika resistent sind. Dazu gehören Acinetobacter baumannii und verschiedene Erreger aus der Ordnung der Enterobacterales sowie Rifampicin-resistente Mycobacterium tuberculosis. Diese Einstufung basiert auf ihrer Fähigkeit, Resistenzgene zu übertragen, der Schwere der von ihnen verursachten Infektionen und Erkrankungen sowie ihrer erheblichen globalen Krankheitslast, insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.

Die Aufnahme von Salmonella und Shigella in die Kategorie hoher Priorität spiegelt ihre zunehmende Resistenz gegen bestehende Behandlungen und die hohe Infektionslast wider, die mit diesen Erregern verbunden ist. 

Zu den weiteren Erregern mit hoher Priorität gehören antibiotikaresistente Pseudomonas aeruginosa und Staphylococcus aureus aufgrund ihrer globalen Bedrohung, insbesondere im Gesundheitswesen. Auch Neisseria gonorrhoeae wurde in diese Kategorie aufgenommen, da multiresistente Stämme die Behandlungsoptionen einschränken. Ein weiterer Erreger von besonderer Bedeutung für die öffentliche Gesundheit ist der antibiotikaresistente Enterococcus faecium, der aufgrund seiner Fähigkeit, Resistenzelemente über das gesamte One-Health-Spektrum zu übertragen, als besonders wichtig eingestuft wird.

In der Kategorie mittlerer Priorität listet die BPPL 2024 Streptokokken der Gruppen A und B, Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae auf. Dies weist auf einen dringenden Handlungsbedarf hin, insbesondere im Hinblick auf vulnerable Bevölkerungsgruppen in ressourcenarmen Umgebungen.

Die Bekämpfung der Antibiotikaresistenz im Gesundheitssektor erfordert globale Anstrengungen in mehreren Schlüsselbereichen: robuste Maßnahmen zur Infektionsprävention und -kontrolle, die Sicherstellung eines gerechten Zugangs zu Diagnostik und Behandlung, eine aufmerksame Überwachung zur Erkennung neuer Resistenzentwicklungen sowie erhebliche Investitionen in Forschung und Entwicklung für neue Medikamente, Diagnostika und Präventionstools.

 

Mehr Informationen zur WHO Bacterial Priority Pathogens List, 2024

 

21.05.2025

INFEKTIO_Podcast | Vom Furunkel zur Fasziitis – Haut- und Weichgewebeinfektionen

Der Podcast consilium infectiorum bietet medizinischem Fachpersonal praxisrelevante Themen der klinischen Infektiologie und unterstützt dabei, evidenzbasierte Behandlungsoptionen für Patienten auszuwählen.
In jeder Folge diskutiert Infektiologe Prof. Mathias Pletz aus Jena mit einem Expertengast einen klinischen Schwerpunkt – fundiert und dennoch in entspannter Gesprächsatmosphäre.
 
Besonders praktisch: Für jede Folge können Sie bis zu einem Jahr nach Veröffentlichung CME-Punkte sammeln, indem Sie die zugehörigen CME-Fragen beantworten.
 
In der aktuellen Folge ist Prof. Dr. Christian Eckmann aus Hann Münden zu Gast. Gemeinsam widmen sie sich dem Thema Haut- und Weichgewebeinfektionen.

 

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21.05.2025

Gepotidacin zur Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfekte in den USA zugelassen 

Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat unter dem Namen Blujepa das neue orale Antibiotikum Gepotidacin zur Behandlung von Frauen und Mädchen ab 12 Jahren mit unkomplizierten Harnwegsinfektionen, verursacht durch Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae, Citrobacter freundii complex, Staphylococcus saprophyticus oder Enterococcus faecalis, zugelassen [1].

 

Schätzungen zufolge sind 50-60 % der erwachsenen Frauen in ihrem Leben mindestens einmal von einer Harnwegsinfektion betroffen, die in den allermeisten Fällen durch E. coli verursacht wird [2]. Wenn im Harntrakt keine relevanten, funktionellen oder anatomischen Anomalien, keine relevanten Nierenfunktionsstörungen und keine relevanten Vor- bzw. Begleiterkrankungen vorliegen, die eine Harnwegsinfektion bzw. gravierende Komplikationen begünstigen, wird die Harnwegsinfektion als unkompliziert eingestuft [3]. 

 

Gepotidacin ist ein neuartiges Antibiotikum mit Triazaacenaphthylen-Struktur und damit der erste Vertreter einer neuen Wirkstoffklasse. Gepotidacin wirkt bakterizid, indem es sowohl die DNA-Gyrase als auch die Topoisomerase IV inhibiert und damit die bakterielle DNA-Replikation hemmt [1,4]. Im Unterschied zu den Fluorchinolonen interagiert Gepotidacin mit anderen Bindungsstellen auf den beiden Typ-II-Topoisomerasen und induziert dabei enzymvermittelte Einzelstrang- statt Doppelstrang-DNA-Brüche [4]. 

 

Blujepa enthält 750 mg Gepotidacin (als Gepotidacin-Mesylat) pro Tablette, die Einnahme erfolgt zweimal täglich über 5 Tage zu den Mahlzeiten, um das Risiko für gastrointestinale Beschwerden zu minimieren [1]. Eine Dosisanpassung bei leichter bis moderater Nieren- oder Leberfunktionseinschränkung ist nicht erforderlich.

 

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Gepotidacin wurden in zwei randomisierten, doppelblinden Phase-III-Nichtunterlegenheitsstudien (EAGLE-2 und EAGLE-3) an nicht-schwangeren Frauen und Mädchen ab 12 Jahren (mind. 40 kg Körpergewicht) untersucht [5]. Eingeschlossen wurden Patientinnen mit mindestens zwei Symptomen eines unkomplizierten Harnwegsinfekts (Dysurie, Häufigkeit, Dringlichkeit, Unterleibsschmerzen) sowie dem Nachweis von Nitrit im Urin und/oder dem Vorliegen einer Pyurie. Die Patientinnen erhielten über die Dauer von fünf Tagen entweder zweimal täglich 750 mg Gepotidacin als Tablette oder zweimal täglich 100 mg Nitrofurantoin als Kapsel (25 % Nitrofurantoin makrokristallin, 75 % Nitrofurantoin-Monohydrat), sowie zusätzlich die jeweils andere Darreichungsform als Placebo zur besseren Verblindung. Der kombinierte primäre Endpunkt galt als erreicht, wenn an Tag 10 (bis 13) sowohl eine klinische Heilung der Symptome als auch eine mikrobiologische Eradikation 
(< 10³ koloniebildende Einheiten (KBE)/ml im Urin) erreicht wurde. 

 

In der Zwischenanalyse wurden Patientinnen berücksichtigt, bei denen vollständige mikrobiologische Daten verfügbar waren und ein Nitrofurantoin-sensibler Keim zu Studienbeginn nachgewiesen werden konnte. In EAGLE-2 erreichten unter diesen Bedingungen 50,6 % (162/320) der Patientinnen unter Gepotidacin und 47,0 % (135/287) der Patientinnen unter Nitrofurantoin den kombinierten primären Endpunkt (adjustierte Differenz 4,3 %; 95 %-Konfidenzintervall (KI) –3,6 bis 12,1). In EAGLE-3 führte die Behandlung mit Gepotidacin bei 58,5 % (162/277) und mit Nitrofurantoin bei 43,6 % (115/264) der Patientinnen zum Therapieerfolg (adjustierte Differenz 14,6 %; 95 %-KI 6,4 bis 22,8). Damit war Gepotidacin in beiden Studien einer Therapie mit Nitrofurantoin nicht unterlegen, in EAGLE-3 war Gepotidacin der Behandlung mit Nitrofurantoin zudem überlegen. Gepotidacin zeigte dabei auch numerisch eine bessere Wirksamkeit gegenüber arzneimittelresistenten E. coli-Isolaten, die Extended Spectrum β-Lactamasen (ESBL) exprimierten bzw. fluorchinolon- oder multiresistent waren.

 

Die häufigsten unerwünschten Nebenwirkungen von Gepotidacin sind Diarrhö (16 %), Übelkeit (9 %) und Bauchschmerzen (4 %) [1]. Außerdem kann unter Gepotidacin eine dosisabhängige Verlängerung der QTc-Zeit auftreten.

 

Gepotidacin ist nach langer Zeit der erste Vertreter einer neuen Antibiotikaklasse. Der Wirkmechanismus ist ähnlich den Fluorchinolonen, wobei Gepotidacin auch bei einer Fluorchinolon-Resistenz noch wirksam sein kann. Angesichts des Auftretens von Antibiotikaresistenzen könnte Gepotidacin eine zusätzliche orale Therapieoption für die Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfekte sein, die durch multiresistente E. coli verursacht werden. Ob sich die aufgrund des dualen Wirkmechanismus bestehende Hoffnung auf ein geringeres Potential für eine Resistenzentwicklung erfüllt, wird sich erst im Zuge der breiten Anwendung zeigen. Derzeit wird außerdem die Wirksamkeit von Gepotidacin zur Behandlung von urogenitalen Infektionen durch Neisseria gonorrhoeae, einschließlich multiresistenter Stämme, untersucht. 

 

1 U.S. Food & Drug Administration (FDA). Blujepa (Gepotidacin): Full Prescribing Information. Mar 2025. URL: https://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/label/2025/218230s000lbl.pdf [13.04.2025]

 

2 Medina M., Castillo-Pino E. An introduction to the epidemiology and burden of urinary tract infections. Ther Adv Urol. 2019; 11:3-7. doi: 10.1177/1756287219832172

 

3 Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. S3 Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen – Aktualisierung 2024. Langversion, 3.0, AWMF Registernummer: 043/044. URL: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/043-044 [13.04.2025]

 

4 Watkins R. et al. Gepotidacin: a novel, oral, ‘first-in-class’ triazaacenaphthylene antibiotic for the treatment of uncomplicated urinary tract infections and urogenital gonorrhoea. J Antimicrob Chemother. 2023; 78(5):1137-1142. doi: 10.1093/jac/dkad060

 

5 Wagenlehner F. et al. Oral gepotidacin versus nitrofurantoin in patients with uncomplicated urinary tract infection (EAGLE-2 and EAGLE-3): two randomised, controlled, double-blind, double-dummy, phase 3, non-inferiority trials. The Lancet. 2024; 403(10428):741-755. doi: 10.1016/S0140-6736(23)02196-7

 

25.04.2025

Weltweiter Tag der Händehygiene 2025: Es könnten Handschuhe sein - aber es ist immer Händehygiene

Eine der zentralen Maßnahmen zur Vermeidung von Infektionen ist die gründliche Händehygiene. Um auf ihre entscheidende Rolle aufmerksam zu machen, wird jedes Jahr am 5. Mai der Internationale Tag der Händehygiene begangen. Das Datum – der 5.5. – steht symbolisch für die fünf Finger jeder Hand.


Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) setzt dieses Jahr mit dem Welttag der Händehygiene 2025 einen wichtigen Fokus auf die korrekte Verwendung von medizinischen Handschuhen und Händehygiene im Gesundheitswesen. Nach 17 Jahren globaler Kampagnenarbeit steht nun die Botschaft im Mittelpunkt: Medizinische Handschuhe können die Händehygiene nicht ersetzen. Sie können ebenso leicht kontaminiert werden wie bloße Hände und bieten keinen hundertprozentigen Schutz. Nach jedem Ausziehen der Handschuhe muss eine Händedesinfektion gemäß der "5 Momente der Händehygiene" erfolgen.
 

Ein wichtiger Aspekt ist auch der Umweltschutz: Der übermäßige Handschuhverbrauch trägt erheblich zum medizinischen Abfall bei. Zwischen Februar und August 2020 entstanden durch 3 Milliarden Einheiten persönlicher Schutzausrüstung täglich 591 Tonnen Abfall – größtenteils Handschuhe.
 

Bis 2026 soll die Überwachung der Händehygiene-Compliance als nationaler Schlüsselindikator in allen Referenzkrankenhäusern etabliert werden. Aktuell setzen dies bereits 68% der Länder um.


Die WHO ruft alle Länder und Gesundheitseinrichtungen dazu auf, optimale Händehygienepraktiken und angemessene Handschuhverwendung zu priorisieren. 


Alle Details zur globalen WHO-Kampagne und den geplanten Maßnahmen finden Sie hier.

 

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25.04.2025

Europäische Impfwoche 2025: Impfungen für alle sind menschlich möglich

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) richtet auch 2025 wieder die Europäische Impfwoche (European Immunization Week, EIW) in der Europäischen Region aus, um die zentrale Bedeutung von Impfungen für den Gesundheitsschutz hervorzuheben. Der Fokus der jährlich stattfindenden Kampagne, die üblicherweise in der letzten Aprilwoche und dieses Jahr vom 27. April bis zum 3. Mai durchgeführt wird, liegt dabei auf dem wichtigen Ziel, eine gleichmäßig hohe Durchimpfungsrate in allen Bevölkerungsgruppen zu erreichen und dadurch Krankheitsausbrüche effektiv zu verhindern. Unter dem Motto "Impfungen für alle sind menschlich möglich" setzt die EIW ein deutliches Zeichen für einen inklusiven Zugang zu Impfangeboten.


Die diesjährige Kampagne verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz: Neben der breiten Streuung von Informationen über Impfstoffe wird besonders betont, dass bei den Bemühungen um einen umfassenden Gesundheitsschutz durch Impfungen niemand zurückgelassen werden darf. 


Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der verstärkten Zusammenarbeit mit jungen medizinischen Fachkräften und Jugendorganisationen, die sich für Impfkampagnen engagieren. Damit baut die WHO gezielt auf bestehende und neue Partnerschaften, um die jüngere Generation als wichtige Multiplikatoren für das Thema Impfen zu gewinnen.

 

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25.04.2025

INFEKTIO_Podcast | Volle Dosis? Antibiotika-Therapie auf der Intensivstation

Der Podcast consilium infectiorum bietet medizinischem Fachpersonal praxisrelevante Themen der klinischen Infektiologie und unterstützt dabei, evidenzbasierte Behandlungsoptionen für Patienten auszuwählen.
In jeder Folge diskutiert Infektiologe Prof. Mathias Pletz aus Jena mit einem Expertengast einen klinischen Schwerpunkt – fundiert und dennoch in entspannter Gesprächsatmosphäre.

 

Besonders praktisch: Für jede Folge können Sie bis zu einem Jahr nach Veröffentlichung CME-Punkte sammeln, indem Sie die zugehörigen CME-Fragen beantworten.

In der aktuellen Folge ist Prof. Dr. Jan Kielstein aus Berlin zu Gast. Gemeinsam widmen sie sich der Antibiotika-Therapie auf der Intensivstation.

 

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25.04.2025

Kurze Behandlungsstrategien für Rifampin-sensible Tuberkulose: Wirksamkeit und Verträglichkeit

Tuberkulose wird in der Regel mit einem 6-monatigen Rifampin-Schema behandelt. Ob eine Strategie mit einer kürzeren Erstbehandlung zu ähnlichen Ergebnissen führen kann, ist unklar.


In der nachfolgenden Studie wurden Teilnehmer mit Rifampin-empfänglicher Lungentuberkulose nach dem Zufallsprinzip entweder einer Standardbehandlung (Rifampin und Isoniazid für 24 Wochen mit Pyrazinamid und Ethambutol für die ersten 8 Wochen) oder einer Strategie zugewiesen, die eine Anfangsbehandlung mit einem 8-Wochen-Schema oder länger bei persistierender klinischer Erkrankung einer verlängerten Behandlung umfasste. Es gab hier vier Strategien mit unterschiedlichen Anfangstherapien; die Nichtunterlegenheit wurde in den beiden Strategien mit vollständiger Rekrutierung analysiert, die Anfangstherapien mit hochdosiertem Rifampin-Linezolid und Bedaquilin-Linezolid (jeweils mit Isoniazid, Pyrazinamid und Ethambutol) erhielten. Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus Tod, fortdauernder Behandlung oder aktiver Erkrankung in Woche 96. Die Nichtunterlegenheitsmarge betrug 12 Prozentpunkte.


Es wurden 674 Teilnehmer in der Intention-to-Treat-Population eingeschlossen. Ein Ereignis mit primärem Endpunkt trat bei 7 der 181 Teilnehmer (3,9 %) in der Standardbehandlungsgruppe auf, verglichen mit 21 der 184 Teilnehmer (11,4 %) in der Gruppe mit einem anfänglichen Rifampin-Linezolid-Schema und 11 der 189 Teilnehmer (5,8 %) in der Gruppe mit einem anfänglichen Bedaquilin-Linzolid-Schema. Die mittlere Gesamtbehandlungsdauer betrug 180 Tage in der Standardbehandlungsgruppe, 106 Tage in der Rifampin-Linezolid-Strategiegruppe und 85 Tage in der Bedaquilin-Linezolid-Strategiegruppe. 


Die Inzidenz von unerwünschten Ereignissen des Grades 3 oder 4, von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen und von Todesfällen unterschied sich nicht signifikant zwischen der Standardbehandlungsgruppe und den beiden Strategiegruppen mit vollständiger Rekrutierung. Fast alle Rückfälle wurden als Schweregrad 1 oder 2 eingestuft; ein Teilnehmer in der Standardbehandlungsgruppe, fünf in der Rifampin-Linezolid Gruppe und einer in der Bedaquilin-Linezolid Gruppe hatten ein unerwünschtes Ereignis des Schweregrads 3 oder 4, in Form eines Rückfall oder einer erneuten Therapie. 


In einer weiteren Übersichtsarbeit und Meta-Analyse wurden Sicherheitsdaten zu 591 Patienten, die 8 unterschiedliche Therapieregime mit Bedaquilin, Pretomanid und Linezolid (BPaL) erhalten hatten, untersucht. Bei Patienten, die eine Tagesdosis von 1200 mg Linezolid erhalten hatten, erlitten 35 % ein unerwünschtes Ereignis des Grads 3-4 aber nur 22 % von den Patienten mit einer Linezolid-Tagesdosis von 600 mg. Diese niedrigere und besser verträgliche Dosis wurde auch in der oben genannten randomisierten Studie verwendet.

 

Folgerung der Autoren


Die Studie zeigt, dass eine Strategie mit initialer Behandlung mit einem 8-wöchigen Bedaquilin-Linezolid-Regime nicht unterlegen war im Vergleich zur Standardbehandlung und mit einer kürzeren Gesamtbehandlungsdauer verbunden war. Die Sicherheit war vergleichbar in den drei Gruppen. Dies wurde inzwischen in verschiedenen Studien gezeigt und stellt somit eine vielversprechende Alternative zur Standardbehandlung von Tuberkulose dar.

 

Kommentar der Herausgeber


Es ist sehr zu begrüßen, dass immer kürzere Therapieregime für Tuberkulose getestet und für sicher und wirksam befunden werden. Leider haben diese aber auch Probleme mit unerwünschten Ereignissen, insbesondere mit Linezolid. Daher sind Daten zur ähnlichen Wirksamkeit bei besserer Verträglichkeit einer niedrigeren Tagesdosis von 600 mg erfreulich. Gleichzeitig muss jedoch bedacht werden, dass gerade Bedaquilin und Linezolid entscheidende Therapiepfeiler von BPaL darstellen, welches die Therapie der multiresistenten (MDR) Tuberkulose durch erheblich verkürzte Therapiedauer und gute Wirksamkeit revolutioniert hat. Bei zunehmender und breiter Anwendung dieser beiden Medikamente für Tuberkuloseformen, die potente und gut verträgliche Alternativen in Form der bisherigen 6-monatigen Standardtherapie aufweisen, ist ein rascher Verlust durch Resistenzentwicklung für viel dringlichere Anwendungen bei der MDR-TB zu befürchten.

 

Paton, N. I. et al. Treatment Strategy for Rifampin-Susceptible Tuberculosis. N Engl J Med. 2023; 388(10):873-887. doi: 10.1056/NEJMoa2212537

 

Hasan, T. et al. The Safety and Tolerability of Linezolid in Novel Short-Course Regimens Containing Bedaquiline, Pretomanid, and Linezolid to Treat Rifampicin-Resistant Tuberculosis: An Individual Patient Data Meta-analysis. Clin Inf Dis. 2024; 78(3):730-741. doi: 10.1093/cid/ciad653

 

12.03.2025

Welt-Tuberkulose-Tag 2025

Tuberkulose (TB) bleibt eine der größten Herausforderungen für die globale Gesundheit. Etwa ein Viertel der Weltbevölkerung ist mit dem Erreger Mycobacterium tuberculosis infiziert. Trotz eines Rückgangs der Neuerkrankungen in der WHO-Region Europa um durchschnittlich 4,3 % pro Jahr zwischen 2011 und 2015 stellt die Krankheit weiterhin eine erhebliche Bedrohung dar, insbesondere durch multiresistente TB. Neun der 30 am stärksten betroffenen Länder weltweit befinden sich in dieser Region.

 

TB wird über die Luft übertragen, wobei eine unbehandelte Person mit aktiver TB durchschnittlich 10–15 Menschen pro Jahr anstecken kann. Eine frühzeitige Diagnose und eine wirksame Behandlung sind entscheidend, um die weitere Ausbreitung zu verhindern. Die WHO verfolgt das Ziel, TB weltweit zu beenden. Der TB-Aktionsplan für die WHO-Region Europa 2016–2020 dient dabei als wichtigstes Leitinstrument, um Fortschritte im Einklang mit der globalen End-TB-Strategie 2016–2035, den Zielen für nachhaltige Entwicklung und dem europäischen Gesundheitsrahmenkonzept Health 2020 zu erzielen.


Aus diesem Grund steht der Welt-Tuberkulose-Tag 2025 unter dem Motto „Ja! Wir können die Tuberkulose beenden: Bekennen, investieren, umsetzen“. Dieses Thema betont die Notwendigkeit, sich zur Bekämpfung der Krankheit zu verpflichten, Investitionen zu tätigen und konkrete Maßnahmen zur endgültigen Eliminierung umzusetzen. 


Die WHO ruft Regierungen, Gesundheitsdienstleister und Gemeinschaften zur Zusammenarbeit auf. Notwendig sind verbesserte Früherkennung, neue Diagnosetests, Medikamente sowie verstärkte Forschung. Der Welt-Tuberkulose-Tag soll Bewusstsein schaffen, Engagement fördern und den gemeinsamen Kampf gegen TB stärken.


Weitere Informationen zum Aktionsplan, zur Kampagne und der entsprechenden Webinar-Veranstaltung finden Sie untenstehend.

 

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12.03.2025

Veranstaltungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft

Frühjahrstagung der Sektion "Antimykotische Therapie"

 

Was? Update Antimykotika & Diagnostik

Wo? Haus der Technik, Essen

Wann? 04.-05.04.2025

 

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Frühjahrstagung der PEG
 

Was? Update Infektionsmedizin (u.a. Leitlinien, ABS, Impfung & antivirale Therapie)

Wo? Volkshaus Jena

Wann? 28.-29.04.2025

 

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12.03.2025

INFEKTIO_Podcast | Besserwisser mit Antibiotika – Etablierung von ABS-Strukturen

Der Podcast consilium infectiorum bietet medizinischem Fachpersonal praxisrelevante Themen der klinischen Infektiologie und unterstützt dabei, evidenzbasierte Behandlungsoptionen für Patienten auszuwählen.
In jeder Folge diskutiert Infektiologe Prof. Mathias Pletz aus Jena mit einem Expertengast einen klinischen Schwerpunkt – fundiert und dennoch in entspannter Gesprächsatmosphäre.

 

Besonders praktisch: Für jede Folge können Sie bis zu einem Jahr nach Veröffentlichung CME-Punkte sammeln, indem Sie die zugehörigen CME-Fragen beantworten.

In der aktuellen Folge ist Prof. Dr. Irit Nachtigall aus Berlin zu Gast. Gemeinsam widmen sie sich der Etablierung von ABS-Strukturen

 

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12.03.2025

Zulassungsempfehlung für neuen Impfstoff gegen Chikungunya-Virus

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA empfiehlt nach seiner Sitzung am 30. Januar 2025 die Zulassungserteilung für Vimkunya, einen neuen Impfstoff gegen das Chikungunya-Virus (CHIKV) [1].

 

Das Chikungunya-Virus ist in den (sub-)tropischen Regionen Amerikas, Afrikas und Asiens endemisch. In Frankreich wurde 2024 der einzige lokal erworbene Fall auf dem europäischen Festland berichtet (ECDC). Die Übertragung erfolgt durch den Stich einer infizierten Aedes-Mücke und führt nach einer Inkubationszeit von etwa 2-12 Tagen u.a. zu einem plötzlichen Auftreten von hohem Fieber, starken Gelenkschmerzen an Händen und Füßen sowie Hautausschlag. Auch wenn schwere Verläufe selten sind, können neurologische Komplikationen und Todesfälle auftreten. Besonders belastend ist der häufig über mehrere Monate bis sogar Jahre andauernde Genesungsprozess, in denen die Betroffenen von wiederkehrenden Gelenkschmerzen begleitet werden, die nicht selten in einer chronischen Arthritis münden können [2]. 

 

Vimkunya ist ein auf virusähnlichen Partikeln (VLP) basierender Totimpfstoff. Er enthält das rekombinant hergestellte Kapsidprotein (C) sowie die Hüllproteine E1 und E2, abgeleitet vom CHIKV-Senegal-Stamm 37997 [1]. Durch eine spontane Zusammenlagerung dieser Strukturproteine, zu den sogenannten virusähnlichen Partikeln, wird die Morphologie des Virus imitiert, was nach der Injektion zu einer effektiven Stimulation der angeborenen und adaptiven Immunantwort führt [3]. Die VLPs sind dabei nicht replikationsfähig, da sie kein virales Erbgut enthalten. Zur Verstärkung der Immunantwort sind die VLPs außerdem an Aluminiumhydroxid als Adjuvans adsorbiert. Der adjuvantierte Totimpfstoff soll als Suspension zur Injektion in einer Fertigspritze erhältlich sein und kann zur aktiven Immunisierung von Personen ab 12 Jahren eingesetzt werden.

 

Die Immunogenität und Sicherheit des Impfstoffes wurden in zwei randomisierten, doppelblinden und kontrollierten Phase-III-Studien untersucht [4]. Die 3254 eingeschlossenen Personen im Alter zwischen 12 und 65 Jahren erhielten entweder eine Einzeldosis Vimkunya oder eine intramuskuläre Injektion mit Placebo. Die Impfung mit Vimkunya zeigte eine Seroresponse-Rate von 98 % (1 % unter Placebo) an Tag 22, die nach etwa 6 Monaten noch bei 86 % lag. In der Studie an 413 Personen im Alter 65 Jahren und älter war die durch Vimkunya-induzierte Seroresponse-Rate an Tag 22 mit 87 % im Vergleich zu der jüngeren Altersgruppe niedriger. In beiden Studien waren die schützenden Antikörpertiter bei einem Großteil der geimpften Personen bereits an Tag 15 erreicht (Seroresponse-Rate 97 % bzw. 82 %). Die unerwünschten Wirkungen nach der Impfung waren meist mild bis moderat, am häufigsten traten Schmerzen an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen und Myalgie auf [1,4].

 

Folgt die Europäische Kommission der Empfehlung des CHMP und wird Vimkunya in Europa zugelassen, wäre es bereits der zweite Impfstoff gegen das Chikungunya-Virus. Mit der Zulassung von Ixchiq im Juni 2024 bestand erstmals die Möglichkeit der aktiven Immunisierung gegen CHIKV. Ixchiq ist ein Lebendimpfstoff und enthält replikationsfähige, abgeschwächte Chikungunya-Viren, mit denen Personen ab 18 Jahren geimpft werden können. Die Impfung mit Ixchiq wird derzeit in Österreich für Reisende in Endemiegebiete empfohlen, in der Schweiz ist der Impfstoff nicht zugelassen [5,6]. Eine Impfempfehlung für Reisende aus Deutschland wird derzeit noch durch die Ständige Impfkommission am Robert Koch Institut (STIKO) erarbeitet.

 

1 European Medicines Agency (EMA). Vimkunya - summary of opinion. EMA/CHMP/552510/2024; published online Jan 31, 2025. URL: https://www.ema.europa.eu/en/documents/smop-initial/chmp-summary-positive-opinion-vimkunya_en.pdf


2 Auswärtiges Amt. Chikungunyafieber. Stand 20.12.2024. URL:
https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/reise-gesundheit/chikungunyafieber/2562870 [08.02.2025]


3 Klausberger, M. et al. Virusähnliche Partikel – Impfstoffe, die den Eindringling imitieren. Biospektrum. 2024; 30(1):66–69. doi: 10.1007/s12268-024-2112-2


4 Richardson, J. S. et al. Safety and Immunogenicity of an Adjuvanted Chikungunya Virus (CHIKV) Virus-like Particle (VLP) Based Vaccine in Two Pivotal Phase 3 Trials, ≥12 Years of Age. Open Forum Infect Dis. 2023; 10(Suppl 2):S1270-S1271. doi: 10.1093/ofid/ofad500.2471


5 Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK). Impfplan Österreich 2024/2025, Version 1.1 vom 18.12.2024; S. 132-133. URL: https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:7b3826a7-9eb5-4835-affd-f6e6e3f62bf4/Impfplan_Österreich_2024-2025_Version_1.1.pdf


6. Bundesamt für Gesundheit (BAG). Chikungunya-Fieber. Stand 11.09.2024. URL: https://www.bag.admin.ch/bag/de/home/krankheiten/krankheiten-im-ueberblick/chikungunya.html [09.02.2025]

 

12.02.2025

Update | VRE vanA ST612: Weite Verbreitung in der Schweiz bestätigt

Wir berichteten bereits im März und Juni 2024 auf Basis der bisherigen Veröffentlichungen von Swissnoso über die zunehmende Ausbreitung von Vancomycin-resistentem Enterococcus faecium (VRE) vanA ST612. Nun wurde die epidemiologische Untersuchung zur interregionalen Verbreitung abgeschlossen und bestätigt eine weitreichendere Verbreitung als ursprünglich angenommen, insbesondere in den deutschsprachigen Regionen der Schweiz. 


Die hohe Detektionsrate klinischer Proben (44 %) und die niedrige Quote positiver Aufnahmescreenings im Vergleich zu klinischen Fällen deuten auf eine erhebliche unbemerkte Transmission hin. Besonders besorgniserregend ist, dass ein nosokomiales Cluster bislang nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte.

 

Handlungsempfehlungen für Gesundheitseinrichtungen
 

Erinnerung an die entscheidende Bedeutung der folgenden kritischen Präventions- und Kontrollmaßnahmen:

 

✅ Striktes Screening von Risikopatienten
✅ Einhaltung von Standard- und Kontaktisolationsmaßnahmen
✅ Systematische Kontaktuntersuchungen
✅ Meldepflicht ab drei verknüpften Fällen
 

Um die Ausbreitung innerhalb und zwischen Gesundheitseinrichtungen weiter einzudämmen, ist die konsequente Umsetzung der Swissnoso-Empfehlungen zur Prävention und Kontrolle multiresistenter Organismen essenziell und sollte aktiv gefördert werden.

 

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12.02.2025

Zulassungsempfehlung für neue Arzneistoffe zur COVID-19-Prävention

Am 12. Dezember 2024 hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA einen weiteren COVID-19-Impfstoff (Kostaive) für Erwachsene und einen monoklonalen Antikörper (Kavigale) zur passiven Immunisierung immungeschwächter Personen ab 12 Jahren zur Zulassung empfohlen [1,2].

 

Kostaive (Zapomeran)

 

Bei Kostaive handelt es sich um einen RNA-basierten Impfstoff. Er enthält mRNA, die für das Spike-Protein von SARS-CoV-2 codiert [1]. Im Jahr 2020 erhielt der damals weltweit erste mRNA-Impfstoff eine Zulassung zum Schutz vor Infektionen mit SARS-CoV-2. Mittlerweile existieren mehrere, variantenangepasste mRNA-Impfstoffe gegen COVID-19, kürzlich erfolgte auch die Zulassung eines mRNA-Impfstoffs zum Schutz vor Erkrankungen durch das Respiratorische Synzytial-Virus. Alle bisher verfügbaren mRNA-Vakzine basieren auf nicht-replizierender mRNA, von der eine ausreichend hohe Menge enthalten sein muss, um eine adäquate Immunantwort zu induzieren [3].

 

Im Gegensatz dazu enthält Kostaive eine selbst-replizierende bzw. selbst-amplifizierende mRNA (sa-mRNA), die nicht nur die genetische Information für das Spike-Protein enthält, sondern auch für die virale Replikase codiert. Nach der intramuskulären Injektion der in Lipid-Nanopartikeln verpackten sa-mRNA, erfolgt in den Zellen an der Injektionsstelle neben der Translation in das Spike-Protein auch die Bildung des Enzyms Replikase. Die Replikase vervielfacht einen Teil der mRNA in der Zielzelle, wodurch auch eine erhöhte Menge an Antigen exprimiert werden kann [1,3,4]. Die Verwendung von sa-mRNA soll die im Impfstoff enthaltene mRNA-Menge bei gleichzeitig längerer Produktion größerer Antigenmengen reduzieren. Durch die Erzeugung doppelsträngiger RNA-Intermediate während der Replikation sollen zusätzliche, das angeborene Immunsystem aktivierende Effekte und damit insgesamt Vorteile hinsichtlich der Ausbildung einer langanhaltenden Immunität erzielt werden [3,4].

 

Die Beurteilung der Wirksamkeit von Kostaive zur Grundimmunisierung gegen COVID-19 war Gegenstand einer randomisierten, Beobachter-verblindeten Phase-IIIb-Studie an 16.107 Personen in Vietnam [5]. Dabei erhielten die Teilnehmer entweder zwei Impfdosen Kostaive (Dosis 5 µg) oder Placebo im Abstand von 28 Tagen und es wurde die Anzahl aufgetretener COVID-19-Fälle in beiden Gruppen bis Tag 92 erfasst. Die Impfstoffwirksamkeit zum Schutz vor COVID-19 jeglicher Schwere betrugt 56,6 % (95 %-Konfidenzintervall (KI): 48,7–63,3), während sie gegen schwere Verläufe 95,3 % (95 %-KI: 80,5–98,9) erreichte, insbesondere bei Infektionen mit der Delta-Variante.

 

In einer weiteren randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie wurde die Immunogenität und Sicherheit von Kostaive (Dosis 5 µg) als vierte Boosterimpfung mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 (Pfizer-BioNTech, Dosis 30 µg) verglichen [3]. Die Studie umfasste 828 erwachsene Teilnehmer in Japan, die zuvor drei Dosen eines mRNA-Impfstoffs erhalten hatten. Der primäre Endpunkt zeigte, dass die durch Kostaive induzierte Immunantwort 28 Tage nach der Impfung gegen die Wuhan-Hu-1-Variante der von BNT162b2 nicht unterlegen war, gemessen an neutralisierenden Antikörper-Titern und Seroresponse-Raten. Für die Omikron-Variante BA.4/5 zeigte Kostaive eine überlegene Immunantwort.

 

Nach der Impfung mit Kostaive traten in den Studien am häufigsten lokale Reaktionen wie Schmerzen an der Injektionsstelle sowie systemische unerwünschte Ereignisse wie Arthralgie, Myalgie, Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit, Schüttelfrost und Fieber auf. Die unerwünschten Ereignisse waren überwiegende mild bis moderat und vorübergehend [3,5].

 

Kavigale (Sipavibart)

 

Kavigale enthält den Wirkstoff Sipavibart, einen rekombinanten humanen monoklonalen IgG1-Antikörper mit der Fähigkeit, an die Rezeptor-Bindungsdomäne des Spike-Proteins von SARS-CoV-2 zu binden. Auf diesem Weg wird die Interaktion des Spike-Proteins mit dem Wirtsrezeptor ACE-2 gehemmt und das Eindringen des Virus verhindert. Eine so erreichte passive Immunisierung gegen SARS-CoV-2 soll Sipavibart immungeschwächte Personen ab 12 Jahren mit eingeschränkter Impfantwort vor einer symptomatischen COVID-19-Erkrankung schützen [2].

 

In den vergangenen Jahren der Pandemie wurden bereits monoklonale Antikörper und -kombinationen für die Therapie und die Prä-Expositionsprophylaxe (PrEP) von COVID-19 eingesetzt. Aktuellen Empfehlungen zufolge soll eine PrEP mit den SARS-CoV-2-neutralisierenden monoklonalen Antikörper Tixagevimab/Cilgavimab (Evusheld) nur noch in begründeten Einzelfällen in Betracht gezogen werden [6]. Der Grund dafür ist die fehlende (Tixagevimab) bzw. reduzierte (Cilgavimab) Neutralisationskapazität in in-vitro-Untersuchungen für mehrere derzeit zirkulierende Omikron-Sublinien infolge von Mutationen im Spike-Protein. Andere, zu Beginn der Pandemie eingesetzte, Antikörper sind auf Grund der fehlenden Wirksamkeit gar nicht mehr verfügbar oder werden nicht mehr empfohlen (z.B. Casirivimab / Imdevimab).

 

Da für eine wirksame PrEP bis dato Wirkstoffe mit breiter neutralisierender Aktivität gegenüber den vorherrschenden Virus-Varianten fehlten, wurde der lang wirkende monoklonale Antikörper Sipavibart entwickelt [7]. Sipavibart wurde aus den B-Zellen von rekonvaleszenten Patienten nach einer SARS-CoV-2-Infektion gewonnen. In der noch laufenden, randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studie SUPERNOVA wurde die Wirksamkeit von Sipavibart bei 3.335 immungeschwächten Patienten ab 12 Jahren gegenüber Placebo und Tixagevimab/Cilgavimab untersucht. Die Patienten erhielten zwei intramuskuläre Injektionen mit je 300 mg Sipavibart oder der Vergleichssubstanz im Abstand von 6 Monaten. Ersten Ergebnissen zufolge reduzierte Sipavibart im Vergleich zu Tixagevimab/Cilgavimab oder Placebo signifikant die Inzidenz von symptomatischen SARS-CoV-2-Infektionen, unabhängig von der Virus-Variante (Beginn der Studie Dezember 2022). Der Effekt von Sipavibart war erwartungsgemäß größer gegen die Virus-Varianten ohne F456L-Mutation, in deren Anwesenheit bereits eine fehlende Neutralisationswirkung von Sipavibart bekannt ist.

 

Kavigale ist allgemein gut verträglich, die häufigsten Nebenwirkungen sind Reaktionen an der Injektions- bzw. Infusionsstelle [2].

 

Beide zur Zulassung empfohlenen Arzneimittel können zur Verbesserung und Erweiterung der Möglichkeiten der aktiven und passiven Immunisierung gegen COVID-19 beitragen. Die Zulassung und Genehmigung des Inverkehrbringens durch die Europäische Kommission ist noch ausstehend. Es bleibt abzuwarten, welchen Stellenwert sowohl Kostaive als auch Kavigale in der Prophylaxe von SARS-CoV-2-Infektionen durch aktuell (und zukünftig) zirkulierende Virus-Varianten einnehmen werden.

 

1 European Medicines Agency (EMA). Kostaive (Zapomeran) – summary of opinion. EMA/392588/2024; published online Dec 13, 2024. URL: https://www.ema.europa.eu/en/documents/smop-initial/chmp-summary-positive-opinion-kostaive_en.pdf [05.01.2025]

 

2 European Medicines Agency (EMA). Kavigale (Sipavibart) – summary of opinion. EMA/CHMP/562567/2024; published online Dec 13, 2024. URL: https://www.ema.europa.eu/en/documents/smop-initial/chmp-summary-positive-opinion-kavigale_en.pdf [05.01.2025]

 

3 Oda, Y. et al. Immunogenicity and safety of a booster dose of a self-amplifying RNA COVID-19 vaccine (ARCT-154) versus BNT162b2 mRNA COVID-19 vaccine: a double-blind, multicentre, randomised, controlled, phase 3, non-inferiority trial. Lancet Infect Dis. 2024; 24(4):351–60. doi: 10.1016/S1473-3099(23)00650-3

 

4 Schmidt, C. et al. Self-Amplifying RNA Vaccine Candidates: Alternative Platforms for mRNA Vaccine Development. Pathogens. 2023; 12(1):138. doi: 10.3390/pathogens12010138

 

5 Ho, N.T. et al. Safety, immunogenicity and efficacy of the self-amplifying mRNA ARCT-154 COVID-19 vaccine: pooled phase 1, 2, 3a and 3b randomized, controlled trials. Nat Commun. 2024; 15:4081. doi: 10.1038/s41467-024-47905-1

 

6 RKI (Robert Koch-Institut). COVID-19-Therapieempfehlungen: Interaktive Orientierungshilfe für Ärztinnen und Ärzte. Stand: 10.10.2024. URL: https://multimedia.gsb.bund.de/RKI/covid-19/dgiin_pv_covid-19-therapie/#/ [08.01.2025]


7 AstraZeneca. SUPERNOVA Phase III trial of sipavibart long-acting antibody met primary endpoints in preventing COVID-19 in immunocompromised patient population. Press Announcement; published online May 16, 2024. URL: https://www.astrazeneca.com/media-centre/press-releases/2024/supernova-trial-met-covid-19-prevention-endpoint.html [08.01.2025]

 

15.01.2025

Neues Reserveantibiotikum Meropenem / Vaborbactam verfügbar

Mehr als fünf Jahre nach der Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA wurde Ende 2024 das Reserveantibiotikum Vaborem (vormals Vabomere) in Deutschland eingeführt. Es kombiniert Meropenem mit dem neuartigen β-Lactamase-Inhibitor (BLI) Vaborbactam zur Behandlung schwerer Infektionen wie u.a. komplizierten Harnwegsinfektionen (cUTI), komplizierten intraabdominellen Infektionen (cIAI) oder nosokomial erworbenen Pneumonien (HAP) [1].

 

Carbapenem-resistente Enterobacterales (CRE) zählen laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) aufgrund ihrer Verbreitung, Resistenz und der begrenzten Behandlungsmöglichkeiten weiterhin zu den kritischsten Gram-negativen Erregern. Eine Strategie, die durch β-Lactamase-Enzyme vermittelte Resistenz zu überwinden, ist die Kombination von β-Lactam-Antibiotika mit geeigneten BLI.

 

Vaborbactam, ein Nicht-β-Lactam BLI mit zyklischer Boronsäure-Struktur, hemmt insbesondere β-Lactamasen der Ambler-Klasse A (inkl. Klebsiella pneumoniae Carbapenemase, KPC) sowie AmpC [1,2]. Die Boronsäure-Struktur ist entscheidend für die Hemmung der Enzymaktivität der genannten β-Lactamasen, bei der es zur Ausbildung eines kovalenten Adduktes mit dem hydrolysestabilen Vaborbactam kommt. Gegen β-Lactamasen der Klasse B (Metallo-β-Lactamasen) und Carbapenemasen der Klasse D (z.B. OXA-48) besitzt Vaborbactam keine Aktivität.

 

Die Zulassung von Vaborem basiert hauptsächlich auf einer randomisierten, kontrollierten und doppelblinden Phase-III-Studie an 545 erwachsenen Patienten mit cUTI oder akuter Pyelonephritis [3]. Die Patienten wurden entweder mit Meropenem/Vaborbactam (2 g/2 g alle 8 h) oder Piperacillin/Tazobactam (4 g/0,5 g alle 8 h) über 10 Tage behandelt, mit der Möglichkeit einer Oralisierung auf Levofloxacin (500 mg alle 24 h). Gemessen am Gesamterfolg nach Ende der intravenösen Behandlung, ein kombinierter primärer Endpunkt aus klinischer Heilung und mikrobiologischer Eradikation, war Meropenem/Vaborbactam einer Therapie mit Piperacillin/Tazobactam nicht unterlegen (98,4 % vs. 94,0 %, Differenz: 4,5 % (95 %-Konfidenzintervall 0,7 – 9,1)). Informationen zur Wirksamkeit gegen CRE konnten in dieser Studie allerdings nicht geliefert werden, da fast keine Meropenem-resistenten Erreger behandelt wurden und so die Angemessenheit der Vaborbactam-Dosis nicht belegt werden konnte [4].

 

Eine weitere Phase-III-Studie an 77 Patienten mit schweren Infektionen (darunter cUTI, cIAI, HAP) verglich Meropenem/Vaborbactam mit der bestverfügbaren Therapie (Polymyxine, Carbapeneme, Aminoglykoside, Tigecyclin oder Ceftazidim-Avibactam) [5]. Bei den 47 Patienten mit CRE wurden höhere Heilungsraten und eine geringere Sterblichkeit unter Meropenem/Vaborbactam beobachtet. Die Studie diente jedoch nur einem deskriptiven Wirksamkeitsvergleich [4].

 

Die häufigsten unerwünschten Ereignisse unter der Behandlung mit Meropenem/Vaborbactam waren Kopfschmerz, Diarrhö, Phlebitis an der Infusionsstelle und Übelkeit [1].

 

Die Kombination des neuen BLI Vaborbactam mit Meropenem kann das Problem der Carbapenem-Resistenz nicht vollständig lösen, stellt jedoch eine willkommene Therapieoption für die Behandlung von Infektionen durch CRE dar, insbesondere in Anwesenheit von KPC. β-Lactamasen der Klasse B und Carbapenemasen der Klasse D als weitere wichtige Ursachen der Carbapenem-Resistenz werden allerdings nicht adressiert.
Der Stellenwert der neuen Kombination in der Praxis, insbesondere im Vergleich zu anderen Substanzen mit Wirksamkeit bei CRE (z.B. Imipenem/Cilastatin/Relebactam, Ceftazidim/Avibactam), ist vor dem Hintergrund der begrenzten klinischen Daten noch offen. In Österreich ist Vaborem bereits seit 2019, in der Schweiz seit 2021 verfügbar.

 

1 Fachinformation Vaborem (Meropenem/Vaborbactam). Berlin-Chemie. Stand 07/2023. URL: https://www.medical-hub.berlin-chemie.de/sites/g/files/fugoka451/files/products/documents/147730_vaborem_fi-0723.pdf [11.01.2025]


2 Marino, A. et al. Ceftazidime/Avibactam and Meropenem/Vaborbactam for the Management of Enterobacterales Infections: A Narrative Review, Clinical Considerations, and Expert Opinion. Antibiotics. 2023; 12(10):1521. doi: 10.3390/antibiotics12101521


3 Kaye, K. S. et al. Effect of Meropenem-Vaborbactam vs Piperacillin-Tazobactam on Clinical Cure or Improvement and Microbial Eradication in Complicated Urinary Tract Infection: The TANGO I Randomized Clinical Trial. JAMA. 2018; 319(8):788-799. doi: 10.1001/jama.2018.0438


4 European Medicines Agency (EMA). Assessment report Vabomere (Meropenem/Vaborbactam). Stand 20.09.2018. URL: https://www.ema.europa.eu/en/documents/assessment-report/vabomere-epar-public-assessment-report_en.pdf [11.01.2025]


5 Wunderink, R. G. et al. Effect and Safety of Meropenem-Vaborbactam versus Best-Available Therapy in Patients with Carbapenem-Resistant Enterobacteriaceae Infections: The TANGO II Randomized Clinical Trial. Infect Dis Ther. 2018; 7(4):439-455. doi: 10.1007/s40121-018-0214-1

 

15.01.2025

 

Behandlungsstrategie für Rifampicin-sensible Tuberkulose

Tuberkulose wird in der Regel mit einem 6-monatigen Rifampicin-Schema behandelt. Ob eine Strategie mit einer kürzeren Erstbehandlung zu ähnlichen Ergebnissen führen kann, ist unklar.

 

In der nachfolgenden Studie wurden Teilnehmer mit Rifampicin-empfänglicher Lungentuberkulose nach dem Zufallsprinzip entweder einer Standardbehandlung (Rifampicin und Isoniazid für 24 Wochen mit Pyrazinamid und Ethambutol für die ersten 8 Wochen) oder einer Strategie zugewiesen, die eine Anfangsbehandlung mit einem 8-Wochen-Schema, einer verlängerten Behandlung bei persistierender klinischer Erkrankung, eine Überwachung nach der Behandlung und eine erneute Behandlung bei einem Rückfall umfasste. Es gab hier vier Strategien mit unterschiedlichen Anfangstherapien; die Nichtunterlegenheit wurde in den beiden Strategien mit vollständiger Rekrutierung analysiert, die Anfangstherapien mit hochdosiertem Rifampicin-Linezolid und Bedaquilin-Linezolid (jeweils mit Isoniazid, Pyrazinamid und Ethambutol) erhielten. Der primäre Endpunkt war eine Kombination aus Tod, fortdauernder Behandlung oder aktiver Erkrankung in Woche 96. Die Nichtunterlegenheitsmarge betrug 12 Prozentpunkte.

 

Es wurden 674 Teilnehmer in der Intention-to-Treat-Population eingeschlossen. Ein Ereignis mit primärem Endpunkt trat bei 7 der 181 Teilnehmer (3,9 %) in der Standardbehandlungsgruppe auf, verglichen mit 21 der 184 Teilnehmer (11,4 %) in der Strategiegruppe mit einem anfänglichen Rifampicin-Linezolid-Schema und 11 der 189 Teilnehmer (5,8 %) in der Strategiegruppe mit einem anfänglichen Bedaquilin-Linezolid-Schema. Die mittlere Gesamtbehandlungsdauer betrug 180 Tage in der Standardbehandlungsgruppe, 106 Tage in der Rifampicin-Linezolid-Strategiegruppe und 85 Tage in der Bedaquilin-Linezolid-Strategiegruppe.

 

Die Inzidenz von unerwünschten Ereignissen des Grades 3 oder 4, von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen und von Todesfällen unterschied sich nicht signifikant zwischen der Standardbehandlungsgruppe und den beiden Strategiegruppen mit vollständiger Rekrutierung. Fast alle Rückfälle wurden als Schweregrad 1 oder 2 eingestuft; ein Teilnehmer in der Standardbehandlungsgruppe, fünf in der Rifampicin-Linezolid-Strategiegruppe und einer in der Bedaquilin-Linezolid-Strategiegruppe hatten ein unerwünschtes Ereignis des Schweregrads 3 oder 4, in Form eines Rückfall oder einer erneuten Therapie. Die Ergebnisse zur Therapiesicherheit in den beiden Strategiegruppen mit unvollständiger Rekrutierung waren mit denen der anderen beiden Strategiegruppen vergleichbar. Die Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen des Grades 3 oder 4 und von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen war in den drei Gruppen ähnlich.
 
Kommentar der Herausgeber

 

Die Studie zeigt, dass eine Strategie mit initialer Behandlung mit einem 8-wöchigen Bedaquilin-Linezolid-Regime nicht unterlegen war im Vergleich zur Standardbehandlung und mit einer kürzeren Gesamtbehandlungsdauer verbunden war. Die Sicherheit war vergleichbar in den drei Gruppen. Dies wurde inzwischen in verschiedenen nachfolgenden Publikationen bestätigt. Die Studie zeigt somit eine vielversprechende Alternative zur Standardbehandlung von Tuberkulose.

 

Paton, N. I. et al. Treatment Strategy for Rifampin-Susceptible Tuberculosis. N Engl J Med. 2023; 388(10):873-887. doi: https://doi.org/10.1056/nejmoa2212537
 
Hasan, T. et al. The Safety and Tolerability of Linezolid in Novel Short-Course Regimens Containing Bedaquiline, Pretomanid, and Linezolid to Treat Rifampicin-Resistant Tuberculosis: An Individual Patient Data Meta-analysis. Clin Infect Dis. 2024; 78(3):730-741. doi: https://doi.org/10.1093/cid/ciad653

 

18.12.2024

S1-Leitlinie zur „Ambulante parenterale Antiinfektivatherapie (APAT)“

Die ambulante parenterale Antiinfektivatherapie (APAT) bezeichnet die intravenöse oder intramuskuläre Verabreichung von Antiinfektiva außerhalb des Krankenhauses. Sie kann im häuslichen Umfeld, in Ambulanzen, Praxen oder stationären Pflegeeinrichtungen erfolgen.
 
Die ambulante Therapiesteuerung erfolgt im APAT-Team unter infektiologischer Leitung und in Zusammenarbeit mit den Hausärztinnen und Hausärzten. Regionen, in denen diese infektiologische Expertise nicht vorhanden ist, sollen im Rahmen regionaler und überregionaler Sektor-übergreifender Infektiologie-Netzwerke Kontakt zu einem Behandlungszentrum mit Infektiologie in ihrer Umgebung aufnehmen.
 
Zur Auswahl der Patienten für eine APAT soll eine Checkliste mit Auswahlkriterien angewendet werden. APAT-Patienten sollen sowohl im stationären als auch im ambulanten Setting identifiziert werden. Auch Patienten mit besonderen Lebensumständen, ältere Menschen, Menschen, die Drogen injizieren, oder wohnungslose Menschen können unter bestimmten Voraussetzungen eine parenterale Antiinfektivatherapie in einer ambulanten Einrichtung als APAT erhalten.
 
Die Auswahl des Gefäßkatheters für die parenterale Verabreichung der Antiinfektiva soll im Rahmen der Patienten-Evaluation durch das APAT-Team erfolgen. Sie hängt maßgeblich von spezifischen Eigenschaften der Patienten, der ausgewählten Medikation, der vorhandenen Infrastruktur zur Anlage und Pflege und besonders von der geplanten Dauer der APAT ab. Wichtig sind regelmäßige Kontrollen der Kathetereinstichstelle und Verbandswechsel. Die Patienten sollen in der Regel einmal wöchentlich von behandelnden Ärztinnen und Ärzten im ambulanten Bereich zur Kontrolle gesehen werden.
 
Grundsätzlich kann jede Infektionserkrankung mit Therapieindikation mittels APAT versorgt werden, solange keine orale Therapiemöglichkeit besteht, die Erkrankung eine ambulante Behandlung erlaubt, die Kriterien zur Auswahl von Patienten erfüllt werden und die Infrastruktur zur Versorgung vorhanden ist. Voraussetzung für eine sichere und effektive Therapie ist die Betreuung durch multiprofessionelle APAT-Teams, die intersektoral im Krankenhaus und im ambulanten Bereich zusammenarbeiten. Eine APAT muss prinzipiell immer leitliniengerecht und nach Antimicrobial Stewardship (AMS)-Prinzipien erfolgen. Orale Therapieoptionen sollen gegenüber parenteralen Therapieformen priorisiert werden.
 
Zu den chemisch-physikalischen Kriterien, die bei der Auswahl eines Antiinfektivums für die APAT beachtet werden sollen, zählen das Dosierungsintervall eines Antiinfektivums, zuverlässige Stabilitätsdaten und weitere physikalische und chemische Eigenschaften des Arzneistoffs in Bezug auf das Infusionssystem, das Lösungsmittel, die Konzentration, die Verwendung von stabilitätsunterstützenden Puffern und die Temperatur, unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und das Interaktionspotenzial in Bezug auf die gesamte Therapie.
 
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18.12.2024

Zulassungsempfehlung für pentavalenten Meningokokken-Impfstoff

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA sprach in seiner Sitzung vom 19. September 2024 eine Zulassungsempfehlung für den Impfstoff Penbraya zur aktiven Immunisierung gegen invasive Meningokokken-Erkrankungen aus [1].

 

Invasive Meningokokken-Erkrankungen werden durch Neisseria meningitidis verursacht [1,2]. Häufig kommt es nach anfänglichen Anzeichen einer oberen Atemwegsinfektion plötzlich zu allgemeinen Symptomen wie Kopfschmerzen, Fieber oder Schüttelfrost, die sich innerhalb kurzer Zeit zu einem schweren, lebensbedrohlichen Krankheitsbild wie Meningitis und/oder Sepsis entwickeln können. Großflächige Hauteinblutungen sind insbesondere bei septischen Verläufen ausgeprägt, bei einer Meningitis sind zudem Nackensteifigkeit und Erbrechen charakteristisch. Die Letalität einer isolierten Meningokokken-Meningitis beträgt in Deutschland 1 %, bei einer Sepsis rund 13 % und bei Sepsis mit Waterhouse-Friderichsen-Syndrom ca. 33 %. Invasive Meningokokken-Erkrankungen werden im Wesentlichen durch Meningokokken der Serogruppen A, B, C, W, X und Y verursacht, die sich anhand der Zusammensetzung ihrer Kapselpolysaccharide unterscheiden. In Deutschland liegt die Inzidenz bei unter 0,4 Erkrankungen pro 100.000 Einwohner pro Jahr, für die Mehrheit der Erkrankungen sind Erreger der Serogruppe B (ca. 60 %), weniger häufig Erreger der Serogruppen C, W und Y (jeweils ca. 10 bis 15 %) verantwortlich [2].

 

Bei Penbraya handelt es sich um den ersten pentavalenten Meningokokken-Impfstoff, der zur aktiven Immunisierung von Personen ab 10 Jahren zur Vorbeugung invasiver Meningokokken-Erkrankungen durch die Neisseria meningitidis-Serogruppen A, C, W, Y und B eingesetzt werden soll. Dabei enthält Penbraya die Kapselpolysaccharide der Serogruppen A, C, W und Y konjugiert an Tetanus-Toxoid [1,3]. Für die Serogruppe B wurden Oberflächenproteine als Antigen gewählt, da auf Grund des Vorhandenseins identischer Polysaccharidstrukturen auf der B-Kapsel und auf menschlichen Nervenzellen kein Konjugatimpfstoff entwickelt werden konnte [2]. Dementsprechend enthält Penbraya außerdem das rekombinant hergestellte Faktor-H-Bindungsprotein (fHbp) der Unterfamilien A und B der Serogruppe B [1,3].

 

In einer randomisierten, einfachblinden, multizentrischen Nichtunterlegenheitsstudie der Phase-III wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Penbraya an Personen zwischen 10 und 25 Jahren untersucht [3]. Dabei wurden die Personen entweder mit Penbraya geimpft (2 Dosen im Abstand von 6 Monaten) oder mit einer Kombination aus einem quadrivalenten Konjugatimpfstoff (Serogruppen A, C, W und Y; einmalige Applikation zum Zeitpunkt 0) und einem monovalenten Subunitimpfstoff (Serogruppe B; 2 Dosen im Abstand von 6 Monaten). Die Seroresponse-Raten nach der Impfung mit Penbraya waren dabei dem herkömmlichen kombinierten Impfschema nicht unterlegen. Nach der Applikation von Penbraya wurde am häufigsten von Schmerzen an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Kopf- und Muskelschmerzen sowie Schwellungen und Rötungen an der Injektionsstelle berichtet.

 

In Deutschland, Österreich und Schweiz stehen zur Immunisierung gegen Meningokokken derzeit monovalente Konjugatimpfstoffe (Serogruppe C), monovalente Meningokokken-B-Impfstoffe und quadrivalente Konjugatimpfstoffe (Serogruppen A, C, W, Y) für unterschiedliche Altersgruppen zur Verfügung. Für eine vollständige Abdeckung der Serogruppen A, B, C, W, Y müssen Impfstoffe kombiniert werden. Sofern die Europäische Kommission der Empfehlung des CHMP folgt und Penbraya durch die EMA zugelassen wird, ist es der erste zugelassene pentavalente Meningokokken-Impfstoff. Die Ständige Impfkommission am Robert-Koch-Institut (STIKO) arbeitet derzeit an einer Evaluation der Sicherheit und Wirksamkeit der verschiedenen Impfstoffe sowie der Modellierung verschiedener Impfstrategien für die Auffrischimpfung im Jugendalter, der pentavalente Impfstoff könnte dabei bereits berücksichtigt werden [4].

 

1 European Medicines Agency (EMA). Penbraya - summary of opinion. EMA/424272/2024; published online Sep 20, 2024. URL: https://www.ema.europa.eu/en/documents/smop-initial/chmp-summary-positive-opinion-penbraya_en.pdf


2 Robert Koch Institut (RKI). Meningokokken, invasive Erkrankungen (Neisseria meningitidis). RKI-Ratgeber. Stand Januar 2024. URL: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Meningokokken.html#doc2374538bodyText1 [13.11.2024]


3 U.S. Food & Drug Administration (FDA). Penbraya (Meningococcal Groups A, B, C, W, and Y Vaccine). Full Prescribing Information. September 2024. URL: https://labeling.pfizer.com/ShowLabeling.aspx?id=19937&format=pdf


4 Ständige Impfkommission (STIKO). Protokoll der 107. Sitzung der Ständigen Impfkommission (STIKO) am 12. und 13.03.2024. URL: https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/Sitzungen/Protokolle/Sitzung_107.pdf?__blob=publicationFile [13.11.2024]

 

20.11.2024

Neue orale Therapieoption bei unkomplizierten Harnwegsinfekten in den USA zugelassen

Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat unter dem Namen Orlynvah ein neues orales Antibiotikum für die Therapie unkomplizierter Harnwegsinfekte bei Frauen zugelassen [1].

 

Orlynvah ist eine Kombination aus dem Thiopenem Sulopenem und Probenecid. Sulopenem liegt dabei als Prodrug in Form der Esterverbindung Sulopenem-Etzadroxil vor, die nach oraler Aufnahme durch die intestinalen Esterasen zum aktiven Sulopenem hydrolysiert wird [2,3]. Der Kombinationspartner Probenecid wird normalerweise als Urikosurikum eingesetzt, da auf Grund seiner kompetitiven Hemmung der organischen-Anionen-Transporter (OAT) in der Niere die tubuläre Rückresorption von Harnsäure verringert wird. Die OAT-Hemmung hat allerdings auch eine Reduktion der OAT-vermittelten renalen Clearance von Sulopenem zur Folge, wodurch dessen Halbwertszeit verlängert, und die Plasmakonzentration der antimikrobiell wirksamen Substanz erhöht werden [2,3].

 

Als Vertreter der Peneme zählt Sulopenem zu den β-Lactam-Antibiotika und seine bakterizide Wirkung basiert auf der Hemmung der bakteriellen Zellwandsynthese infolge der Bindung an Penicillin-bindende-Proteine (PBP) [2]. In vitro besitzt Sulopenem ein breites Wirkspektrum gegen Gram-positive, Gram-negative und anaerobe Bakterien. Es zeigt, wie Ertapenem, eine Wirksamkeit gegen multiresistente Gram-negative Erreger wie Enterobacterales, die bestimmte Extended Spectrum β-Lactamasen (ESBL) oder AmpC exprimieren aber wie Ertapenem ebenfalls eine Lücke gegen Pseudomonas aeruginosa [2-4]. Während die Sulopenem-Aktivität auch in Anwesenheit einiger β-Lactamasen und ESBLs bestehen bleibt, können Resistenzen u.a. durch die Veränderung der PBPs oder die Bildung von Carbapenemasen entstehen [2,3]. Orlynvah soll als Reserveantibiotikum nur zur Therapie von unkomplizierten Harnwegsinfektionen zur Anwendung kommen, die durch Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae oder Proteus mirabilis verursacht werden und für die nur begrenzte oder keine alternativen oralen Behandlungsmöglichkeiten verfügbar sind [2].

 

Orlynvah enthält jeweils 500 mg Sulopenem-Etzadroxil und 500 mg Probenecid in Form einer Zweischichttablette. Die empfohlene Dosierung beträgt eine Tablette zweimal täglich zu den Mahlzeiten über einen Zeitraum von fünf Tagen. Eine Dosisanpassung bei einer leichten oder moderaten Einschränkung der Nierenfunktion ist nicht erforderlich [2].

 

Die Wirksamkeit und Sicherheit von Orlynvah wurde in mehreren kontrollierten, randomisierten, doppelblinden Phase-III-Studien bei unkomplizierten und komplizierten Harnwegsinfektionen untersucht. Darunter in SURE-1, einer Nichtunterlegenheitsstudie, in der 1671 eingeschlossene erwachsene Frauen mit einer unkomplizierten Harnwegsinfektion 1:1 randomisiert wurden [4]. Die Infektion wurde entweder mit 500 mg Sulopenem (als Sulopenem-Etzadroxil, in Kombination mit 500 mg Probenecid) zweimal täglich über fünf Tage oder mit 250 mg Ciprofloxacin zweimal täglich über drei Tage behandelt. Als primärer Endpunkt wurde das Gesamtansprechen, definiert als Kombination aus klinischem und mikrobiologischem Ansprechen, an Tag 12 bewertet. Die Gesamtansprechrate von Sulopenem-Etzadroxil/Probenecid betrug bei Patientinnen mit Ciprofloxacin-resistenten Erregern 62,6 % gegenüber 36,0 % unter Ciprofloxacin und war damit der Therapie mit dem Fluorchinolon überlegen (Differenz 26,6 %; 95 %-Konfidenzintervall 15,1-37,4). Bei Patientinnen mit Ciprofloxacin-sensiblen Erregern erfüllte Sulopenem-Etzadroxil/Probenecid jedoch nicht die Nichtunterlegenheitskriterien. Insgesamt betrachtet (Ciprofloxacin-resistente und -sensible Erreger) waren die Ansprechraten in beiden Gruppen vergleichbar und Sulopenem-Etzadroxil/Probenecid nicht unterlegen. Kritisch anzumerken ist die Vergleichsgruppe. Ciprofloxacin sollte aufgrund der potenziellen Nebenwirkungen und zunehmender Resistenzen nur dann zur Therapie bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen verwendet werden, falls keine anderen oralen Antibiotika möglich sind [5]. 

 

Die Wirksamkeit von Orlynvah für die Erst- oder Folgebehandlung komplizierter Harnwegsinfektionen oder intraabdomineller Infektionen konnte in klinischen Studien nicht belegt werden [2].

 

Die am häufigsten unter der Therapie mit Orlynvah berichteten unerwünschten Wirkungen waren Diarrhö, Übelkeit, vaginale Hefepilzinfektionen, Kopfschmerzen und Erbrechen. Es muss außerdem u.a. das Risiko einer Clostridioides-difficile-assoziierten Diarrhö sowie die Bildung von Harnsäure-Nierensteinen beachtet werden [2].

 

Als erstes oral einzunehmendes Thiopenem könnte die Kombination aus Sulopenem-Etzadroxil/Probenecid eine wichtige Erweiterung der Therapieoptionen für die ambulante Behandlung unkomplizierter Harnwegsinfektionen bei Frauen sein, falls z.B. auf Grund der Resistenzsituation keine anderen antimikrobiellen Wirkstoffe eingesetzt werden können. Eine Sorge, die u.a. von der FDA geäußert wurde und die es äußerst aufmerksam zu beobachten gilt, ist die Möglichkeit für Kreuzresistenzen gegenüber anderen Carbapenemen. Es wäre höchst gefährlich, diese als intravenösen Breitspektrumantibiotika wichtigen Stützpfeiler bei der Behandlung schwerer Infektionen durch einen breiten Gebrauch oraler Carbapeneme zu gefährden.

 

1 U.S. Food & Drug Administration (FDA). FDA approves new treatment for uncomplicated urinary tract infections in adult women who have limited or no alternative oral antibiotic treatment options; published online Oct 24, 2024. URL: https://www.fda.gov/drugs/news-events-human-drugs/fda-approves-new-treatment-uncomplicated-urinary-tract-infections-adult-women-who-have-limited-or-no [06.11.2024]

 

2 U.S. Food & Drug Administration (FDA). Orlynvah (Sulopenem etzadroxil and Probenecid): Full Prescribing Information. Oct 2024. URL: https://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/label/2024/213972s000lbl.pdf [06.11.2024]

 

3 Mangum, B. R. et al. Tebipenem and Sulopenem: Dynamic Duo or Double Trouble?.
Curr Infect Dis Rep. 2024; 26:139-150. doi: 10.1007/s11908-024-00831-1

 

4 Dunne, W. M. et al. Sulopenem or Ciprofloxacin for the Treatment of Uncomplicated Urinary Tract Infections in Women: A Phase 3, Randomized Trial. Clin Infect Dis. 2023; 76(1): 66-77. doi: 10.1093/cid/ciac738

 

5 Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V. (Hrsg.): S3 Leitlinie: Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei Erwachsenen – Aktualisierung 2024. URL: https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/043-044 [16.11.2024]

 

20.11.2024

Welt-AIDS-Tag 2024: Gemeinsam für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung

Am 1. Dezember ist Welt-AIDS-Tag – ein Tag, der seit über 30 Jahren auf die Rechte und Bedürfnisse HIV-positiver Menschen weltweit aufmerksam macht. Jedes Jahr erinnert er an die rund 40 Millionen Menschen, die aktuell mit HIV leben, sowie an jene, die an den Folgen von HIV und AIDS verstorben sind. Trotz großer Fortschritte in der Therapie und Prävention bleibt die Ungleichheit im Zugang zur Versorgung eine globale Herausforderung.


Das diesjährige Motto des Welt-AIDS-Tags, „Take the rights path“, verdeutlicht die Bedeutung von Menschenrechten im Kampf gegen HIV und AIDS. Insbesondere sogenannte Schlüsselgruppen sind vielfach benachteiligt und haben ein erhöhtes Risiko, sich mit HIV zu infizieren oder an AIDS zu erkranken. Der Zugang zu Prävention, Beratung und medizinischer Versorgung ist entscheidend – für alle, ohne Diskriminierung und Vorurteile. „Wir können AIDS beenden, wenn wir die Ungleichheiten beseitigen, die die Krankheit aufrechterhalten“, so UNAIDS-Exekutivdirektorin Winnie Byanyima.
 

Die aktuelle Kampagne zeigt: Menschen mit HIV können heute bei rechtzeitiger Therapie ein normales Leben führen. Der Ausbruch von AIDS lässt sich verhindern, und das Virus ist unter Therapie nicht mehr übertragbar. Dennoch sind Diskriminierung und Stigmatisierung nach wie vor Teil ihres Alltags – verursacht durch Unwissenheit und Vorurteile.


Und hier setzt die Kampagne 2024 an: Durch persönliche Einblicke in das Leben HIV-positiver Menschen will sie Berührungsängste abbauen und zeigen, dass HIV kein Grund für Distanz im Alltag ist.


Unterstützen Sie die Kampagne, indem Sie Informationen teilen und das Bewusstsein für ein diskriminierungsfreies Zusammenleben fördern. Durch Aufklärung und Information sollen bestehende Unsicherheiten abgebaut werden.

 

Zur Kampagne

 

20.11.2024

INFEKTIO_Podcast | Eine Herzensangelegenheit – Die bakterielle Endokarditis

Der Podcast consilium infectiorum bietet medizinischem Fachpersonal praxisrelevante Themen der klinischen Infektiologie und unterstützt dabei, evidenzbasierte Behandlungsoptionen für Patienten auszuwählen.

In jeder Folge diskutiert Infektiologe Prof. Mathias Pletz aus Jena mit einem Expertengast einen klinischen Schwerpunkt – fundiert und dennoch in entspannter Gesprächsatmosphäre.

 

Besonders praktisch: Für jede Folge können Sie bis zu einem Jahr nach Veröffentlichung CME-Punkte sammeln, indem Sie die zugehörigen CME-Fragen beantworten.

In der aktuellen Folge ist Priv.-Doz. Stefan Hagel aus Jena zu Gast. Gemeinsam widmen sie sich dem Thema bakterielle Endokarditis.

 

Zur Podcast-Folge

 

20.11.2024

Nasaler Influenza-Impfstoff zur Selbstanwendung zugelassen

Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat unter dem Namen FluMist einen Impfstoff gegen die saisonale Influenza in Form eines Nasensprays zugelassen, das erstmals auch selbst von der zu impfenden Person angewendet werden darf [1].

 

Die saisonale Influenza verursachte nach Angaben des U.S. Centers for Disease Control and Prevention (CDC) zwischen 2010 und 2023 jährlich etwa 9,3 bis 41 Millionen Erkrankungen, 100.000 bis 710.000 Krankenhausaufenthalte und 4.900 bis 51.000 Todesfälle in den USA [1]. Obwohl jedes Jahr eine Reihe zugelassener Impfstoffe zur Verfügung stehen, sind die Impfquoten im Vergleich zu den Zeiträumen vor der COVID-19-Pandemie rückläufig [2]. In der Saison 2023/2024 waren Schätzungen zufolge nur etwa die Hälfte der Kinder (≥ 6 Monate) und der Erwachsenen gegen Influenza geimpft, so wenig wie zuletzt vor 12 bzw. vor 6 Jahren. Damit liegt die Durchimpfungsrate weiterhin unter dem nationalen Ziel der Healthy-People-2030-Initiative von 70 % für Personen ≥ 6 Monate [2].

 

FluMist ist in den USA bereits seit 2007 zur aktiven Immunisierung von Personen zwischen 2 und 49 Jahren im Einsatz [1]. Es handelt sich dabei um einen Lebendimpfstoff, der die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und FDA jeweils für eine Saison empfohlenen Stämme von Influenza A und B in Form von lebend-attenuierten Viren enthält. In der aktuellen Saison 2024/2025 umfasst das trivalente Vakzin die Stämmen A(H1N1), A(H3N2) und B(Victoria) [3].

 

Im Gegensatz zu anderen Influenza-Impfstoffen muss FluMist allerdings nicht intramuskulär injiziert werden, sondern wird in Form einer Suspension mittels Zerstäuber in die Nase appliziert [3]. Der nasale Applikationsweg wird ermöglicht durch die gentechnische Veränderung des Wildtypvirus zu kälteadaptierten und temperaturempfindlichen abgeschwächten Reassortanten-Influenzaviren. Diese sind zwar in der Lage, sich im Nasopharynx zu vermehren und dadurch eine Immunreaktion auszulösen, allerdings erfolgt in den unteren Atemwegen und der Lunge auf Grund der wärmeren Temperaturen keine effiziente Replikation [3,4]. Die genannten Eigenschaften ermöglichen die Induktion einer schützenden Immunreaktion, ohne dass eine klinische Erkrankung ausgelöst wird.

 

Ein Nasenapplikator enthält eine Einzeldosis Impfstoff, die mit jeweils einem Hub pro Nasenloch aufgeteilt wird. Die nadelfreie Applikation musste bisher, wie auch bei anderen Vakzinen, durch medizinisches Fachpersonal bzw. durch einen Gesundheitsdienstleister erfolgen. Nun konnte durch den Zulassungsinhaber MedImmune in einer Studie gezeigt werden, dass auch Pflegepersonal und die Impflinge selbst mit Hilfe der in der Gebrauchsanweisung enthaltenen Informationen den Impfstoff sicher und effektiv applizieren können [1]. Daher erlaubt die Zulassung jetzt erstmalig eine Impfstoffapplikation durch die volljährige zu impfende Person selbst oder eine volljährige Betreuungsperson. Bei der Impfung von Kindern und Jugendlichen zwischen 2 und 17 Jahren wird die Applikation durch eine erwachsene Person empfohlen.

 

Nach der Impfung gehörten Fieber (Kinder zwischen 2-6 Jahren), laufende Nase und verstopfte Nase (Personen zwischen 2-49 Jahren) sowie Halsschmerzen (Erwachsene zwischen 18-49 Jahren) zu den am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen [1,3].

 

Die neue Möglichkeit der Selbstanwendung des nasalen Impfstoffs könnte die Zugänglichkeit, Flexibilität und den Komfort einer sicheren und effektiven saisonalen Influenzaimpfung erhöhen und die Steigerung der Impfquoten positiv beeinflussen. Es wird davon ausgegangen, dass FluMist ab der Saison 2025/2026 für die Selbstanwendung in den USA zur Verfügung steht.

 

In Deutschland und Österreich wird in der aktuellen Influenza-Saison ebenfalls das trivalente Influenzavakzin als Nasenspray durch AstraZeneca unter dem Namen Fluenz zur Verfügung gestellt. Allerdings ist es hierzulande nur zur aktiven Immunisierung von Kindern und Jugendlichen zwischen 24 Monaten und dem vollendeten 18. Lebensjahr und für Applikation unter Aufsicht eines Arztes, Apothekers oder von medizinischem Fachpersonal zugelassen [5].

 

1 U.S. Food & Drug Administration (FDA). FDA Approves Nasal Spray Influenza Vaccine for Self- or Caregiver-Administration. Press Announcement; published online Sep 20, 2024. URL: https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/fda-approves-nasal-spray-influenza-vaccine-self-or-caregiver-administration?mtm_source=25 [11.10.2024]

 

2 Centers for Disease Control and Prevention (CDC). Flu Vaccination Coverage, United States, 2023–24 Influenza Season; published online Sep 20, 2024. URL: https://www.cdc.gov/fluvaxview/coverage-by-season/2023-2024.html [11.10.2024]

 

3 U.S. Food & Drug Administration (FDA). FluMist (Influenza Vaccine Live, Intranasal): Full Prescribing Information. Sep 2024. URL: https://www.fda.gov/media/180697/download?attachment [11.10.2024]

 

4 European Medicines Agency (EMA). Assessment report Fluenz (Influenza vaccine, live attenuated, nasal); published online May 21, 2024. URL: https://www.ema.europa.eu/en/documents/assessment-report/fluenz-epar-public-assessment-report_en.pdf-0 [12.10.2024]

 

5 European Medicines Agency (EMA). Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Fluenz (Influenza-Impfstoff, lebend-attenuiert, nasal); published online Jul 22, 2024. URL: https://www.ema.europa.eu/de/documents/product-information/fluenz-epar-product-information_de.pdf [11.10.2024]
 

23.10.2024

RSV-Impfung ab sofort Kassenleistung für ältere Erwachsene und Risikogruppen in Deutschland

Mit der Anpassung der Schutzimpfungsrichtlinie durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und deren Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 26. September 2024 übernimmt die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) in Deutschland nun die Kosten für die Impfung gegen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV).

 

Anspruch auf die Impfung haben ab sofort alle gesetzlich Versicherten ab 75 Jahren sowie Versicherte zwischen 60 und 74 Jahren, die bestimmte Risikofaktoren aufweisen. Diese Entscheidung basiert auf der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) und betrifft vor allem Menschen mit Grunderkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem, die ein erhöhtes Risiko für schwere Verläufe einer RSV-Infektion haben.

 

Die RSV-Impfung sollte idealerweise vor Beginn der RSV-Saison erfolgen, um optimalen Schutz zu gewährleisten. Aktuell ist nur eine einmalige Impfung vorgesehen, da die STIKO auf Basis der bisherigen Datenlage noch keine Entscheidung über mögliche Auffrischungsimpfungen getroffen hat. Auch zu einer möglichen Impfung von Schwangeren hat die STIKO bislang keine Empfehlung abgegeben.

 

Zur Pressemeldung

 

23.10.2024

Erster mRNA-Impfstoff gegen Respiratorische Synzytial-Viren (RSV) zugelassen

Seit Herbst 2023 stehen unter den Handelsnamen Arexvy und Abrysvo die weltweit ersten RSV-Impfstoffe zur Verfügung, die vor RSV-assoziierten Erkrankungen der unteren Atemwege und damit einhergehenden Komplikationen schützen sollen. Beide Vakzine gehören zu den Subunit-Impfstoffen, da sie als Antigen das RSV-Fusionsoberflächenprotein (F-Protein, rekombinant hergestellt) enthalten, stabilisiert in der Präfusionskonformation. Die Applikation der Impfstoffe löst eine B- und T-Zellantwort des Immunsystems und damit auch die Bildung von Antikörpern gegen das F-Protein sowie Gedächtniszellen aus, die bei erneutem Antigenkontakt eine schnelle Immunreaktion ermöglichen. Arexvy (RSVPreF3, adjuvantiert) ist zugelassen für die aktive Immunisierung von Erwachsenen ≥ 60 Jahren, Abrysvo (RSVPreF) kann neben der Anwendung bei älteren Erwachsenen gemäß Zulassung auch für die passive Immunisierung von Neugeborenen durch die Impfung der Mutter während der Schwangerschaft eingesetzt werden.

 

Nach der Zulassung beider Impfstoffe im letzten Jahr setzte sich die Ständige Impfkommission am Robert Koch Institut (STIKO) mit der Erarbeitung einer Impfstrategie und Empfehlungen zum Einsatz der neuen Impfstoffe auseinander. Erst vor wenigen Wochen gab die STIKO dann bekannt, dass alle Personen ≥ 75 Jahren eine einmalige RSV-Impfung mit einem der beiden proteinbasierten Impfstoffe (Arexvy oder Abrysvo) kurz vor der RSV-Saison als Standardimpfung erhalten sollten. Darüber hinaus wird eine Impfung auch Personen im Alter von ≥ 60 Jahren empfohlen, wenn schwere Grunderkrankungen vorliegen oder es sich um Bewohnende von Pflegeheimen handelt.1

 

Kurz nach der Veröffentlichung der STIKO-Empfehlungen wurde am 23.08.2024 unter dem Handelsnamen mResvia (mRNA-1345) ein weiterer Impfstoff gegen RSV in Europa zugelassen.2 Im Gegensatz zu Arexvy und Abrysvo enthält mResvia allerdings kein Protein als Antigen sondern mRNA, die für das F-Protein in der Präfusionskonformation codiert.3 Die in Lipid-Nanopartikeln verpackte mRNA wird nach der intramuskulären Applikation in die Zellen an der Injektionsstelle aufgenommen, wo eine vorübergehende Translation in das Virusprotein erfolgt. Das dort exprimierte F-Protein löst dann wiederum die Immunantwort und damit u.a. die Bildung von Antikörpern aus. Das gleiche Prinzip macht man sich bereits bei den mRNA-Impfstoffen gegen COVID-19 zu Nutze.

 

In der laufenden randomisierten, doppelblinden und multizentrischen Phase-II/III Studie ConquerRSV wurde die Wirksamkeit der Impfung gegen RSV-bedingte Erkrankungen der unteren Atemwege mit zwei oder mehr Symptomen untersucht.4 Dazu wurden 35.541 Personen im Alter von ≥ 60 Jahren randomisiert und sollten entweder mit mResvia (n = 17.793) oder Placebo (n = 17.748) geimpft und über 12 Monate nach der Injektion beobachtet werden. Zum Zeitpunkt der Auswertung lag die mediane Nachbeobachtungszeit bei 112 Tagen. Dabei wurde eine Impfstoffwirksamkeit von 83,7 % (95,88 %-Konfidenzintervall (KI); 66,0-92,2) im Hinblick auf die Prävention von RSV-assoziierten Erkrankungen der Atemwege mit mindestens zwei Anzeichen oder Symptomen ermittelt. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich in der Verhinderung einer RSV-Erkrankung mit mindestens drei Anzeichen oder Symptomen, bei der die Impfstoffwirksamkeit 82,4 % (96,36 %-KI; 34,8-95,3) betrug. Der Impfstoff zeigte eine Schutzwirkung gegen beide Subtypen RSV A und RSV B. Auch wenn in der mResvia-Gruppe häufiger lokale und systemische unerwünschte Reaktionen auftraten, waren diese meist leicht bis mittelschwer und vorübergehend. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Schmerzen an der Injektionsstelle, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Myalgie und Arthralgie.

 

mResvia ist der erste mRNA-Impfstoff gegen RSV, der sich zum Zeitpunkt der Erarbeitung der STIKO-Impfstrategie noch im Zulassungsprozess befand und daher noch nicht Gegenstand der derzeitigen Empfehlungen ist. Laut STIKO ist die Evidenzaufarbeitung des neuen Impfstoffes schnellstmöglich nach der Zulassung geplant.1

 

1 Falman, A. et al. Beschluss und Wissenschaftliche Begründung zur Empfehlung der STIKO für eine Standardimpfung gegen Erkrankungen durch Respiratorische Synzytial-Viren (RSV) für Personen ≥ 75 Jahre sowie zur Indikationsimpfung von Personen im Alter von 60 bis 74 Jahren mit Risikofaktoren. Epid. Bull. 2024; 32:3-28. doi: 10.25646/12470

 

2 Europäische Kommission. Kommission genehmigt mRNA-Impfstoff gegen Atemwegsviren. Pressemitteilung; published online Aug 23, 2024. URL: https://germany.representation.ec.europa.eu/news/kommission-genehmigt-mrna-impfstoff-gegen-atemwegsviren-2024-08-23_de [30.08.2024]

 

3 European Medicines Agency (EMA). mResvia – summary of opinion. EMA/CHMP/285703/2024; published online Jun 27, 2024. URL: https://www.ema.europa.eu/en/documents/smop-initial/chmp-summary-positive-opinion-mresvia_en.pdf [30.08.2024]

 

4 Wilson, E. et al. Efficacy and Safety of an mRNA-Based RSV Pref Vaccine in Older Adults. N Engl J Med. 2023; 389(24):2233-2244. doi: 10.1056/NEJMoa230707

 

11.09.2024

STIKO-Empfehlung zur Anwendung des 20-valenten Pneumokokken-Impfstoffs im Säuglings-, Kinder- und Jugendalter 

Infektionen mit Pneumokokken (Streptococcus pneumoniae) können bei Menschen aller Altersgruppen Erkrankungen der oberen (Sinusitis, Otitis media) und unteren Atemwege (Pneumonie) verursachen. Derzeit sind etwa 100 verschiedene Pneumokokken-Serotypen bekannt, die große Unterschiede in der Häufigkeit zeigen. Pneumokokken-Erkrankungen werden in „invasiv“ (invasive pneumococcal disease – IPD, definiert als Nachweis aus normalerweise sterilem Material wie Blut, Liquor, Ascites, Punktate) und „nicht-invasiv“ unterschieden (alleiniger Nachweis aus respiratorischem Material). Insbesondere Kinder unter 5 Jahren zählen zur Risikogruppe für schwere IPD wie Blutstrominfektionen oder Meningitis mit möglichen Langzeitfolgen (z.B. Seh-, Hörverlust oder neurologische Defizite) und Todesfällen. Trotz etablierter Impfstrategien ist die Krankheitslast durch IPD in dieser Altersgruppe auf Grund von unzureichenden Impfquoten und dem Auftreten von nicht-impfpräventablen Serotypen in Deutschland und weltweit hoch.

 

Die derzeit verfügbaren Pneumokokken-Impfstoffe unterscheiden sich sowohl in der Art des Impfstoffs als auch in Art und Anzahl der enthaltenen Serotypen (Tab.1). Für die Grundimmunisierung von Säuglingen zugelassen und von der STIKO empfohlen sind 13- oder 15-valente Pneumokokken-Konjugatimpfstoffe (PCV13, PCV15), entweder als 2+1 Schema (2,4 und 11 Monate) für reifgeborene Säuglinge oder als 3+1 Schema (2,3,4 und 11 Monate) für Frühgeborene. Für Kinder und Jugendliche im Alter von 2 bis 17 Jahren mit Immundefizienz oder sonstigen chronischen Erkrankungen, die mit einem erhöhten Risiko für eine Pneumokokken-Meningitis einhergehen, wird eine Indikationsimpfung empfohlen. Diese besteht aus einer Impfstoffdosis PCV13 oder PCV15 gefolgt von einer Impfstoffdosis des 23-valenten Polysaccharid-Impfstoffs (PPSV23) 6 bis 12 Monate später.

 

Tab. 1 Übersicht der in den verschiedenen Pneumokokken-Impfstoffen enthaltenen Serotypen

PCV13 (Prevanar) PCV15 (Vaxneuvance) PPSV23 (Pneumovax) PCV20 (Prevenar20)
1 1 1 1
   

2

 
3 3 3 3
4 4 4 4
5 5 5 5
6A 6A   6A
6B 6B 6B 6B
7F 7F 7F 7F
    8 8
    9N  
9V 9V 9V 9V
14 14 10A 10A
    11A 11A
    12F 12F
14 14 14 14
    15B 15B
    17F  
18C 18C 18C 18C
19A 19A 19A 19A
19F 19F 19F 19F
    20  
  22F 22F 22F
23F 23F 23F 23F
  33F 33F 33F

Kürzlich wurde mit Prevenar 20 (vormals Apexxnar) ein neuer 20-valenter PCV in Europa zugelassen, der gemäß Zulassung u.a. für die Immunisierung von Säuglingen in einem 3+1 Impfschema und bei Kindern und Jugendlichen als einmalige Einzeldosis eingesetzt werden kann. PCV20 enthält im Vergleich zu PCV13 sieben zusätzliche Serotypen, wodurch insgesamt ca. 53 % der IPD-Fälle bei unter 18-Jährigen abgedeckt werden. Die STIKO hat nun die vorliegenden Daten zum neuen Impfstoff im Hinblick auf eine mögliche Aufnahme in die Empfehlungen für Säuglinge, Kinder und Jugendliche überprüft.

 

Die Immunogenitätsdaten aus den Zulassungsstudien von PCV20 deuten auf eine im Vergleich zu PCV13 verringerte Immunantwort nach der Impfung hin, gemessen an den durch die Impfung induzierten IgG-Antikörperkonzentrationen. Die Unterschiede sind am deutlichsten nach der 2. bzw. 3. Impfstoffdosis im Säuglingsalter, erst mit Abschluss der Grundimmunisierung unterscheiden sich die Immunogenitätsdaten zwischen den verschiedenen Impfschemata und Impfstoffen weniger stark. Dennoch sind auch nach der abschließenden Impfstoffdosis die IgG-Antikörperkonzentrationen für alle gemeinsam enthaltenen Serotypen unter PCV20 niedriger als bei PCV13. Die Sicherheitsprofile beider Impfstoffe waren vergleichbar.

 

Es bleibt unklar, ob der Wechsel von PCV13 zu PCV20 durch die Erweiterung der Serotypen bei gleichzeitig intensitätsgeminderter Immunantwort eine zusätzliche Reduktion der Krankheitslast zur Folge haben würde. Aus diesem Grund bleibt die STIKO, basierend auf den bisherigen Daten, bei der Empfehlung für PCV13/PCV15 im 2+1 Schema für gesunde, reifgeborene Neugeborene. Es gibt außerdem Bedenken, ob ein PCV20 3+1 Schema durch den zusätzlichen Impftermin, in dem bereits sehr vollen Impfplan für Neugeborene, zu einer Erniedrigung der Impfquoten führen könnte. Da zur Immunogenität von PCV20 bei Frühgeborenen keine Daten vorliegen, wird auch hier keine Änderung der Anwendung von PCV13/PCV15 im 3+1 Schema empfohlen. Bei Kindern mit Risikofaktoren für einen schweren Verlauf einer Pneumokokken-Erkrankung stehen für die Anwendung von PCV20 noch nicht ausreichend Daten zur Verfügung, sodass noch keine abschließende Entscheidung getroffen werden kann.

 

Zusammenfassend bleiben alle bisherigen Empfehlungen der STIKO zur Pneumokokken-Impfung im Säuglings-, Kinder- und Jugendalter unverändert bestehen und eine Anwendung von PCV20 in dieser Altersgruppe wird zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfohlen.

 

Ständige Impfkommission (STIKO) beim Robert Koch-Institut. Stellungnahme der STIKO zur Anwendung des 20-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoffs (PCV20) im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter. Epid. Bull. 2024; 31:3-8. doi: 10.25646/12311

 

11.09.2024

Empfehlungen für Zusammensetzung der saisonalen Influenza-Vakzine 2024/2025

Auf Grundlage der kontinuierlichen globalen Surveillance zirkulierender Influenzaviren gibt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedes Jahr Empfehlungen für die Virusstämme, die in den saisonalen Impfstoffen enthalten sein sollten, um die Wirksamkeit der Impfung aufrechtzuerhalten. Nun folgte die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) den aktuellen Empfehlungen der WHO und spricht sich für die kommende Saison unter anderem auch für eine Reduktion der Anzahl der in den Vakzinen enthaltenen Virusstämme aus.1

 

Seit November 2017 empfiehlt die Ständige Impfkommission in Deutschland nur noch die Verwendung quadrivalenter Impfstoffe für die saisonale Immunisierung gegen Influenza. Aus diesem Grund enthielten die in Deutschland, sowie auch in der Schweiz und Österreich, zuletzt verfügbaren Influenza-Vakzine die Antigene von vier Virusstämmen: Influenza A-Virus Subtypen A/H1N1 und A/H3N1 sowie die saisonalen B-Viruslinien B/Victoria und B/Yamagata.

 

Influenza B/Yamagata zirkulierte jedoch seit März 2020 nicht mehr, was zumindest teilweise auf die öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen zurückgeführt wird, die zu Beginn der COVID-19-Pandemie ergriffen wurden. Die einzigen B/Yamagata Nachweise stammten aus den lebenden attenuierten Impfstoffen.1,2 Nach Ansicht der WHO, der FDA und der EMA ist es demnach nicht mehr notwendig, den B/Yamagata-Virusstamm weiter in die Influenza-Vakzine aufzunehmen.

 

Idealerweise sollte der Stamm daher bereits ab der Saison 2024/2025 zunächst aus allen Lebendimpfstoffen ersatzlos entfernt werden, sodass die Impfstoffe nur noch Antigene der Hauptstämme A/H1N1, A/H3N2 und B/Victoria enthalten und damit zu trivalenten Vakzinen werden.1

 

Da eine Anpassung eines quadrivalenten Vakzins zu einem trivalenten eine grundlegende Änderung des Impfstoffes bedeutet, müssen die Hersteller zur Zulassung mitunter erneute Prüfungen und Nachweise vorlegen, wenn der Impfstoff nicht bereits früher einmal in einer trivalenten Form zugelassen wurde. Im Interesse der Sicherstellung der Impfstoffversorgung für die kommende Saison sollte die Änderung zur trivalenten Zusammensetzung für alle anderen Impfstoffe daher spätestens für die Saison 2025/2026 abgeschlossen sein.1

 

Die konkreten für die verschiedenen Impfstofftypen empfohlenen Virusvarianten können den Dokumenten der EMA entnommen werden.

 

Kommentar der Herausgeber


Nachdem in den letzten präpandemischen Jahren aufgrund der damaligen Influenza-Epidemiologie die quadrivalenten Influenza-Impfstoffe zum Standard wurden, scheint aufgrund des Verschwindens der B/Yamagata Stämme aus der Zirkulation ein Umdenken an der Zeit. Dies würde die Produktion vereinfachen, Produktionskosten senken sowie Kapazitäten erhöhen. Außerdem könnte sich die Möglichkeit bieten, eine erhöhte Antigen-Dosis der A(H3N2) Komponente oder zwei verschiedene A(H3N2) Viren in den Impfstoffen der nächsten Generation zu verwenden, da gerade die A(H3N2) Komponente in den letzten Jahren eine geringere Vakzinwirksamkeit zeigte.

 

1 European Medicines Agency (EMA). EU recommendations for 2024/2025 seasonal flu vaccine composition; published online Mar 26, 2024 (last updated Jun 3, 2024).

URL: https://www.ema.europa.eu/en/news/eu-recommendations-2024-2025-seasonal-flu-vaccine-composition [10.07.2024]

 

2 Monto A. S. et al. The End of B/Yamagata Influenza Transmission — Transitioning from Quadrivalent Vaccines. N Engl J Med 2024; 390(14):1256-1258. doi: 10.1056/NEJMp2314801

 

14.08.2024

STIKO empfiehlt RSV-Impfung für ältere und vulnerable Erwachsene

Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat am 08. August 2024 ihre Empfehlung für die Impfung gegen Respiratorische Synzytial-Viren (RSV) bei älteren Erwachsenen veröffentlicht. Die Empfehlung umfasst:

  • Menschen ab 75 Jahren
  • Personen im Alter von 60-74 Jahren mit schweren Grunderkrankungen oder die in einer Pflegeeinrichtung leben

 

Ein speziell für ältere Erwachsene entwickelter adjuvantierter RSV-Impfstoff (Arexvy) zeigt eine hohe Wirksamkeit:

  • 94,6 % Risikoreduktion für RSV-bedingte Erkrankungen der unteren Atemwege (RSV-LRTD) bei Patienten ab 60 Jahren mit mindestens einer relevanten Komorbidität (z.B. COPD, Asthma, Diabetes Typ 1 oder 2, chronische Herzinsuffizienz, fortgeschrittene Leber- oder Nierenerkrankung)
  • 93,8 % Schutzeffekt bei Erwachsenen in der Altersgruppe 70-79 Jahre
  • Anhaltende Wirksamkeit über zwei volle RSV-Saisons: 74,9 % bei 70- bis 79-Jährigen und 66,7 % bei Patienten mit mindestens einer Komorbidität

 

Die STIKO empfiehlt, zeitnah mit dem Impfen zu beginnen, um möglichst viele Risikopatienten zum Beginn der RSV-Saison im Herbst zu schützen. Private Krankenversicherungen übernehmen in der Regel ab der STIKO-Empfehlung die Kosten. Für gesetzlich Versicherte ist in vielen Fällen eine freiwillige Kostenerstattung durch die Krankenkasse möglich. Nach Aufnahme in die Schutzimpfungsrichtlinie wird die RSV-Impfung von allen Krankenkassen erstattet.

 

Weitere Informationen

 

14.08.2024

Anstieg der Pertussis-Fälle in Europa

Pertussis (Keuchhusten) ist eine weltweit endemische, meist über mehrere Wochen bis Monate andauernde Erkrankung der Atemwege, die hauptsächlich durch eine Infektion mit dem Gram-negativen Stäbchen Bordetella pertussis verursacht wird. Ein klassisches Symptom bei Kindern stellen die anfallsartig auftretenden Hustenanfälle dar, oft begleitet von inspiratorischem Stridor („Keuchen“), Würgereiz und Erbrechen. Schwere Komplikationen wie bakterielle Superinfektionen und Pneumonien können insbesondere bei Säuglingen auftreten und führen nicht selten zu Krankenhausaufenthalten und Tod durch Atemstillstand. Typisch ist der Ablauf in 3 Phasen: Einer katarrhalischen Phase mit unspezifischen Symptomen, gefolgt von einer paroxysmalen Phase mit den typischen namensgebenden (keuchenden) Hustenattacken ab der 2. Krankheitswoche und schließlich einer Konvaleszenzphase, die prolongiert über mehrere Wochen verlaufen kann. Bei Jugendlichen und Erwachsenen sind die klinischen Manifestationen jedoch weniger charakteristisch und weniger schwer als bei kleineren Kindern. Trotz existierender Impfstoffe ist alle 3 bis 5 Jahre mit größeren Epidemien zu rechnen, da weder die Impfung noch die natürliche Infektion zu einer dauerhaften Immunität führen.1,2

 

Nachdem zuletzt während den Jahren der COVID-19-Pandemie die Verbreitung von Pertussis sehr begrenzt war, werden seit der 2. Jahreshälfte 2023 weltweit wieder deutlich mehr Fälle registriert. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) berichtet, dass die Anzahl der gemeldeten Fälle in Europa bereits in den ersten 3 Monaten des Jahres 2024 (ca. 32.000 Fälle) höher ist als im Jahr 2023 über einen 12-Monats-Zeitraum (ca. 25.000 Fälle).2 Der zeitliche Verlauf der verstärkten Pertussis-Aktivität sowie die betroffenen Altersgruppen unterscheiden sich zum Teil in den einzelnen europäischen Ländern, wie die folgenden Beispiele aus Dänemark und Italien zeigen.2

 

In Dänemark war die Pertussis-Inzidenz bereits im August 2023 fünfmal so hoch wie die interepidemische Inzidenz und markierte damit den Beginn der Epidemie, die ihren Höhepunkt im November 2023 erreichte (337 Fälle/100.000 Einwohner) und erst im Januar und Februar 2024 wieder zurückging. Am stärksten betroffen waren Personen im Alter von 10-19 Jahren, was angesichts der in Dänemark nicht empfohlenen Auffrischimpfung für diese Altersgruppe nicht überrascht. Die Inzidenz bei Säuglingen war ebenfalls erhöht, allerdings im Vergleich zu früheren Epidemien in niedrigerem Ausmaß. Gleiches gilt für den Anteil der Kleinkinder bis 2 Jahre, die auf Grund der Infektion stationär behandelt werden mussten. Die Hospitalisierungsrate von 60,4 % lag ebenfalls deutlich unter den Werten früherer Epidemien, was möglicherweise auf den Schutz vor schwerer Pertussis durch geimpfte Mütter zurückzuführen ist, deren Impfquote auf 85 % im Beobachtungszeitraum geschätzt wurde. Ein Todesfall ereignete sich bei einem Frühgeborenen einer ungeimpften Mutter. Mit Beginn des Jahres 2024 wurde die Impfung von Schwangeren als Bestandteil des nationalen Impfprogramms aufgenommen.3

 

In Italien ist seit Januar 2024 ein deutlicher Anstieg der Pertussis-Fälle zu verzeichnen, der bereits jetzt den größten Pertussis-Ausbruch in den letzten Jahrzehnten darstellt. Neben der Grundimmunisierung im Säuglingsalter zählen Auffrischimpfungen im Vorschulalter, bei Jugendlichen und Erwachsenen zu den empfohlenen Maßnahmen. Im Gegensatz zur Epidemie in Dänemark sind von dem Pertussis-Ausbruch in Italien vor allem Neugeborene und Säuglinge betroffen, von denen bisher 108 stationär behandelt werden mussten, im Vergleich zu 12 Kindern im Jahr 2023. Die Mehrheit der hospitalisierten Kinder war ungeimpft, am häufigsten auf Grund des noch zu geringen Alters. Zwölf Säuglinge zeigten einen schweren Krankheitsverlauf und mussten auf der Intensivstation behandelt werden. Bis zum Ende des Berichtszeitraums wurden 3 Todesfälle bei Neugeborenen gemeldet. Der Ausbruch, der vor allem Neugeborene und ungeimpfte Säuglinge betraf, wird u.a. auf die Nichteinhaltung der Impfempfehlungen während der Schwangerschaft zurückgeführt.4

 

Die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern können durch die verschiedenen Vorgehensweisen hinsichtlich Impfstrategien, Testungsregimen, Erfassung von Altersgruppen, länderspezifischen Surveillance-Programmen und unterschiedlicher Intensität und Fortdauer der COVID-19 Maßnahmen bedingt sein. Durch die Einflüsse der COVID-19-Pandemie ist beim Vergleich der aktuellen Pertussis-Ausbrüche mit früheren Epidemien allerdings Vorsicht geboten. Dennoch gibt das aktuelle Infektionsgeschehen Anlass, den Fokus auf die Maßnahmen zur Infektionsprävention zu lenken. In den meisten Altersgruppen lässt sich das Pertussis-Risiko durch eine adäquate Immunisierung bzw. Auffrischung minimieren, weswegen das Erreichen und Aufrechterhalten einer hohen Durchimpfungsrate durch rechtzeitigen und vollständigen Abschluss der Grundimmunisierungsserien und den anschließenden auf nationaler Ebene empfohlenen Auffrischungen von besonderer Bedeutung ist. Das ECDC stuft das Gesamtrisiko einer Pertussis-Infektion für nicht oder nur teilweise geimpfte Säuglinge im Alter von weniger als 6 Monaten als am höchsten ein, da sie die Gruppe mit der höchsten Morbidität und Mortalität durch Pertussis darstellen. Vor diesem Hintergrund ist insbesondere die Immunisierung von Müttern und aller Betreuungspersonen von Säuglingen (Cocooning) ein hochwirksamer Ansatz, um Krankheiten und Todesfälle bei Kleinkindern zu verhindern.2

 

1 Robert Koch-Institut (RKI). RKI-Ratgeber Keuchhusten (Pertussis); published online Feb 26, 2024.

URL: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Pertussis.html#doc2374534bodyText0 [08.07.2024]

 

2 European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Increase of pertussis cases in the EU/EEA; published online May 8, 2024.

URL: https://www.ecdc.europa.eu/sites/default/files/documents/Increase%20in%20pertussis%20cases%20in%20the%20EU-EEA%20-%20May%202024%20FINAL.pdf [08.07.2024]

 

3 Nordholm A. C. et al. Pertussis epidemic in Denmark, August 2023 to February 2024. Euro Surveill 2024; 29(14):pii=2400160.

doi: 10.2807/1560-7917.ES.2024.29.14.2400160

 

4 Poeta M. et al. Pertussis outbreak in neonates and young infants across Italy, January to May 2024: implications for vaccination strategies. Euro Surveill 2024; 29(23):pii=2400301.

doi: 10.2807/1560-7917.ES.2024.29.23.2400301

 

14.08.2024

Antibiotikaresistenzen: Ihre Meinung ist gefragt!

Die zunehmende Resistenz gegen Antibiotika stellt das Gesundheitswesen vor große Herausforderungen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, haben das Robert Koch-Institut und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eine Umfrage gestartet.


Ziel ist es, einen umfassenden Einblick in die Verordnungspraxis von Antibiotika zu gewinnen. Die Online-Befragung richtet sich an medizinisches Fachpersonal aller Fachrichtungen, sowohl im ambulanten als auch im stationären Bereich.


Die Teilnahme dauert nur etwa 8 Minuten und wurde bis zum 15.09.2024 verlängert. Jeder Beitrag hilft, die Herausforderung der Antibiotikaresistenzen besser zu verstehen und anzugehen.
Ihre Expertise ist gefragt - nehmen Sie teil und leisten Sie einen wichtigen Beitrag zur Gesundheitsvorsorge!

 

Zur Umfrage

 

14.08.2024

Vogelgrippe-Virus A(H5N1) in Kuhmilch – Hitzeinaktivierung und Infektiosität bei Mäusen

Im März 2024 wurde erstmals das hochpathogene aviäre Influenza-Virus (highly pathogenic avian influenza virus, HPAI) des Subtyps H5N1 in Nasenabstrichen und Milch von Milchkühen nachgewiesen – ein Risiko, dass HPAI A(H5N1)-Viren in die menschliche Nahrungskette gelangen könnten. Das Texas A& M Veterinary Medical Diagnostic Laboratory untersuchte Milchproben von einer betroffenen Herde in New Mexico und isolierte daraus acht HPAI A(H5N1)-Viren.


Die Autoren verglichen die Sequenzierungsergbnisse dieser HPAI A(H5N1)-Milchvirus-Isolate mit öffentlich zugänglichen Datenbanken. Die von Kühen und aus Milch isolierten Viren bilden eine genetisch verwandte Klade, die viele kleinere Kladen von Viren umfasst, die von Katzen, Waschbären, Hühnern und Wildvögeln isoliert wurden. Die Phylogenie ist konsistent mit einem einzigen Eintrag der Viren in die untersuchte Herde. Die in dieser Studie isolierten Viren gehören zur Klade der bereits publizierten Sequenzen von aus anderen Kühen isolierten HPAI A(H5N1)-Viren, einschließlich eines menschlichen Isolats, A/Texas/37/2024. 


Studien zum Maul- und Klauenseuche-Virus zeigten, dass die Hitzedenaturierung von viruspositiven Milchproben in Folge eine natürlichen Infektion höhere Temperaturen oder längere Inkubationszeiten (oder beides) erforderte als die Hitzedenaturierung von artifiziell mit Virus versetzter Milch, vermutlich weil Fettglobule und Kaseinmizellen die Viren in viruspositiven Milchproben infolge einer natürlichen Infektion teilweise schützen könnten. Dementsprechend testeten die Autoren die Hitzedenaturierung von vier HPAI A(H5N1)-viruspositiven Milchproben (NM#93, NM#115, KS#3 und KS#6). 

 

Unverdünnte Milchproben wurden in einem PCR-Thermocycler bei 63 °C für 5, 10, 20 oder 30 Minuten oder bei 72 °C für 5, 10, 15, 20 oder 30 Sekunden inkubiert. Kontrollproben blieben unbehandelt. Die Hitzebehandlung bei 63 °C reduzierte die Virustiter unter die Nachweisgrenze des TCID50 (50 % tissue-culture infectious dose) Assays (1,5 log10/ml). Die Hitzebehandlung bei 72 °C wurde mit den Standardeinstellungen des PCR-Thermocyclers (d.h. vorgeheizter Deckel bei 105 °C) oder mit einem Metalldeckel (auf 72 °C erhitzt) durchgeführt, der den PCR-Block abdeckte. Nach der Hitzebehandlung wurden die Proben in embryonierte Hühnereier oder Madin-Darby-Hundeniere (MDCK)-Zellen zur Virusnachweis inokuliert. Unter diesen Bedingungen reduzierte die Hitzebehandlung für 15 oder 20 Sekunden die Virustiter um mehr als 4,5 Log-Einheiten, inaktivierte das Virus jedoch nicht vollständig. Die Autoren betonen, dass die in der Laborstudie verwendeten Bedingungen nicht identisch mit der großtechnischen industriellen Behandlung von Rohmilch sind.

Die Stabilität des HPAI A (H5N1)-Virus in Kuhmilch, die bei 4 °C gelagert wird, ist eine weitere wichtige Frage. Für die Milchprobe NM#93 wurde ein Rückgang von nur zwei Log-Einheiten über 5 Wochen festgestellt. HPAI A (H5N1)-Virus kann daher mehrere Wochen lang in roher Milch bei 4 °C infektiös bleiben.
 

Um das Risiko weiter zu bewerten, das HPAI A(H5N1)-positive Milch für Tiere und Menschen darstellt, wurden BALB/cJ-Mäuse oral mit 50 μl (3×10⁶ pfu) der Probe NM#93 inokuliert. Die Tiere zeigten ab Tag 1 Krankheitszeichen, darunter struppiges Fell und Lethargie. Alle Tiere überlebten bis Tag 4, an dem sie eingeschläfert wurden, um die Virustiter in mehreren Organen zu bestimmen. 

 

Es wurden hohe Virustiter in den Atemwegen nachgewiesen (was darauf hindeutet, dass die Infektion über den Rachen erfolgt sein könnte) und moderate Virustiter in mehreren anderen Organen, was mit den systemischen Infektionen übereinstimmt, die typischerweise durch HPAI H5-Viren bei Säugetieren verursacht werden. In den Milchdrüsen von zwei Mäusen zeigte sich eine hohe Viruslast - vergleichbar mit der in der Kuhmilch -obwohl diese Mäuse nicht laktierend waren. 
 

Folgerungen der Autoren


Zusammenfassend deuten die Daten darauf hin, dass HPAI A(H5N1)-Virus in unbehandelter Milch anfällige Tiere infizieren kann, die diese konsumieren. Zusammengefasst stellt HPAI H5-positive Milch ein Risiko dar, wenn sie unbehandelt konsumiert wird, aber die Hitzedenaturierung unter den hier verwendeten Laborbedingungen reduziert die HPAI H5-Virustiter um mehr als 4,5 Log-Einheiten. Es ist jedoch zu betonen, dass Laborversuche nicht die kommerziellen Pasteurisierungsprozesse widerspiegeln.

 

Kommentar der Herausgeber


Diese Studie zeigt, dass HPAI A(H5N1)-Virus in unbehandelter Milch infektiös bleibt und somit ein potenzielles Risiko für Tiere und Menschen darstellt. Eine Hitzebehandlung kann die Viruslast erheblich reduzieren, jedoch ist weitere Forschung nötig, um die Wirksamkeit industrieller Pasteurisierungsmethoden zu bestätigen. Ein weiterer Grund, um vom Verzehr von Rohmilch abzuraten.

 

Guan, L. et al. Cow's Milk Containing Avian Influenza A(H5N1) Virus - Heat Inactivation and Infectivity in Mice. N Engl J Med. 2024;391(1):87-90. doi: 10.1056/NEJMc2405495

 

Nguyen, T.-Q. et al. Emergence and interstate spread of highly pathogenic avian influenza A(H5N1) in dairy cattle. bioRxiv [Preprint] 2024. doi: 10.1101/2024.05.01.591751

 

19.07.2024

Influenza A(H5N1)-Virusinfektion bei einem Milchviehhalter

Seit 2020 haben sich HPAI A(H5N1)-Viren der Klade 2.3.4.4b weltweit unter Wildvögeln ausgebreitet und zu Ausbrüchen bei Nutzgeflügel und anderen Tieren geführt. Kürzlich wurden Viren der Klade 2.3.4.4b in Milchkühen und in nicht pasteurisierten Milchproben in mehreren US-Bundesstaaten nachgewiesen. Die Autoren berichten über einen Fall einer HPAI A(H5N1) Virusinfektion bei einem Arbeiter auf einer Milchfarm in Texas.


Ende März 2024 entwickelte ein Milchfarmer Rötungen und Unbehagen im rechten Auge. Bei der Untersuchung am selben Tag wurden eine subkonjunktivale Blutung und dünner, seröser Ausfluss im rechten Auge festgestellt. Die Vitalzeichen waren unauffällig, mit normaler Atemfunktion und einer Sauerstoffsättigung von 97 % bei Raumluft. Die Lungenauskultation war unauffällig. Fieber, Atemwegssymptomen, Sehänderungen oder anderen Symptome lagen nicht vor. Der Arbeiter berichtete über keinen Kontakt mit kranken oder toten Wildvögeln, Geflügel oder anderen Tieren, jedoch über direkten und engen Kontakt zu Milchkühen, die gesund erschienen, sowie zu kranken Kühen, die dieselben Krankheitsanzeichen wie Kühe auf anderen Milchfarmen in Nordtexas mit bestätigter HPAI A(H5N1)-Virusinfektion zeigten (z.B. verminderte Milchproduktion, Appetitlosigkeit, Lethargie, Fieber und Dehydratation). Der Arbeiter gab an, beim Umgang mit Kühen Handschuhe zu tragen, aber keinen Atem- oder Augenschutz zu verwenden.

 

Bindehaut- und Nasopharynx-Abstrichproben wurden vom rechten Auge für Influenzatests entnommen. Die Ergebnisse der Echtzeit-RT-PCR-Tests waren bei beiden Proben positiv für Influenza A- und A(H5)-Virus. Auf Basis des A(H5)-Ergebnisses wurde häusliche Isolation empfohlen und eine orale Behandlung mit Oseltamivir (75 mg zweimal täglich für 5 Tage) für den Arbeiter sowie zur Postexpositionsprophylaxe für die Haushaltskontakte des Arbeiters (gleiche Dosierung) verordnet. Am nächsten Tag berichtete der Arbeiter über keine Symptome außer Unbehagen in beiden Augen; bei einer erneuten Untersuchung zeigte sich eine subkonjunktivale Blutung in beiden Augen ohne Sehbeeinträchtigung. In den folgenden Tagen berichtete der Arbeiter über eine Besserung der Konjunktivitis. Atemwegssymptome traten auch im Verlauf nicht auf. Die Haushaltskontakte blieben gesund.

 

Auf Basis der Echtzeit-RT-PCR und Sequenzierung bestätigten die Centers for Disease Control and Prevention eine HPAI A(H5N1)-Virusinfektion in den am Tag des Symptombeginns entnommenen Bindehaut- und Nasopharynx-Abstrichproben. Zusätzliche klinische Proben für Influenzatests waren nicht verfügbar. Obwohl virale RNA aus der Nasopharynx-Abstrichprobe (Ct-Wert 33) unzureichende PCR-Amplifikate für die Sequenzierung ergab, bestätigten die vollständige Genomsequenzen aus der Bindehautabstrichprobe (Ct-Wert 18), dass das Virus zur Klade 2.3.4.4b (Genotyp B3.13) gehörte, und die erfolgreiche Virusisolierung aus beiden Abstrichproben ergab identische Viren. Alle Genabschnitte waren eng verwandt mit Viren, die in texanischen Milchkühen isoliert wurden und Genotyp B3.13 Viren, die in Wildvögeln in Texas im März 2024 nachgewiesen wurden. Sequenzdaten von vermutlich infizierten Kühen auf der Farm, auf der der Arbeiter tätig war, standen nicht zur Analyse zur Verfügung.

 

Virensequenzen von Kühen und vom Arbeiter wiesen hauptsächlich aviäre genetische Merkmale auf – es gab keine Veränderungen im Hämagglutinin-Gen, das die Rezeptorbindungsspezifität beeinflusst (z.B. Bindung an α2-6-verknüpfte Sialinsäure-Rezeptoren, die hauptsächlich im oberen menschlichen Respirationstrakt vorkommen) und das Übertragungsrisiko auf Menschen erhöhen könnte. Das im Abstrich des Arbeiters identifizierte Virus wies eine Mutation (PB2 E627K) auf, die mit der viralen Anpassung an Säugetierwirte assoziiert ist und zuvor bei Menschen und anderen Säugetieren, die mit HPAI A(H5N1)-Viren und anderen aviären Influenza A-Virus Subtypen infiziert waren, nachgewiesen wurde, einschließlich A(H7N9) und A(H9N2). Es wurden keine genetischen Marker gefunden, die mit einer verminderten Empfindlichkeit gegenüber von Neuraminidase-Inhibitoren assoziiert sind. Das Hämagglutinin des Virus war eng verwandt mit den zwei möglichen Virusisolaten für eine Impfstoffproduktion.  Da Influenza A(H5N1)-Viren pandemisches Potenzial haben, stehen diese Impfviren den Herstellern zur Verfügung und könnten bei Bedarf zur Impfstoffproduktion verwendet werden.

 

Kommentar der Herausgeber


Dieser Fallbericht unterstreicht die Bedeutung der Überwachung von Zoonosen und der Einhaltung von Schutzmaßnahmen im Umgang mit potenziell infizierten Tieren. Die schnelle Diagnose und Behandlung sowie die Einbindung von Haushaltskontakten sind entscheidend, um das Risiko einer weiteren Ausbreitung zu minimieren.

 

Uyeki, T. M. et al. Highly Pathogenic Avian Influenza A(H5N1) Virus Infection in a Dairy Farm Worker. N Engl J Med. 2024;390(21):2028-2029. doi: 10.1056/NEJMc2405371

 

19.07.2024

Erhöhte Inzidenz von Mycoplasma pneumoniae-Infektionen in den Niederlanden, Frankreich und den USA (2023-2024)

Mycoplasma pneumoniae ist eine häufige Ursache für Infektionen der unteren und oberen Atemwege, insbesondere bei Kindern und jungen Erwachsenen. Charakteristisch sind auch extrapulmonale Symptome wie Erythema exsudativum multiforme und Enzephalitis. Es ist bekannt, dass durch M. pneumoniae verursachte Epidemien weltweit alle paar Jahre auftreten, wobei die letzte Epidemie in einigen europäischen Ländern im Jahr 2019/20 beobachtet wurde. Nach mehreren Jahren mit niedrigen Nachweisraten während der COVID-19 Pandemie wurde in den letzten Monaten des Jahres 2023 ein starker lokaler Anstieg der M.-pneumoniae-Nachweise sowie der M.-pneumoniae-bedingten Einweisungen in verschiedenen Regionen beobachtet. 


Die nachfolgende niederländische Studie berichtet über den aktuellen Aufwärtstrend bei den M.-pneumoniae-Nachweisen in einem niederländischen Regionalkrankenhaus und vergleicht diesen mit den nationalen und europäischen Trends. Um einen detaillierteren Einblick in die aktuelle Epidemiologie von M. pneumoniae zu gewinnen, wurden Daten aus dem Regionalen Gesundheitslabor Kennemerland (Regional Public Health Laboratory Kennemerland/RPHLK) verwendet. Die Anzahl der M. pneumoniae-Nachweise (von 2017 bis 2023, 257 Nachweise aus 19.989 Tests) und Krankenhausaufnahmen sowie demografische Daten der Patienten (Alter, Geschlecht, Aufnahmeanlass, Aufenthaltsdauer, Aufnahme auf eine Intensivstation (ICU) und weitere Infektionen) wurden gesammelt. Eine Krankenhausaufnahme im Zusammenhang mit M. pneumoniae wurde definiert als der Nachweis von M. pneumoniae in einem naso- und/oder oropharyngealen (naso- and/or oropharyngeal /NP/OP) Abstrich mittels PCR-Tests bis zu zwei Tage vor oder während der Aufnahme. Die aktuellen Daten wurden mit denen von 2019 und 2020, der letzten Periode mit lokal erhöhter M. pneumoniae-Nachweisrate, verglichen.

 

Ein starker Anstieg der regionalen M. pneumoniae-Nachweise im Jahr 2023 begann im Oktober. Im Jahr 2023 wurden 133 Patienten mit M. pneumoniae-positiver PCR im Spaarne Gasthuis (niederländische Klinik) festgestellt, mit einem Medianalter von 28 Jahren. 41,3 % Patienten waren jünger als 18 Jahre, wobei die meisten Kinder in der Alterskategorie 5-11 Jahre waren (n = 27). Bei Erwachsenen wurden die meisten Nachweise in den jüngsten Alterskategorien gefunden: 18-29 Jahre (n = 16) und 30-39 Jahre (n = 22). Der Vergleich der M. pneumoniae-PCR-Positivität zwischen 2023 (4,1 %; 133/3.227) und 2019/2020 (1,0 %; 68/6.889) zeigte einen signifikanten Anstieg (p < 0,001).
Von den 133 Patienten wurden 81 (60,9 %) stationär aufgenommen, darunter 30 Kinder (37,0 %). Drei Patienten hatten extrapulmonale Manifestationen, alle anderen Patienten wurden mit einer Pneumonie aufgenommen. Die mediane Hospitalisationsdauer betrug vier Tage und war bei Kindern deutlich kürzer als bei Erwachsenen (2,5 vs. 5 Tage; p < 0,001). Neun erwachsene Patienten (11,1 %) wurden auf der Intensivstation aufgenommen, meist (n = 7) wegen Hypoxie, von denen drei mechanisch beatmet werden mussten. Vier Patienten wiesen Begleiterkrankungen auf, die möglicherweise zur Einweisung in die Intensivstation beitrugen (d.h. Lungenkrebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Alkohol- und Drogenkonsum sowie neurologische Erkrankungen). 24 (18,0 %) Patienten mit M. pneumoniae wiesen eine Koinfektion auf, insbesondere mit Rhinoviren (n = 10) und respiratorischen Synzytialviren (RSV) (n = 6) ohne Unterschied zwischen Kindern und Erwachsenen.


Im Vergleich dazu wurde M. pneumoniae in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt nur 68-mal nachgewiesen. In diesen Jahren war das mediane Alter signifikant höher: 40 Jahre im Vergleich zu 28 Jahren im Jahr 2023 (p = 0,005). Im Jahr 2023 wurde ein höherer Prozentsatz an Hospitalisationen beobachtet, obwohl knapp statistisch nicht signifikant (p = 0,085); auch der Prozentsatz der Einweisungen auf der Intensivstation und die Hospitalisationsdauer unterschieden sich nicht signifikant. Auch national gab es Ende 2023 einen steilen Anstieg von M. pneumoniae und weitaus mehr Fälle als in den Jahren 2019 und 2020.


Eine weitere Studie aus Frankreich berichtet ebenfalls über einen großflächigen Ausbruch von M. pneumoniae-Infektionen der Atemwege mit 218 Fällen (0,8 % von 26.449 getesteten Patienten) in den Jahren 2023-2024 in Marseille. Das Bakterium zirkulierte ebenfalls vor allem bei Kindern im Alter von < 15 Jahren.


Auch aus den Vereinigten Staaten wurde von einem landesweiten Ausbruch besonders in großen urbanen Zentren von M.-pneumoniae-Infektionen in der ambulanten Bevölkerung im Jahr 2023 berichtet. Die COVID-19-Pandemie hat die Saisonalität und die epidemiologische Landschaft verschiedener Erreger der Atemwege, einschließlich M. pneumoniae, verändert. Die Erhebungsdaten zeigen, dass der jüngste Ausbruch von M. pneumoniae mit seiner höheren Prävalenz in der jüngeren Bevölkerung (0-20 Jahre) im Vergleich zu anderen Altersgruppen mit den Ausbrüchen des Erregers vor der Pandemie vergleichbar ist. Andere respiratorische Erreger waren ähnlich häufig bei Patienten mit und ohne M. pneumoniae Nachweis. Die ICD10-Diagnosecodes erwiesen sich bei der korrekten Feststellung von Atemwegsinfektionen bei einem Patienten als hochspezifisch, zeigten jedoch eine geringere Sensitivität bei der Identifizierung des verursachenden Organismus. Die ICD10 Kodierungen deuten darauf hin, dass M. pneumoniae vorwiegend mit Infektionen der oberen Atemwege assoziiert war. Die COVID-19-Pandemie machte die Lücken in den öffentlichen Gesundheitsressourcen der Vereinigten Staaten deutlich und unterstrich die Notwendigkeit, den Erreger von Atemwegsinfektionen korrekt zu identifizieren, um die Ausbreitung der Infektion und die Auswirkungen auf die Lebensqualität der Bevölkerung zu minimieren. Angesichts der zunehmenden Bekanntheit der PCR als schnelle und zuverlässige Diagnosemethode zum Nachweis viraler und bakterieller Erreger unterstützt diese Studie die kontinuierliche Überwachung häufiger und atypischer Erreger der Atemwege als Maßnahme der öffentlichen Gesundheit.
 

Folgerungen der Autoren


Die drei Studien dokumentieren einen starken Anstieg von M. pneumoniae Infektionen in Europa und Nordamerika, der Ende 2023 begonnen hat mit höheren Fallzahlen als in den letzten und insbesondere den pandemischen Jahren. Sie zeigen die Bedeutung der Überwachung und Früherkennung von M. pneumoniae-Infektionen, um rechtzeitig geeignete Maßnahmen zu ergreifen und die öffentliche Gesundheit zu schützen. Um die derzeitige erhöhte Inzidenz genauer zu verstehen, sind Daten z.B. über den Schweregrad, zirkulierende Stämme und die Häufigkeit von Makrolidresistenz wichtig.

 

Kommentar der Herausgeber


Die Mykoplasmen-Epidemiologie ist noch nicht gut verstanden. Diese Ausbruchsberichte sind wichtig, weil sie die Bedeutung von Surveillance unterstreichen und das Bewusstsein für diese oft protrahiert verlaufenden Infektionen schärfen, die derzeit stark gehäuft auftreten. Ob immer Antibiotika notwendig sind, wird derzeit untersucht. Aus therapeutischer Sicht Doxycyclin gegenüber Makroliden bei diesen Infektionen zu bevorzugen, weil Makrolidresistenzen global zunehmen. Auch empirisch ist Doxycyclin eine gute Option bei ambulant erworbenen Atemwegsinfektionen einschließlich Pneumonien.

 

Bolluyt, D. C. et al. Increased incidence of Mycoplasma pneumoniae infections and hospital admissions in the Netherlands, November to December 2023. Euro Surveill. 2024;29(4):2300724. 
doi: 10.2807/1560-7917.ES.2024.29.4.2300724

 

Edouard, S. et al. Large-Scale Outbreak of Mycoplasma pneumoniae Infection, Marseille, France, 2023-2024; Emerg Infect Dis. 2024;30(7), published online first. 

doi: 10.3201/eid3007.240315

 

Upadhyay, P. et al. Mycoplasma pneumoniae Outbreak in 2023: Post-pandemic Resurgence of an Atypical Bacterial Pathogen. Cureus. 2024;16(4):e58757. 

doi: 10.7759/cureus.58757

 

19.06.2024

Information zum Start des Härtefallprogramms zu Aztreonam/Avibactam (Emblaveo®)

Emblaveo® zur Behandlung von erwachsenen Patienten und Patientinnen mit komplizierten intraabdominellen Infektionen, nosokomial erworbenen Pneumonien – einschließlich beatmungsassoziierten Pneumonien – sowie komplizierten Harnwegsinfektionen, Pyelonephritis einbegriffen, wird nach aktuellem Stand im September 2024 in den deutschen Markt eingeführt. Um die Zeit bis zur Markteinführung zu überbrücken, hat Pfizer ein Härtefallprogramm für Aztreonam-Avibactam eingerichtet, dem das BfArM in Deutschland zugestimmt hat.

 

Weitere Informationen sind in der Übersicht der aktuell laufenden und bestätigten Arzneimittel-Härtefallprogramme des BfArM verfügbar: BfArM - Compassionate Use - Aktuell laufende und bestätigte Arzneimittel-Härtefallprogramme.

 

Eine Behandlung kann nur erfolgen, wenn nach definierten Kriterien nachgewiesen wird, dass keine zugelassenen Therapieoptionen für eine zufriedenstellende Behandlung der Infektion verfügbar sind.

Ärztinnen und Ärzte, die die Teilnahme einer Patientin oder eines Patienten planen, werden gebeten, eine entsprechende Anfrage direkt an Clinigen Healthcare Ltd., einem Spezialisten für die Durchführung von Early Access Programmen, zu richten. Dies ist auf zwei Wegen möglich:
 

1. Per E-Mail an medicineaccess@clinigengroup.com, oder
2. Direkt über das Online-Portal ClinigenDirect: Log In (clinigengroup.com)

 

Für die Dokumentation aller patientenrelevanten Daten und die Bewertung der Eignung ist in jedem Fall eine Anmeldung über ClinigenDirect notwendig.

 

19.06.2024

Update | Vancomycin-resistenten Enterococcus faecium (VRE) vanA ST612 in der Schweiz

Im März informierten wir Sie bereits über die interregionale Verbreitung und die dazugehörigen Maßnahmen von Vancomycin-resistenten Enterococcus faecium (VRE) in der Schweiz. Gerne möchten wir Ihnen ein Update über die momentane Situation geben.

 

Bitte beachten Sie das untenstehende Dokument mit allgemeinen Informationen und aktualisierten Empfehlungen.

 

Zum Berich [Stand: 31. Mai 2024]

 

19.06.2024

Wirksamkeit und Sicherheit von Azithromycin bei unteren Atemwegsinfektionen mit niedrigem Procalcitonin-Wert

Infektionen der unteren Atemwege werden häufig mit Antibiotika behandelt, obwohl in vielen Fällen eine virale Ursache vorliegt. Es ist unklar, ob niedrige Procalcitonin-Spiegel Patienten unteren Atemwegsinfektionen identifizieren können, die nicht von Antibiotika profitieren. In der nachfolgend vorgestellten Studie wurde die Wirksamkeit und Sicherheit von Azithromycin gegenüber Placebo bei der Behandlung unteren Atemwegsinfektionen bei Patienten mit niedrigem Procalcitonin untersucht.


Hierzu wurde eine randomisierte, doppelblinde, Studie in fünf US-Studienzentren durchgeführt. Eingeschlossen wurden Erwachsene mit klinischem Verdacht auf eine nicht-pneumonische Infektion der unteren Atemwege – also einer Bronchitis – und einer Symptomdauer von mindestens 24 Stunden bis maximal 28 Tagen. Patienten mit einer Procalcitonin-Konzentration von 0,25 ng/ml oder weniger wurden nach dem Zufallsprinzip (1:1) mit Stratifizierung nach Standort entweder einer oralen Azithromycin-Gabe von 500 mg an Tag 1, gefolgt von 250 mg täglich über 4 Tage oder einem entsprechenden Placebo zugeteilt. Der primäre Endpunkt war die Wirksamkeit von Azithromycin im Vergleich zu Placebo in Bezug auf die klinische Verbesserung an Tag 5 in der Intention-to-Treat-Population. Die Nichtunterlegenheitsmarge betrug 12,5 %. Unerwünschte Ereignisse wie Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall, allergische Reaktionen oder Hefepilzinfektionen wurden als sekundärer Endpunkt erfasst.


Zwischen Dezember 2017 und März 2020 wurden 691 Patienten gescreent, 499 wurden eingeschlossen und nach dem Zufallsprinzip entweder Azithromycin (n = 249) oder Placebo (n = 250) zugewiesen. Eine klinische Verbesserung an Tag fünf wurde bei 148 (63 %) von 238 Teilnehmenden mit vollständigen Daten in der Placebogruppe und bei 155 (69 %) von 227 Teilnehmenden mit vollständigen Daten in der Azithromycin-Gruppe in der Intention-to-Treat-Analyse beobachtet. Die unerwünschten Ereignisse und der Schweregrad der unerwünschten Ereignisse unterschieden sich am Tag fünf nicht signifikant zwischen den Gruppen, mit Ausnahme von verstärkten Bauchschmerzen unter Azithromycin 47 von 204 Teilnehmenden im Vergleich zu Placebo 35 von 221.

 

Folgerungen der Autoren


Placebo war bei Erwachsenen mit einer Infektion der unteren Atemwege und einer niedrigen Procalcitonin-Konzentration im Hinblick auf die klinische Verbesserung an Tag fünf nicht schlechter als Azithromycin. Unter Berücksichtigung sowohl der Raten der klinischen Verbesserung als auch der unerwünschten Ereignisse an Tag fünf ist unklar, ob Antibiotika bei Patienten mit unteren Atemwegsinfektionen und niedrigem Procalcitonin indiziert ist.

 

Kommentar der Herausgeber


Diese Studie unterstützt das Konzept, dass bei Erwachsenen mit Atemwegsinfektionen und niedrigem Procalcitonin auf Antibiotika verzichtet werden kann, ohne das Risiko für schlechteren Verlauf zu erhöhen.

 

Tsalik, E. L. et al. Efficacy and safety of azithromycin versus placebo to treat lower respiratory tract infections associated with low procalcitonin: a randomised, placebo-controlled, double-blind, non-inferiority trial. Lancet Infect Dis. 2023;23(4):484-495. doi: 10.1016/S1473-3099(22)00735-6

 

22.05.2024

INFEKTIO_podcast | Das Masernvirus - Der lange Weg zur Masern-Elimination

In der aktuellen Episode ihrer Podcast-Reihe „Wissenschaft trifft Praxis“ beleuchtet Sybille Somogyi die momentane Situation rund um das Masernvirus. Als Referentin für Infektionsschutz und Hygiene spricht sie mit ihren Gästen, Prof. Dr. Annette Mankertz und Dr. Dorothea Matysiak-Klose, über den Fortschritt bei der Eliminierung der Masern in Deutschland. Zudem thematisieren sie, ob die endemische Übertragung des Masernvirus dauerhaft unterbrochen werden kann und wie man eine Impfreaktion von einer tatsächlichen Masernerkrankung unterscheiden kann.

 

Jetzt reinhören

 

22.05.2024

Aztreonam-Avibactam – ein neues Antibiotikum zur Bekämpfung von Infektionen mit multiresistenten Bakterien

Die European Medicines Agency (EMA) hat empfohlen, eine Marktzulassung in der Europäischen Union (EU) für Emblaveo (Aztreonam-Avibactam) zu gewähren. Das Medikament ist indiziert zur Behandlung von komplizierten intraabdominalen und Harnwegsinfektionen, nosokomialer Pneumonie und Infektionen, die durch bestimmte Arten von Bakterien (aerobe Gram-negative) verursacht werden, wenn Behandlungsoptionen begrenzt sind.
Infektionen durch multi-resistente Gram-negative Bakterien, stellen ein ernstes Problem für die öffentliche Gesundheit dar, da die Patienten nur begrenzte oder manchmal gar keine Behandlungsmöglichkeiten haben. Infektionen durch multiresistente Bakterien verursachen in der EU schätzungsweise 35.000 Todesfälle pro Jahr.


Emblaveo ist eine fest-dosierte Kombination von zwei Wirkstoffen, Aztreonam und Avibactam. Aztreonam ist bereits einzeln für die Anwendung in der EU zugelassen, und Avibactam ist für die Anwendung in Kombination mit einem anderen Antibiotikum (Ceftazidim) zugelassen. Aztreonam ist ein Monobactam-Antibiotikum, das zur Gruppe der β-Lactame gehört. Es verhindert, dass die Bakterien ihre Zellwände aufbauen und ist gegenüber den β-Lactamasen der Ambler Klasse B (Metallo-β-Lactamasen, MBL) stabil.


Avibactam blockiert die Wirkung vieler β-Lactamasen der Ambler-Klassen A, C und D. Diese Enzyme ermöglichen es den Bakterien, β-Lactam-Antibiotika wie Aztreonam abzubauen, wodurch sie gegen die Wirkung des Antibiotikums resistent werden. Durch die Blockierung dieser Enzyme stellt Avibactam die Wirkung von Aztreonam gegen Aztreonam-resistente Bakterien wieder her.
Emblaveo kann als Infusion verabreicht werden.


Der Ausschuss für Humanarzneimittel (Committee for Medicinal Products for Human Use / CHMP) der EMA hat festgestellt, dass die Vorteile von Emblaveo die Risiken für Patienten mit Infektionen durch Gram-negative Bakterien überwiegen, wenn es nur wenige therapeutischen Optionen gibt. Aztreonam hat sich als wirksam bei der Behandlung einer Reihe schwerwiegender Infektionen erwiesen. Mikrobiologische Daten deuten darauf hin, dass Aztreonam in Kombination mit Avibactam bei Infektionen durch viele multi-resistente Gram-negative Erreger wirksam sein wird.

 

Emblaveo wurde im Rahmen des beschleunigten Bewertungsverfahrens der EMA evaluiert, da es als eine Substanz von erheblichem öffentlichem Gesundheitsinteresse angesehen wird.

 

Die Empfehlung der EMA basiert auf den bereits verfügbaren Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten für jeden Wirkstoff sowie den Ergebnissen zweier randomisierter Phase-III-Studien, die vom Hersteller eingereicht wurden. Die Studien waren nicht darauf ausgelegt, Wirksamkeit nachzuweisen, liefern jedoch Sicherheitsdaten für die Kombination. Dies entspricht den Leitlinien der EMA, die einen flexiblen Ansatz bei der Entwicklung neuer Antibiotika ermöglichen, die auf multiresistente Erreger abzielen. Die häufigsten Nebenwirkungen von Emblaveo waren Anämie, erhöhte Lebertransaminasen und Durchfall. Dies steht im Einklang mit den dokumentierten Sicherheitsinformationen für jede der beiden Einzelsubstanzen.  
Die vom CHMP verabschiedete Stellungnahme ist ein Zwischenschritt in der Zulassung. Die Stellungnahme wird nun an die Europäische Kommission weitergeleitet, um eine Entscheidung über eine EU-weite Marktzulassung zu treffen. Sobald eine Marktzulassung erteilt wurde, werden Entscheidungen über Preis und Erstattung auf der Ebene jedes Mitgliedstaats getroffen, wobei die potenzielle Rolle oder Verwendung dieses Arzneimittels im Rahmen des nationalen Gesundheitssystems des jeweiligen Landes berücksichtigt wird.
 

Folgerung der Autoren

 

Emblaveo, eine Kombination aus Aztreonam und Avibactam, hat das Potenzial, eine Lücke in der Behandlung schwerer Infektionen durch MRGN zu schließen. Die Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten sowie Phase-III-Studien stützen diese Empfehlung, obwohl sie primär auf Sicherheit abzielen und nicht speziell die Wirksamkeit nachweisen. Die Durchführung einer beschleunigten Bewertung reflektiert die Dringlichkeit dieser Situation. Auch wenn die Empfehlung einen Schritt in Richtung Zulassung darstellt, müssen noch weitere Entscheidungen bezüglich der Preisgestaltung und Erstattung getroffen werden.

 

European Medicines Agency (EMA). New antibiotic to fight infections caused by multidrug-resistant bacteria. published online Mar 22, 2024. URL: https://www.ema.europa.eu/en/news/new-antibiotic-fight-infections-caused-multidrug-resistant-bacteria [23.04.2024]

 

24.04.2024

Zwei Impfstoffe gegen Influenza A (H5N1) zur Zulassung empfohlen

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat sich in seiner Sitzung vom 22. Februar 2024 für die Zulassung von zwei Impfstoffen gegen den Influenza-Subtyp A (H5N1) ausgesprochen. Celldemic® und Incellipan® von der Firma Sequirus sollen zur aktiven Immunisierung gegen H5N1 („Vogelgrippe“) bei Erwachsenen und Säuglingen ab sechs Monaten eingesetzt werden können.1,2

 

Mit dem Begriff „Vogelgrippe“ ist in erster Linie die aviäre Influenza gemeint, eine durch Influenza-A-Viren bei Vögeln ausgelöste Erkrankung. Die Zirkulation verschiedener H5-Viren, darunter die für Vögel hochpathogenen Influenza-Viren A(H5N1), A(H5N8) und A(H5N6), hat in der Vergangenheit wiederholt zu Ausbrüchen in Wildvogel- und Geflügelpopulationen, teilweise auch bei Säugetieren, geführt. Typischerweise ist die Übertragungsrate dieser Viren auf den Menschen eher gering, allerdings kann eine erfolgte Infektion zu schweren Krankheitsverläufen führen. In Deutschland wurden bislang keine Fälle von aviärer Influenza beim Menschen gemeldet. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation wurden weltweit seit 2003 über 2600 humane Erkrankungen und 1100 Todesfälle mit aviärer Influenza verzeichnet.3

 

Bei Celldemic® und Incellipan® handelt es sich um adjuvantierte Proteinimpfstoffe, die 7,5 µg der Oberflächenantigene Hämagglutinin (H) und Neuraminidase (N) pro Dosis enthalten. Hämagglutinin und Neuraminidase sind beim natürlichen Virus essenziell für das Eindringen in die Wirtszelle und die Freisetzung neu gebildeter Viruspartikel. Beide Glykoproteine kommen in unterschiedlichen Varianten vor (H1, H2, etc.), anhand derer die Einteilung der Influenza-A-Viren in die verschiedenen Subtypen erfolgt. Für die beiden Impfstoffe werden diese Antigene aus inaktivierten A/turkey/Turkey/1/2005 (H5N1)-ähnlichen Viren (NIBRG 23) gewonnen, die in Madin-Darby-Canine-Kidney (MDCK)-Zellkulturen gezüchtet werden. Um die Immunantwort zu verstärken, wird das Adjuvans M59C.1 eingesetzt. Für die Ausbildung einer robusten Immunantwort, ist die Applikation von zwei Impfstoffdosen im Abstand von drei Wochen erforderlich.1-4

 

Der Unterschied zwischen den beiden Impfstoffen liegt in ihrem vorgesehenen Einsatzzeitpunkt. Während Celldemic® als zoonotischer Influenza-Impfstoff künftig bereits zum Einsatz kommen soll, wenn bei Ausbrüchen der aviären Influenza eine mögliche Pandemie erwartet wird (präpandemisch), soll Incellipan® als Influenza-Pandemieimpfstoff nur bedingt zugelassen werden. Letzteres bedeutet, dass Incellipan® erst verwendet werden darf, wenn die Grippepandemie offiziell ausgerufen wurde (pandemisch). In diesem Fall erfolgt auf Grundlage der Musterzulassung eine Anpassung des Impfstoffs an den pandemieauslösenden Virusstamm und die „endgültige“ Zulassung kann in einem beschleunigten Verfahren schneller durchlaufen werden, da die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit bereits mit anderen potenziellen Pandemiestämmen geprüft wurden.1,2,5

 

Mit beiden Impfstoffen konnte eine robuste Immunantwort bei Erwachsenen und Kindern drei Wochen nach der Verabreichung der zweiten Impfstoffdosis erreicht werden. Celldemic® und Incellipan® sind gut verträglich, bei Erwachsenen traten nach der Impfung am häufigsten lokale Reaktionen wie Schmerzen an der Injektionsstelle und allgemeine Symptome wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Unwohlsein sowie Muskel- und Gelenkschmerzen auf. Ähnliche Reaktionen zeigten sich auch bei Kindern, dabei wurde zusätzlich auch über Appetitlosigkeit, Übelkeit, Fieber, Reizbarkeit und Veränderung der Essgewohnheiten berichtet.1,2

 

Auch wenn derzeit nicht davon ausgegangen wird, dass sich die aviäre Influenza zeitnah zu einem Pandemierisiko für die Allgemeinbevölkerung entwickelt, werden dennoch entsprechende Vorbereitungen getroffen. Celldemic® und Incellipan® sind aber nicht die ersten Impfstoffe für den präpandemischen bzw. pandemischen Einsatz. Ein Vorteil der neuen Impfstoffkandidaten liegt jedoch vor allem in der Skalierbarkeit der Produktion, wodurch im Vergleich zur Virusvermehrung in Hühnereiern in kürzerer Zeit größere Mengen Impfstoff produziert werden könnten. Durch die Verwendung von Säugetierzellkulturen wird wegen der höheren Ähnlichkeit zum humanen Wirtsorganismus eine geringere Virusmodifikation und damit eine gesteigerte Impfstoffwirksamkeit angenommen.6

 

Für die endgültige Zulassung ist noch die Zustimmung der EU-Kommission ausstehend. Doch auch dann ist der zukünftige Einsatz beider Vakzine noch ungewiss. Laut aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts sollen Personen mit einem erhöhten Expositionsrisiko durch aviäre Influenza A lediglich gegen humane Influenzaviren geimpft werden.7

 

1 European Medicines Agency (EMA). Celldemic – summary of opinion. EMA/71755/2024; published online Feb 23, 2024. URL: https://www.ema.europa.eu/en/documents/smop-initial/chmp-summary-positive-opinion-celldemic_en.pdf
2 European Medicines Agency (EMA). Incellipan – summary of opinion. EMA/71759/2024; published online Feb 23, 2024. URL: https://www.ema.europa.eu/en/documents/smop-initial/chmp-summary-positive-opinion-incellipan_en.pdf
3 Robert Koch Institut (RKI). RKI zu humanen Erkrankungen mit aviärer Influenza (Vogelgrippe); published online Nov 6, 2023. URL: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/Z/ZoonotischeInfluenza/Vogelgrippe.html [11.04.2024]
4 Robert Koch Institut (RKI). Influenza (Teil 1): Erkrankungen durch saisonale Influenzaviren-  RKI-Ratgeber; published online Jan 19, 2018. URL: https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Merkblaetter/Ratgeber_Influenza_saisonal.html [11.04.2024]
5 European Medicines Agency (EMA). Vaccines for pandemic influenza; published online. URL: https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory-overview/public-health-threats/pandemic-influenza/vaccines-pandemic-influenza [11.04.2024]
6 Gärtner, B. C. et al. Zellkulturbasierte Influenzaimpfstoffe: eine effektive Impfstoffoption für unter 60-Jährige. Wien Klin Wochenschr 2024;136(Suppl 2):35-42. doi: 10.1007/s00508-024-02327-3
7 Robert Koch Institut (RKI). Empfehlungen des Robert Koch-Instituts zur Prävention bei Personen mit erhöhtem Expositionsrisiko durch (hochpathogene) aviäre Influenza A/H5; published online Feb 23, 2024. URL: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/Z/ZoonotischeInfluenza/Empfehlungen_1.pdf?__blob=publicationFile [11.04.2024]

 

24.04.2024

Internationaler Tag der Händehygiene am 5. Mai 2024

Zu einem der wichtigsten Infektionspräventionsmaßnahmen gehört die Händehygiene. Aus diesem Grund wird jedes Jahr am 5. Mai die Aufmerksamkeit auf den Internationalen Tag der Händehygiene gelenkt, um das Bewusstsein für die Bedeutung der Händehygiene bei der Verhinderung von Infektionen zu stärken. Händewaschen ist eine einfache, aber wirksame Methode zur Prävention und Verringerung der Übertragung von Krankheitserregern, wie Viren und Bakterien, die Infektionen verursachen können. Dies ist besonders wichtig in Gesundheitseinrichtungen, in denen Patient:innen, Mitarbeitende und Besuchende einem erhöhten Risiko für Infektionen ausgesetzt sein können. Das Datum des 5.5. soll hierbei die fünf Finger jeder Hand symbolisieren.

 

Auch in diesem Jahr begleitet die WHO den 5. Mai mit der Kampagne „SAVE LIVES: Clean Your Hands” (RETTE LEBEN: säubere deine Hände). Der diesjährige Slogan lautet „Why is sharing knowledge about hand hygiene still so important? Because it helps stop the spread of harmful germs in healthcare.” („Warum ist die Vermittlung von Wissen über die Händehygiene immer noch so wichtig? Weil sie dazu beiträgt, die Ausbreitung schädlicher Keime im Gesundheitswesen zu verhindern.“).

 

Die Ziele des World Hand Hygiene Day 2024 sind:

 

  • Stärkung von Lernkonzepten, um die Durchführung innovativer und effektiver Schulungen zu ermöglichen, die das Gesundheits- und Pflegepersonal in die Lage versetzen, die Händehygiene und IPC (Infection Prevention and Control) vor Ort durch verbesserte Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen zu verbessern.
  • Förderung des Zugangs zu innovativen Schulungsressourcen für Händehygiene und IPC für Beschäftigte im Gesundheits- und Pflegebereich.
  • Sensibilisierung für die Bedeutung von Wissen und Lernen über Händehygiene zum richtigen Zeitpunkt, um verschiedene Infektionskrankheiten zu verhindern.
  • Förderung von Mess- und Evaluierungsmechanismen zur Bewertung der Auswirkungen von Schulungen und Fortbildungen zu IPC-Standards und -Praktiken, einschließlich der Händehygiene und ihren Auswirkungen auf die Prävention von Healthcare-Associated Infections (HAI) und Antimicrobial Resistance (AMR).

 

Zur Kampagne

 

24.4.2024

Ceftriaxon zur Verhinderung einer frühen beatmungsbedingten Lungenentzündung bei Patienten mit akuter Hirnverletzung

Bei Patienten mit akuter Hirnverletzung besteht ein hohes Risiko einer beatmungsassoziierten Pneumonie (ventilator-associated pneumonia/VAP). Der Nutzen einer kurzen Antibiotikaprophylaxe ist nach wie vor umstritten. Das Ziel in der nachfolgenden vorgestellten Studie war es, die Wirkung einer frühen Einzeldosis des Antibiotikums Ceftriaxon auf das Auftreten einer frühen VAP bei Patienten mit schweren Hirnverletzungen, die mechanisch beatmet werden mussten, zu untersuchen.


Hierzu wurde eine multizentrische und randomisierte Studie in acht französischen Universitätskliniken durchgeführt. Nach dem Zufallsprinzip wurden komatöse (Glasgow Coma Scale score [GCS] ≤ 12) erwachsene Patienten (Alter ≥ 18 Jahre), die nach einer akuten Hirnverletzung mindestens 48 Stunden lang mechanisch beatmet werden mussten, innerhalb der ersten 12 Stunden nach der Trachealintubation einmalig mit 2 g Ceftriaxon oder Placebo behandelt. Die Patienten erhielten keine selektive Dekontamination des Oropharynx und des Verdauungstrakts. Der primäre Endpunkt war der Anteil der Patienten, die zwischen dem 2. und 7. Tag der mechanischen Beatmung eine frühe VAP entwickelten, die von maskierten Prüfern bestätigt wurde. Die Analyse wurde in der modifizierten Intention-to-Treat-Population durchgeführt, die alle nach dem Zufallsprinzip zugewiesenen Patienten umfasste.


Von Oktober 2015 bis Mai 2020 wurden 345 Patienten nach dem Zufallsprinzip (1:1) Ceftriaxon (n = 171) oder Placebo (n = 174) zugewiesen; 330 erhielten die zugewiesene Intervention und 319 wurden in die Analyse aufgenommen (162 in der Ceftriaxon-Gruppe und 157 in der Placebo-Gruppe). In der analysierten Patientengruppe waren 153 (48 %) Frauen. 15 Patienten erhielten nach der Randomisierung nicht die zugewiesene Intervention und 11 zogen ihre Einwilligung zurück. Die Auswertung bestätigte 93 Fälle von VAP, darunter 74 frühe Infektionen. Die Inzidenz der frühen VAP war in der Ceftriaxon-Gruppe signifikant niedriger als in der Placebo-Gruppe (23 [14 %] gegenüber 51 [32 %], p = 0,030), wobei Ceftriaxon keine mikrobiologischen Auswirkungen und keine unerwünschten Wirkungen zuzuschreiben waren. Interessant war insbesondere, dass in der Ceftriaxon-Gruppe auch die sekundären Endpunkte bis zum Tag 28 signifikant besser abschnitten: Es gab weniger VAP, mehr Beatmungs-freie Tage, mehr Antibiotika-freie Tage (21 vs. 15, p < 0,0001) und auch die Mortalität war niedriger (15 % vs. 25 %). 
 

Folgerung der Autoren

 

Bei Patienten mit akuten Hirnverletzungen verringerte eine einzige Ceftriaxon-Dosis das Risiko einer frühen VAP. Auf Basis der Studienergebnisse wird empfohlen, dass eine frühe Einzeldosis Ceftriaxon in die VAP-Präventions-Bündel bei Patienten mit Hirnverletzungen, die mechanisch beatmet werden müssen, aufgenommen werden sollte.

 

Kommentar der Herausgeber

 

Diese Studie unterstützt frühere kleinere Untersuchungen dahingehend, dass eine Einmaldosis von Ceftriaxon bei beatmeten Patienten mit akuter Hirnverletzung sinnvoll sein dürfte. Nicht nur war die Rate von VAP niedriger, sondern konnten mit einer Mortalitätsreduktion und einer Reduktion des Antibiotikaverbrauchs zwei entscheidende Vorteile aufgezeigt werden. 

 

Dahyot-Fizelier C. et al. Ceftriaxone to prevent early ventilator-associated pneumonia in patients with acute brain injury: a multicentre, randomised, double-blind, placebo-controlled, assessor-masked superiority trial. Lancet Respir Med. 2024; published online first Jan 19, 2024. doi: 10.1016/S2213-2600(23)00471-X

 

13.03.2024

Zulassungsempfehlung für neue Cephalosporin β-Lactamase-Inhibitor-Kombination

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA sprach sich in seiner Sitzung vom 25. Januar 2024 für die Zulassung des neuen Antibiotikums Exblifep® aus. Das Arzneimittel von Advanz Pharma Limited soll zur Behandlung von komplizierten Harnwegsinfektionen und nosokomialer Pneumonien bzw. damit assoziierter Bakteriämien eingesetzt werden.1

 

Die zunehmende Prävalenz von β-Lactamasen mit erweitertem Spektrum (ESBL) stellt eine bedeutende Herausforderung für die antimikrobielle Therapie dar. Diese Enzyme sind in der Lage, die meisten β-Lactam-Antibiotika zu hydrolysieren, einschließlich Cephalosporine der 3. und 4. Generation, und können so den vermehrten Einsatz von Reservesubstanzen wie Carbapenemen erforderlich machen. Um dieser Herausforderung zu begegnen, sind neue therapeutische Optionen erforderlich. Eine Strategie besteht darin, β-Lactame mit neuartigen β-Lactamase-Hemmern zu kombinieren, die die antibakterielle Aktivität gegen β-Lactam-resistente Erreger wiederherstellen können.2,3

 

Exblifep® enthält den bekannten Wirkstoff Cefepim, ein Cephalosporin der 4. Generation, das durch die Hemmung der Peptidoglykan-Zellwandsynthese bakterizid wirkt und ein breites Wirkspektrum gegen Gram-negative Erreger aufweist. Kombiniert wird Cefepim mit dem neuen Wirkstoff Enmetazobactam, welches als β-Lactamase-Inhibitor die Hydrolyse von Cefepim verhindert. Enmetazobactam (= N-Methyl-Tazobactam) ist eine strukturelle Weiterentwicklung von Tazobactam. Die Methylierung des Tazobactam-Moleküls ist mit Vorteilen hinsichtlich der Zellpenetration assoziiert, wodurch es die Wirksamkeit von Cefepim gegen ESBL der Ambler-Klasse A wiederherstellen kann. Exblifep® soll als Pulver für ein Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung mit 2g Cefepim und 0,5g Enmetazobactam erhältlich sein.1-3

 

Das neue Antibiotikum wurde in der randomisierten, kontrollierten und doppelblinden Phase-III-Studie ALLIUM an Erwachsenen mit kompliziertem Harnwegsinfekt einschließlich Pyelonephritis einer Therapie mit Piperacillin-Tazobactam gegenübergestellt. Die 1041 eingeschlossenen Patienten wurden 1:1 randomisiert und erhielten entweder Piperacillin-Tazobactam (4,5 g i.v. alle 8 h) oder Cefepim-Enmetazobactam (2,5 g i.v. alle 8 h) über einen Zeitraum von mindestens 7 bis maximal 14 Tagen. Der primäre Endpunkt war erreicht, wenn die Patienten am 14. Tag nach Beginn der Therapie klinisch geheilt waren und die initiale Bakterienlast im Urin auf < 103 koloniebildende Einheiten/ml gesenkt werden konnte. In die Auswertung des Endpunkts gingen die Ergebnisse von 678 Patienten ein. Dabei erreichten 273 von 345 Patienten unter Cefepim-Enmetazobactam (79,1 %) und 196 von 333 Patienten (58,9 %) unter Piperacillin-Tazobactam den aus klinischer Heilung und mikrobiologischer Eradikation zusammengesetzten Endpunkt. Das neue Antibiotikum erfüllte mit einer Differenz von 21,2 Prozentpunkten (95 % Konfidenzintervall 14,3 % – 27,9 %) die Anforderungen einer Nicht-Unterlegenheit gegenüber Piperacillin-Tazobactam. Bei differenzierter Betrachtung zeigte sich an Tag 14 insbesondere eine signifikant höhere mikrobiologische Eradikationsrate unter Cefepim-Enmetazobactam (82,9 % vs. 64,9 %), während es bei den klinischen Heilungsraten aber keinen signifikanten Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen gab (92,5 % vs. 88,9 %).3

 

Behandlungsbedingte Nebenwirkungen waren im Allgemeinen leicht und traten etwas häufiger unter Cefepim-Enmetazobactam auf. Das Nebenwirkungsprofil des neuen Antibiotikums umfasst am häufigsten Schmerzen und Entzündungen an der Infusionsstelle, Durchfall, Hautausschlag und Kopfschmerzen.1,3

 

Die Kombination von Cefepim mit dem neuen β-Lactamase-Inhibitor Enmetazobactam stellt eine vielversprechende neue Therapieoption bei Infektionen mit ESBL-Bildner dar. In der ALLIUM-Studie waren allerdings insgesamt nur 142 Patienten mit ESBL-bildenden Keimen vertreten, innerhalb derer mehr Patienten unter der neuen Kombination den primären Endpunkt erreichten als unter Piperacillin-Tazobactam. Im Rahmen einer spanischen Untersuchung wurde die Aktivität von Cefepim in Kombination mit verschiedenen neuartigen β-Lactamase-Inhibitoren gegen carbapenemaseproduzierende Enterobacterales-Isolate getestet. Durch die Hinzunahme von Enmetazobactam konnte u.a. eine Verbesserung der Aktivität gegenüber OXA-48-produzierenden Isolaten gezeigt werden, auch wenn diese im Vergleich mit anderen getesteten β-Lactamase-Inhibitoren am geringsten ausfiel.

 

Es sind jedoch noch weitere Daten notwendig, um den zukünftigen Stellenwert und den potenziellen Beitrag zur Einsparung des Carbapenemeinsatzes von Cefepim-Enmetazobactam zu beurteilen. Nach der positiven Stellungnahme des CHMP ist noch die Zustimmung der EU-Kommission für die endgültige Entscheidung über das Inverkehrbringen nötig. 

 

1 European Medicines Agency (EMA). Exblifep-summary of opinion. EMA/CHMP/15483/2024; published online Jan 25, 2024. URL: https://www.ema.europa.eu/en/documents/smop-initial/chmp-summary-positive-opinion-exblifep_en.pdf

2 Papp-Wallace K.M. et al. Beyond piperacillin-tazobactam: cefepime and AAI101 as a potent β-lactam− β-lactamase inhibitor combination. Antimicrob Agents Chemother. 2019;63(5):e00105-19. doi: 10.1128/aac.00105-19

3 Kaye K.S. et al. Effect of cefepime/enmetazobactam vs piperacillin/tazobactam on clinical cure and microbiological eradication in patients with complicated urinary tract infection or acute pyelonephritis: a randomized clinical trial. Jama. 2022;328(13):1304-14. doi: 10.1001/jama.2022.17034

4 Vázquez-Ucha J.C. et al. Assessment of Activity and Resistance Mechanisms to Cefepime in Combination with the Novel β-Lactamase Inhibitors Zidebactam, Taniborbactam, and Enmetazobactam against a Multicenter Collection of Carbapenemase-Producing Enterobacterales. Antimicrob Agents Chemother. 2022;66(2):e0167621. doi: 10.1128/AAC.01676-21
 

13.03.2024

Informationen und Maßnahmen – interregionalen Verbreitung von Vancomycin-resistenten Enterococcus faecium (VRE) in der Schweiz

Am 16. Februar informiert Swissnoso im Namen des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) und in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Gesellschaft für Infektiologie (SSI), der Schweizerischen Gesellschaft für Spitalhygiene (SGSH) und dem Nationalen Referenzlaboratorium zur Früherkennung und Überwachung neuartiger Antibiotikaresistenzen (NARA) über das vermehrte Auftreten und die schnelle interregionale Verbreitung von Vancomycin-resistenten Enterococcus faecium (VRE) vanA ST612 in der Schweiz.


Ein bedeutendes Merkmal dieses VRE vanA ST612 ist die verminderte Empfindlichkeit gegenüber Daptomycin, was die antibiotische Therapie bei einer Infektion beeinträchtigen kann. Bitte beachten Sie die ausführliche Warnung des NARA vom 13. Februar 2024.

 

Zwischen Juli 2022 und Dezember 2023 wurden in fünf Kantonen verwandte Isolate (n = 35) identifiziert. Weitere Isolate mit VRE vanA ST612 wurden im Kanton St. Gallen entdeckt, jedoch steht der genetische Vergleich mit den Ausbruchsisolaten noch aus. Insgesamt wurden 40-50 Patienten identifiziert, hauptsächlich als Träger.


Derzeit liegen nur begrenzte epidemiologische Informationen vor, da die interregionale Verbreitung erst kürzlich erkannt wurde. Angesichts der Ausbreitung dieser eng verwandten Isolate muss davon ausgegangen werden, dass es ein unbekanntes Reservoir gibt.

 

Die vorläufigen Empfehlungen von Swissnoso zum Umgang mit diesem Erreger sind folgend im Detail nachzulesen:

 

Zur Meldung (Stand: 16. Februar 2024)

 

Eine Anpassung der Empfehlungen wird fortlaufend je nach Entwicklung der epidemiologischen Lage angepasst. Bei weiteren Fragen kontaktieren Sie bitte das BAG über media@bag.admin.ch.

 

13.03.2024

Cycloserin und Linezolid bei Tuberkulose-Meningitis

Die Fähigkeit von Antituberkulosemedikamenten, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden und das zentrale Nervensystem zu erreichen, ist entscheidend für ihre Wirksamkeit bei der Behandlung von Tuberkulose-Meningitis (TBM). In einer Studie wurde versucht, eine wichtige Wissenslücke zu schließen und Daten über die Fähigkeit neuer Antituberkulosemedikamente in die Zerebrospinalflüssigkeit (CSF) einzudringen zu erheben.


Von Januar 2019 bis Januar 2020 wurde hierzu eine klinisch-pharmakologische Studie bei Patienten durchgeführt, die in Tiflis, Georgien, wegen TBM behandelt wurden. Serielle Serum- und Liquorproben wurden während des Krankenhausaufenthalts der Patienten entnommen.


Insgesamt wurden 17 wegen TBM behandelte Patienten (8 mit bestätigter Erkrankung) eingeschlossen; alle erhielten Linezolid, ein Teil zusätzlich Cycloserin, Clofazimin, Delamanid und Bedaquilin. Alle Liquormessungen von Bedaquilin, Clofazimin und Delamanid lagen unterhalb der Nachweisgrenze. Die medianen Liquorkonzentrationen von Cycloserin betrugen nach 2 bzw. 6 Stunden 15,90 und 15,10 µg/ml mit einem adjustierten Liquor/Serum-Verhältnis von 0,52 und 0,66. Die Liquorkonzentrationen von Linezolid betrugen 0,90 und 3,14 µg/ml nach 2 bzw. 6 Stunden, mit einem adjustierten Liquor/Serum-Verhältnis von 0,25 bzw. 0,59. Die Liquor-Serum-Konzentrationen von Linezolid wurden durch die gleichzeitige Verabreichung von Rifampin nicht beeinflusst.
 

Folgerung der Autoren

 

Die Studie zeigt eine geringe Liquor-Penetration von Bedaquilin, Clofazimin und Delamanid und im Gegensatz dazu eine mäßige bis hohe Liquor-Penetration von Linezolid bzw. Cycloserin. Die Ergebnisse legen nahe, dass Linezolid und Cycloserin vielversprechende Optionen für die Behandlung von TBM sind, insbesondere bei multiresistenten Isolaten, bei denen ein erfolgreicher Ausgang die seltene Ausnahme ist.
 

Kempker, R. R. et al. Cycloserine and Linezolid for Tuberculosis Meningitis: Pharmacokinetic Evidence of Potential Usefulness. Clin Infect Dis. 2022; 75(4):682-689. doi: 10.1093/cid/ciab992

 

14.02.2024

STIKO – Neue Meningokokken-B-Impfempfehlung für Säuglinge

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt nun die Impfung aller Säuglinge ab dem Alter von 2 Monaten gegen Meningokokken der Serogruppe B (MenB) mit dem Impfstoff 4CMenB (Bexsero). Trotz der Seltenheit invasiver MenB-Erkrankungen ist deren Verlauf oft schwerwiegend, besonders bei Säuglingen und Kleinkindern unter 5 Jahren, mit dem höchsten Risiko im ersten Lebensjahr. Die STIKO schlägt vor, die Impfserie frühzeitig mit drei Dosen nach dem 2+1 Schema zu beginnen: im Alter von 2, 4 und 12 Monaten, ergänzt durch Nachholimpfungen bis zum 5. Geburtstag.

 

Aus Praktikabilitätsgründen soll diese zusätzliche Impfung möglichst zusammen mit anderen, für diesen Zeitpunkt empfohlenen Impfungen erfolgen. Obwohl die Koadministration verschiedener Impfstoffe sicher ist, kann sie zu verstärkten Impfreaktionen wie Fieber oder Schmerzen führen. Besonders der Bexsero-Impfstoff verursacht häufig Fieber, weshalb eine prophylaktische Gabe von Paracetamol bei Kindern unter 2 Jahren empfohlen wird, um Fieber zu vermeiden. Diese Paracetamol-Prophylaxe, die zeitgleich mit der Impfung beginnen sollte, beeinträchtigt nicht die Immunantwort.

 

Die Einführung der MenB-Impfung als Standard für Säuglinge zielt darauf ab, die Zahl invasiver Meningokokken-Erkrankungen zu senken und schwere Erkrankungsfolgen bei Säuglingen und Kleinkindern zu verhindern. Diese Empfehlung erweitert die bisherige Indikationsimpfung für bestimmte Risikogruppen und trägt zum besseren individuellen Schutz bei.

 

Zur Pressemitteilung

 

14.02.2024

RKI – Aufruf zum Melden von Ralstonia pickettii

In Deutschland wurde seit September 2023 eine Zunahme von Ralstonia pickettii-Nachweisen beobachtet, die mit einem nosokomialen Ausbruch in Australien in Verbindung steht. Die Weltgesundheitsorganisation informierte am 12. Dezember 2023 über diesen Ausbruch. R. pickettii, ein Gram-negatives, opportunistisch pathogenes Bakterium, kann vor allem bei Immunsupprimierten und Menschen mit Zystischer Fibrose Infektionen auslösen. Kontaminierte Kochsalzlösungen wurden als Infektionsquelle identifiziert. In Australien wurden über 40 Fälle gemeldet, zurückgeführt auf Kochsalzlösung eines indischen Herstellers, was zu einem Rückruf und Auslieferungsstopp führte. Die Produkte dieses Herstellers sind auch in der EU erhältlich.

 

Die Antibiotika-Resistenz-Surveillance (ARS) registrierte 2023 in Deutschland 20 Fälle von R. pickettii, mit einem deutlichen Anstieg der Nachweise in Blutkulturen von September bis November. Erste Analysen zeigen geringfügige genetische Unterschiede zwischen den deutschen Isolaten und dem australischen Ausbruchsstamm. Eine direkte Verbindung zu den kontaminierten Produkten wurde bisher nicht festgestellt. Die Ermittlungen zu weiteren Fällen und potenzieller Produktkontamination laufen.

 

Es wird gebeten, alle R. pickettii-Nachweise an das zuständige Gesundheitsamt zu melden. Alle R. pickettii-Isolate mit Probenentnahme seit August 2023 sollten zunächst bis einschließlich 31.3.2024 zur Typisierung an das Konsiliarlabor für Mukoviszidose-Bakteriologie am Universitätsklinikum Frankfurt am Main gesendet werden.

 

Mehr erfahren

 

14.02.2024

Hochdosierter dual-antibiotisch beladener Zement für Hüft-Prothesen

Hüftfrakturen sind die häufigsten Frakturen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen. Die Verwendung von Antibiotika-beladenem Knochenzement bei Hüftfrakturen, die mit einer Hemiarthroplastik behandelt werden, ist umstritten. In der nachfolgenden Studie war das Ziel, die Rate der tiefen postoperativen Infektionen bei Patienten zu vergleichen, die einen hochdosierten, mit zwei Antibiotika beladenen Zement im Vergleich zu Standardzement mit nur einem einzigen Antibiotikum erhielten.


In dieser randomisierten Studie wurden Personen im Alter von mindestens 60 Jahren mit einer Hüftfraktur untersucht, die in 26 britischen Krankenhäusern behandelt wurden. Die Patienten, die sich einer zementierten Hemiarthroplastik unterzogen, wurden nach dem Zufallsprinzip im Verhältnis 1:1 entweder einem Standardzement (Heraeus Palacos R+G Zement mit 0,5 g Gentamicin pro 40 g mix Zement,) oder einem hochdosierten, mit zwei Antibiotika beladenen Zement (Heraeus Copal G+C Zement mit 1 g Gentamicin und 1 g Clindamycin pro 40 g mix Zement) zugewiesen. Sowohl die Patienten als auch die Prüfer waren hinsichtlich der Behandlungsgruppe maskiert. Der primäre Endpunkt war eine tiefe postoperative Infektion innerhalb von 90 Tagen nach Randomisierung gemäß der Definition der US-Centers for Disease Control and Prevention in einer randomisierten Population. Sekundäre Endpunkte waren Lebensqualität, Sterblichkeit, Antibiotikaverbrauch, Mobilität und Aufenthaltsstatus am Tag 120.

 

Zwischen August 2018 und August 2021 wurden 4936 Patienten nach dem Zufallsprinzip entweder der Standardversorgung mit einem mit Antibiotika beladenen Zement (2453 Patienten) oder einem hochdosierten, mit zwei Antibiotika beladenen Zement (2483 Patienten) zugewiesen. 38 (1,7 %) von 2183 Patienten mit Follow-up-Daten in der Gruppe mit einfach antibiotisch belastetem Zement hatten bis 90 Tage nach der Randomisierung eine tiefe Infektion der Operationsstelle, ebenso wie 27 (1,2 %) von 2214 Patienten in der Gruppe mit hochdosiertem dual antibiotisch belastetem Zement. Auch bei den sekundären Endpunkten gab es keinen Vorteil für den Dualantibiotika-beladenen Hochdosiszement.  

 

Folgerung der Autoren

 

In dieser Studie führte die Verwendung von hochdosiertem, mit einem dualen Antibiotikum beladenen Zement nicht zu einer Verringerung der Rate tiefer postoperativer Infektionen bei Patienten im Alter von 60 Jahren oder älter, die eine Hemiarthroplastik nach einer intrakapsulären Hüftfraktur erhielten. 

 

Kommentar der Herausgeber

 

Die ist die größte randomisierte Studie zu dieser Fragestellung, die den bisher aus Observationsstudien vermuteten Vorteil des Dualantibiotika-beladenen Hochdosiszements nicht bestätigen kann. Die Power dieser Studie war mit 90 % sehr hoch. Es gab auch keine Unterschiede in den sekundären Endpunkten Mobilität, Mortalität und Lebensqualität. Ob Clindamycin der beste Kombinationspartner in dieser Indikation war, ist allerdings fraglich.

 

Agni, N. R. et al. High-dose dual-antibiotic loaded cement for hip hemiarthroplasty in the UK (WHiTE 8): a randomised controlled trial. Lancet. 2023; 402(10397):196-202.

doi: 10.1016/S0140-6736(23)00962-5

 

17.01.2024

OPS-Codes für Reserveantibiotika

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat kürzlich die finale Version der OPS-Codes 2024 (Operationen- und Prozedurenschlüssel) veröffentlicht.

 

Laut dem BfArM wurden in die aktuelle Ausgabe 160 Anregungen von Kliniken, Krankenkassen, medizinischen Fachgesellschaften sowie vielen weiteren Organisationen im Gesundheitsweisen integriert, unter anderem auch für die Applikation von Reserveantibiotika (6-00g ff.)

 

Eine Übersicht über die Applikation von Medikamenten, unter anderem von Reserveantibiotika, finden Sie hier.

 

17.01.2024

COVID-19 Kompendium (4., erw. u. akt. Auflage)

Download über StreamedUp

 

COVID-19 Erkrankungen weltweit

Website der Johns Hopkins University

 

COVID-19 Erkrankungen in Deutschland (Landkreise)

Website des Robert Koch-Instituts (RKI)

 

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