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Der Ausschuss für Humanarzneimittel bei der europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) hat sich in seiner Sitzung am 12. Oktober 2023 positiv für die Zulassung des neuen Antimykotikums Rezafungin ausgesprochen. Es soll als Orphan Drug unter dem Namen Rezzayo® zur Therapie der invasiven Candidiasis bei Erwachsenen auf den Markt gebracht werden.1
Hefepilze der Gattung Candida, wie Candida albicans, sind Teil des normalen Mikrobioms der Haut und Schleimhäute des Menschen. Verschiedene Faktoren, wie bestimmte Grunderkrankungen, Störungen lokaler Abwehrmechanismen oder Immundefekte können eine übermäßige Vermehrung dieser Pilze auf Haut und Schleimhäuten begünstigen und lokale Infektionen hervorrufen. Ist diese natürliche Barriere allerdings durch Verletzungen gestört oder anderweitig geschwächt, kann eine Candidiasis entstehen, die sich am häufigsten in einer Infektion der Blutbahn (Candidämie) manifestiert, von wo aus sich die Infektion auch auf Organe wie Leber, Niere, Milz oder Augen ausbreiten kann. Diese lebensbedrohlichen systemischen Infektionen stellen insbesondere bei immunsupprimierten sowie kritisch kranken Patienten eine bedeutende Ursache für Morbidität und Mortalität dar. Als Auslöser können neben Candida albicans auch zunehmend Candida parapsilosis und Candida glabrata nachgewiesen werden, die mitunter Resistenzen gegen häufig eingesetzte Antimykotika aufweisen können.2-4
Das in Rezzayo® enthaltene Rezafunginacetat ist ein halbsynthetisches Lipopeptid, das aus einem Fermentationsprodukt von Aspergillus nidulans synthetisiert wird. Es zählt wie auch Caspo-, Anidula- und Micafungin zu der Klasse der Echinokandine, deren Wirkmechanismus auf der selektiven Hemmung des fungalen Enzyms 1,3-β-D-Glucansynthase basiert. Infolge der Enzymhemmung wird die Bildung von 1,3-β-D-Glucan, einem essenziellen Bestandteil der fungalen Zellwand, verhindert und die Zellwand destabilisiert. Dies hat eine schnelle und konzentrationsabhängige fungizide Wirkung gegen Candida-Spezies zur Folge.5
Im Unterschied zu anderen bisher verfügbaren Echinokandinen weist Rezafungin eine deutlich verlängerte Eliminationshalbwertszeit von 152 ± 29 h auf und macht damit eine nur einmal wöchentliche Applikation möglich. Rezzayo® soll in einer Dosierung von 200 mg Rezafungin als Pulver zur Herstellung eines Infusionslösungskonzentrates verfügbar sein. Nach entsprechender Rekonstitution und Verdünnung wird eine Startdosis von 400mg, gefolgt von 200mg wöchentlich, intravenös infundiert.4,5
In der randomisierten, doppelblinden, Phase-III-Studie (ReSTORE) wurde die Nicht-Unterlegenheit von Rezafungin gegenüber Caspofungin untersucht. Zu diesem Zweck wurden 199 Patienten mit bestätigter Candidämie oder bestimmten Formen invasiver Candidiasis eingeschlossen und erhielten entweder einmal wöchentlich Rezafungin (intravenös, Startdosis 400 mg, gefolgt von 200 mg) oder einmal täglich Caspofungin (intravenös, Startdosis 70 mg, gefolgt von 50 mg) über einen Zeitraum von maximal vier Wochen. Wenn es der klinische Zustand des Patienten zuließ, bestand außerdem die Möglichkeit der Step-down-Therapie durch die Umstellung von Caspofungin auf orales Fluconazol 600-800 mg (je nach Creatinin-Clearance), während die Patienten in der Rezafungin-Gruppe Placebo-Kapseln oral erhielten.6
An Tag 14 der Behandlung waren 59 % der Patienten in der Rezafungin-Gruppe und 61 % der Patienten in der Caspofungin-Gruppe geheilt (klinisch, radiologisch und mykologisch) und erreichten damit einen von zwei primären Endpunkten. Auch die 30-Tage-Gesamtmortalität war als weiterer primärer Endpunkt in beiden Gruppen vergleichbar: 24 % der Rezafunginpatienten und 21 % der Caspofunginpatienten waren verstorben oder der Überlebensstatus unbekannt. Die Ergebnisse der Rezafungintherapie waren hinsichtlich beider primären Endpunkte mit der Caspofungintherapie vergleichbar und damit nicht unterlegen.6
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen (> 10 %) unter der Anwendung von Rezafungin waren Hypokaliämie, Fieber und Diarrhoe.5,6
Das neue Echinokandin Rezafungin bietet als strukturelle Weiterentwicklung von Anidulafungin verbesserte Stabilitätseigenschaften sowie einige pharmakologische Vorteile, u. a. die Möglichkeit einer nur einmal wöchentlichen Applikation. Für die Zulassung in Europa ist noch die Entscheidung der Europäischen Kommission nötig. In den USA ist Rezafungin seit März 2023 zur Anwendung bei Candidämie und invasiver Candidose zugelassen.
1 European Medicines Agency (EMA). Rezzayo – summary of opinion. EMA/448724/2023; published online Oct 12, 2023. URL: https://www.ema.europa.eu/en/documents/smop-initial/chmp-summary-positive-opinion-rezzayo_en.pdf
2 Robert Koch Institut (RKI). Mykosen (Pilzinfektionen) – Candidiasis; published online Jun 13, 2023.
URL: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/P/Pilzinfektionen/Candida_spp.html [09.11.2023]
3 Nationales Referenzzentrum für Invasive Pilzinfektionen. Invasive Mykosen – Invasisve Candidiasis.
URL: https://www.nrz-myk.de/invasive-candidiasis.html [09.11.2023]
4 Groll, A.H. et al. S1 Leitlinie Diagnose und Therapie von Candida Infektionen: Gemeinsame Empfehlungen der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft (DMykG) und der
Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie (PEG) ICD 10: B37.-. Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften eV, 2020. URL: https://register.awmf.org/assets/guidelines/082-005l_S1_Diagnose-Therapie-Candida-Infektionen_2020-09.pdf
5 U.S. Food & Drug Administration (FDA). Rezzayo (Rezafungin for injection). Full Prescribing Information; published online Mar, 2023.
URL: https://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/label/2023/217417s000lbl.pdf
6 Thompson, G. R. et al. Rezafungin versus caspofungin for treatment of candidaemia and invasive candidiasis (ReSTORE): a multicentre, double-blind, double-dummy, randomised phase 3 trial.
Lancet 2023; 401(10370):49-59. doi: 10.1016/S0140-6736(22)02324-8
15.11.2023
Neben den bekannten schweren Krankheitsverläufen von Respiratory Syncytial Virus (RSV)-Infektionen bei Neugeborenen, Säuglingen und Kleinkindern verursacht RSV insbesondere bei Älteren und bei Menschen mit Immunsuppression, mit hämato-onkologischen Erkrankungen, chronischen Lungenerkrankungen oder kardiovaskulären Erkrankungen eine relevante Morbidität und Mortalität. Im Juni und im August 2023 wurden erstmals wirksame Impfstoffe gegen RSV von der European Medicines Agency (EMA) für die EU zugelassen. Die Zulassungsstudien zeigten eine sehr hohe Effektivität der Impfung in Bezug auf die Verhinderung von schweren RSV-assoziierten Atemwegsinfektionen. Entsprechend der Zulassungsstudien ist die Anwendung auf Personen im Alter von ≥ 60 Jahren beschränkt.
Unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie haben verschiedene Fachgesellschaften folgendes Positionspapier zur RSV-Impfung publiziert und empfehlen die Impfung entsprechend
der Zulassung bei Älteren > 60 Jahre. Darüber hinaus empfiehlt das Positionspapier nach individueller Beratung den Einsatz der Impfung bei Erwachsenen jeden Alters mit schweren pulmonalen oder
kardiovaskulären Vorerkrankungen und bei Erwachsenen mit einer deutlichen Einschränkung der Immunabwehr. Eine Kostenübernahme kann individuell bei der zuständigen Krankenkasse beantragt
werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie hatte bereits im August ein Positionspapier für Patienten mit hämatologischen und/oder onkologischen Erkrankungen ab 18 Jahre veröffentlicht, das den off label Einsatz dieser Vakzine empfiehlt.
Die STIKO wird sich in den nächsten Monaten mit diesen Impfstoffen befassen, eine Empfehlung für die kommende Saison ist allerdings nicht mehr zu erwarten. Insofern können dieses Positionspapier eine mögliche Grundlage für den Schutz individueller Hochrisikopatienten bereits in dieser Infektionssaison dienen.
Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e.V. Positionspapier zur RSV-Schutzimpfung bei besonders gefährdeten Patientinnen und Patienten; published online first Nov 2,
2023.
URL: https://www.pneumologie.de/storage/app/uploads/public/654/231/5d4/6542315d4db67032864384.pdf [14.11.2023]
Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und medizinische Onkologie, Empfehlung zur RSV-Schutzimpfung bei immundefizienten Patientinnen und Patienten mit hämatalogischen und/oder onkologischen
Erkrankungen; published online first Aug 15, 2023.
URL: https://www.dgho.de/aktuelles/news/news/2023/download/rsv-impfung-20230815.pdf
[14.11.2023]
15.11.2023
Die Prognose der Sepsis korreliert mit der Angemessenheit der Antibiotikatherapie in der Frühphase. Diese Angemessenheit hängt vom Spektrum der antibakteriellen Wirkung, dem Resistenzprofil der Bakterien und der Dosierung des Antibiotikums ab. Die optimale Wirksamkeit von β-Lactam Antibiotika erfordert Konzentrationen für die längst mögliche Zeit über die minimale Hemmkonzentration (MHK) der Zielbakterien. Eine septische akute Nierenverletzung (acute kidney injury, AKI) ist das häufigste AKI-Syndrom auf der Intensivstation und erfordert häufig die Einleitung einer Nierenersatztherapie (renal replacement therapy, RRT). Sowohl eine schwere AKI als auch eine RRT können die Antibiotika-Konzentrationen außerhalb des Zielbereichs erhöhen und letztlich die Prognose des Patienten verändern.
In einer Sekundäranalyse einer randomisierten kontrollierten Studie wurde bei kritisch kranken Patienten mit schwerer AKI (definiert nach KDIGO 3) eine frühe RRT-Einleitungsstrategie mit einer
verzögerten Strategie verglichen. Es wurden β-Lactam Talspiegel zwischen den beiden RRT-Einleitungsstrategien verglichen. Der primäre Endpunkt war der Anteil der Patienten mit ausreichenden β-Lactam
Talspiegeln, definiert als ein Talspiegel über dem Vierfachen der MHK. Es wurde die Hypothese aufgestellt, dass ein frühzeitiger Beginn der RRT im Vergleich zur verzögerten Strategie mit
unzureichenden Antibiotika Talspiegeln verbunden sein könnte.
Es wurden insgesamt 112 Patienten in die Analyse eingeschlossen: 53 in der frühen Gruppe und 59 in der verzögerten Gruppe. 83 Patienten (74 %) hatten bei der Aufnahme einen septischen Schock. Die
Tal-Spiegel der β-Lactame lagen bei 80,4 % in der gesamten Population über dem 4-fachen des MHK-Grenzwerts ohne Unterschiede zwischen der frühen und der verzögerten Gruppe (79,2 % vs. 81,4 %, p =
0,78). In der multivariaten Analyse waren das Vorhandensein eines septischen Schocks und ein höherer mittlerer arterieller Druck signifikant mit einer höheren Wahrscheinlichkeit ausreichender
Antibiotika-Talspiegel assoziiert. Die Dynamik des Procalcitonin-Spiegels, die Anzahl der katecholaminfreien Tage und die Mortalität unterschieden sich nicht, unabhängig davon, ob die β-Lactam
Talspiegel das 4-fache der MHK überstiegen oder nicht.
Folgerung der Autoren
In dieser Sekundäranalyse hatte die Strategie zur Einleitung einer Nierenersatztherapie keinen signifikanten Einfluss auf die β-Lactam-Plasmakonzentration bei Intensivpatienten mit schwerer AKI. Das Vorhandensein eines septischen Schocks bei Studieneinschluss war die Hauptvariable, die mit ausreichenden β-Lactam-Konzentrationen verbunden war.
Roux, D. et al. Impact of renal replacement therapy strategy on beta-lactam plasma concentrations: the BETAKIKI study – an ancillary study of a randomized controlled trial. Ann Intensive Care
2023; 13, 11.
doi: 10.1186/s13613-023-01105-0
18.10.2023
Bislang gestalteten sich die Pneumokokken-Impfempfehlungen komplex. Der Standardimpfstoff für Personen über 60 Jahre und Erwachsene mit Komorbiditäten war die 23-valente Polysaccharid-Vakzine. Allerdings wurde für immunsupprimierte Patienten, Patienten mit Leberzirrhose, Niereninsuffizienz sowie Patienten mit Liquorfistel und Cochlea-Implantat, eine sequenzielle Impfung empfohlen. Diese beinhaltete zunächst die 13-valente Konjugat-Vakzine, gefolgt von der 23-valenten Polysaccharid-Vakzine.
Die komplexe Empfehlung ergab sich aus der Tatsache, dass die Konjugat-Vakzine im Gegensatz zur Polysaccharid-Vakzine eine T-Zellantwort und die Bildung von Gedächtniszellen induziert, jedoch nur 13 Serotypen abdeckt. Zusätzlich war die Wirksamkeit der alleinigen Polysaccharid-Vakzine gegen nicht bakteriämische Pneumokokken-Pneumonie und bei immunsupprimierten Personen umstritten.
In jüngster Zeit steht eine 20-valente Konjugat-Vakzine für Erwachsene zur Verfügung, deren Unterschied in der Serotypenabdeckung gegenüber der 23-valenten Polysaccharid-Vakzine nur noch marginal ist. Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat diese Vakzine nun bewertet und als Standardimpfung, als Indikations- und berufliche Impfung (Metallrauchexposition bei z.B. Schweißern und Gießern) empfohlen. Die 20-valente Konjugat-Vakzine wird somit die bisherige Polysaccharid-Vakzine und die 13-valente Konjugat-Vakzine beim Erwachsenen ersetzen.
Diese neue Empfehlung vereinfacht die Impfung erheblich und wird zweifellos zu höheren Impfquoten und einem ausgezeichneten Schutz führen. Wir hoffen nun, dass der Gemeinsame Bundesausschuss zeitnah zu dieser Empfehlung Stellung bezieht, um die Impfungen noch vor Beginn des Winters durchführen zu können.
18.10.2023
Wie verändert sich das Influenza-Virus? Die eindrückliche Animation zeigt die Veränderung von Viren durch Antigen-Drift und Antigen-Shift. Letzterer hat weitaus tödlichere Konsequenzen für den Menschen.
18.10.2023
Die Influenza-Impfung wird für Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) aufgrund der krankheitsbedingten Immunstörung und der therapiebedingten Immunsuppression dringend empfohlen. In einer multizentrischen, randomisierten Studie wurde untersucht, ob das Absetzen von Methotrexat (MTX) für eine Woche nach der saisonalen Grippeimpfung dem Absetzen für zwei Wochen nach der Impfung bei Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA) nicht unterlegen ist. RA-Patienten, die eine stabile Dosis MTX erhielten, wurden in einem Verhältnis von 1:1 randomisiert und MTX für eine Woche oder für zwei Wochen abgesetzt, nachdem sie den quadrivalenten saisonalen Influenza-Impfstoff 2021-2022 erhalten hatten. Der primäre Endpunkt war der Anteil der Patienten mit einer zufriedenstellenden Impfantwort. Diese wurde als ≥ 4-facher Anstieg der Antikörpertiter gegen ≥ 2 der vier Impfstämme vier Wochen nach der Impfung definiert. Die modifizierte Intent-to-Treat-Population umfasste 90 Patienten mit 1-wöchiger MTX-Pause und 88 Patienten mit einer 2-wöchigen MTX-Pause. Die mittlere MTX-Dosis (Mittelwert) betrug 12,6 ± 3,4 mg/Woche in der Gruppe mit 1-wöchiger Pause und 12,9 ± 3,3 mg/Woche in der Gruppe mit 2-wöchiger Pause. Der Anteil der zufriedenstellenden Impfantworten unterschied sich nicht signifikant zwischen den Gruppen (68,9 % gegenüber 75,0 %; P = 0,364). Die Seroprotektionsrate und der Anstieg der Antikörpertiter für jedes der vier Influenza-Antigene waren in den beiden Gruppen ähnlich.
Folgerung der Autoren
Die Studie umfasste leider keine Gruppe von RA-Patienten, die nach der Impfung weiterhin MTX ohne Pause erhielten. Die durchschnittliche MTX-Dosis in dieser Studie betrug ~ 13 mg/Woche, was unter
der empfohlenen Höchstdosis von 25 mg/Woche liegt. Schließlich sind weitere Studien erforderlich, um festzustellen, ob diese neuartige Strategie auch auf andere Impfungen mit anderen Mechanismen, wie
z. B. mRNA oder vektorbasierte Impfstoffe angewendet werden kann.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein vorübergehendes Absetzen von MTX für eine Woche dem Absetzen von MTX für zwei Wochen nach der Grippeimpfung nicht unterlegen ist, um eine zufriedenstellende
Impfantwort auf einen saisonalen Grippeimpfstoff bei Patienten mit RA zu induzieren.
Kommentar der Herausgeber
Aus dieser Studie lässt sich eine einfach in die Praxis umzusetzende Empfehlung ableiten: MTX nur 1 Woche nach Influenzaimpfung für eine adäquate Impfreaktion zu pausieren. Die von den Autoren genannten Limitationen und damit zukünftigen Studienideen unterstützen wir sehr.
Park, J. K. et al. A Multicenter, Prospective, Randomized, Parallel-Group Trial on the Effects of Temporary Methotrexate Discontinuation for One Week Versus Two Weeks on Seasonal Influenza Vaccination in Patients With Rheumatoid Arthritis. Arthritis Rheumatol 2022; 75(2):171-177. doi: 10.1002/art.42318
20.09.2023
Der monoklonale Antikörper Palivizumab (Synagis®) stellte für mehr als 20 Jahre die einzige in Europa zugelassene medikamentöse Option zur Prävention von durch RSV verursachten Erkrankungen der unteren Atemwege bei Kindern mit bestimmten Vorerkrankungen dar. Erst kürzlich wurde nun der erste Impfstoff zugelassen, der durch die Impfung der schwangeren Mütter die Neugeborenen direkt ab der Geburt für mindestens 6 Monate vor schweren RSV-Erkrankungen schützt. Gleichzeitig ist pünktlich zur kommenden RSV-Saison mit Beyfortus® (Nirsevimab) auch ein weiterer monoklonaler Antikörper zur passiven Immunisierung verfügbar.1
Nirsevimab ist ein rekombinanter, humaner monoklonaler IgG1K-Antikörper, der gegen die Präfusionskonformation des RSV-Fusionsoberflächenproteins gerichtet ist. Dieses Protein ist beim natürlichen Virus unerlässlich für die Infektion des Körpers, da es die Fusion mit den menschlichen Epithelzellen der Schleimhäute der Atemwege ermöglicht. Durch die Bindung an das RSV-Fusionsprotein in seiner Präfusionskonformation wird der entscheidende Membranfusionsschritt blockiert und damit der Eintritt in die Wirtszelle verhindert. Eine Modifizierung in der Fc-Region des Antikörpers ermöglicht eine Verlängerung der Halbwertszeit des Antikörpers, sodass die schützende Wirkung nach einer Einmalgabe mindestens 5 Monate anhält.1,2
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Beyfortus® wurde in zwei randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studien bei gesunden Neugeborenen und Frühgeborenen (Gestationsalter ≥ 29 Wochen) zu Beginn ihrer ersten RSV-Saison untersucht. In der MELODY-Studie erhielten insgesamt 1490 Neugeborene und späte Frühgeborene (Gestationsalter ≥ 35 Wochen) im Verhältnis 2:1 entweder einmalig Nirsevimab (50 mg bzw. 100 mg je nach Körpergewicht) oder Placebo. Die Ergebnisse zeigten, dass Nirsevimab in einem Zeitraum von 150 Tagen nach Applikation der Einzeldosis im Vergleich zu Placebo signifikant wirksamer in der Verhinderung medizinisch behandelter RSV-bedingter Infektionen der unteren Atemwege war (Wirksamkeit 74,5 %; 95 % Konfidenzintervall; 49,6-87,1).1,2
Die Sicherheit von Nirsevimab wurde zudem in der MEDLEY-Studie untersucht, in die auch Säuglinge bzw. Kleinkinder mit chronischen Lungenerkrankungen oder angeborenen Herzfehlern sowie Frühgeborene
eingeschlossen wurden. Die 925 Säuglinge/Kleinkinder erhielten im Verhältnis 2:1 entweder eine körpergewichtsadaptierte intramuskuläre Einmaldosis Nirsevimab oder 5 monatliche intramuskuläre
Injektionen von 15 mg/kg Palivizumab. Die Inzidenz von medizinisch behandelten RSV-bedingten Infektionen betrug bis 150 Tage nach der Anwendung 0,6 % (4/616) in der Nirsevimab-Gruppe und 1,0 %
(3/309) in der Palivizumab-Gruppe. Bei diesen Patienten mit einem hohen Risiko für schwere RSV-Erkrankungen war das Sicherheitsprofil von Nirsevimab ähnlich wie das von
Palivizumab.1,3
Insgesamt trat in den Studien als häufigste Nebenwirkung bei 0,7 % der behandelten Kinder ein Hautausschlag auf, gefolgt von Pyrexie (0,6 %) und Reaktionen an der Einstichstelle (0,4
%).1
Der neue Antikörper Nirsevimab bringt im Vergleich zum altbekannten Palivizumab den Vorteil der einmaligen Anwendung mit sich. Außerdem kann Nirsevimab laut Zulassung nicht nur bei Hochrisikokindern,
sondern auch bei gesunden Frühgeborenen, Säuglingen und Kleinkindern eingesetzt werden. Die S2k-Leitlinie „Prophylaxe von schweren Erkrankungen durch Respiratory Syncytial Virus (RSV) bei
Risikokindern“ war bis August 2023 gültig und befindet sich derzeit in Überarbeitung. Es bleibt abzuwarten, welchen Stellenwert der neue Antikörper langfristig einnehmen wird, insbesondere vor dem
Hintergrund des seit kurzem verfügbaren Impfstoffes Abrysvo®. Dieser wurde erfolgreich an Schwangeren getestet. Durch die dadurch induzierte maternale Immunität, sind Neugeborene unmittelbar ab der
Geburt vor RSV geschützt.
1 Fachinformation Beyfortus® (Nirsevimab). AstraZeneca
AB, Stand 06/2023.
2 Hammitt, L. L. et al. Nirsevimab for prevention of RSV in healthy late-preterm and term infants. N Engl J Med 2022; 386(9):837-846. doi: 10.1056/NEJMoa2110275
3 Domachowske, J. et al. Safety of Nirsevimab for RSV in Infants with Heart or Lung Disease or Prematurity. N Engl J Med 2022; 386(9):892-894. doi: 10.1056/NEJMc2112186
20.09.2023
Immer gut dokumentieren: Arzt und Rechtsanwalt Professor Alexander Ehlers äußert sich zum Wirtschaftlichkeitsgebot bei COVID-Impfungen und inwieweit impfende Ärzt:innen befürchten müssen, in Regress genommen zu werden, je nachdem welchen Impfstoff sie bestellen.
20.09.2023
Im Einklang mit den Erklärungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben das europäische Zentrum für Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) gemeinsame Empfehlungen zum Einsatz angepasster COVID-19-Impfstoffe in der kommenden Herbst- und Wintersaison 2023/24 veröffentlicht.1
Hintergrund ist die weiterhin stetige Veränderung des SARS-CoV-2-Virus und der damit einhergehenden verminderten Immunantwort. Das trifft vor allem auf die seit 2022 dominierenden
Omikron-Subvarianten zu, bei denen auf Grund zahlreicher Mutationen im Spike-Protein die durch eine frühere Impfung und/oder Infektion gebildeten Antikörper nicht mehr an das mutierte Protein binden
können. In diesem Zuge erfolgte bereits im Herbst letzten Jahres die Entwicklung neuer Impfstoffe, die u.a. die Omikron-Subvarianten BA.4/5 oder BA.1 umfassten. Auch wenn die derzeit verfügbaren
Impfstoffe weiterhin vor schweren Krankheitsverläufen schützen, nimmt die Schutzwirkung ab, je stärker sich das neue mutierte Virus immunologisch von den in den Impfstoffen enthaltenen Stämmen
unterscheidet.1,2
Die aktuell weltweit vorherrschende Omikron-Variante XBB.1.5. unterscheidet sich hinsichtlich der Antigene deutlich von den Ursprungsvarianten. Um zukünftig einen ausreichenden Schutz gegen aktuelle
und neu auftretende Stämme zu erreichen, könnten monovalente XBB-haltige Impfstoffe die Breite der Immunität auch gegen die von XBB abstammenden Linien erhöhen. Laut Angaben der WHO zeigen
präklinische Daten der Impfstoffhersteller, dass Impfstoffkandidaten, die von der XBB.1-Linie abstammen (einschließlich XBB.1.5) im Vergleich zu derzeit zugelassenen Impfstoffen stärkere
neutralisierende Antikörperreaktionen auf die aktuell zirkulierenden SARS-CoV-2-Varianten hervorrufen.3 Solche monovalenten Impfstoffe könnten sowohl für Auffrischimpfungen in diesem
Herbst als auch für die Grundimmunisierung naiver Personen (z.B. Kinder unter 5 Jahren) eingesetzt werden.1
Zum jetzigen Zeitpunkt ist noch keiner dieser angepassten Impfstoffe in Europa zugelassen, allerdings haben einige bekannte Impfstoffhersteller bereits Zulassungsanträge eingereicht. BioNtech und
Pfizer planen ihren neuen monovalenten mRNA-Impfstoff unter dem Namen „Comirnaty Omikron XBB.1.5“ zur Anwendung bei Personen ab 6 Monaten auf den Markt zu bringen. Die beiden Unternehmen gehen davon
aus, die Impfdosen unmittelbar nach Erteilung der Zulassung an die EU-Mitgliedsstaaten ausliefern zu können.4 Nur kurze Zeit später gab auch der Hersteller Moderna an, den Zulassungsantrag
für einen an XBB.1.5 angepassten mRNA-Impfstoff bei der EMA eingereicht zu haben, der vorbehaltlich der Zulassungserteilung rechtzeitig zur kommenden Impfsaison zur Verfügung stehen soll.5
Auch ein angepasster, proteinbasierter Impfstoffkandidat des Herstellers Novavax soll bereits in diesem Herbst eingesetzt werden können.6
Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt, nach Aufbau einer Basisimmunität, bestimmten Personengruppen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren COVID-19-Verlauf, weitere Auffrischimpfungen
im Herbst im Abstand von 12 Monaten oder mehr zum letzten Antigenkontakt. Dafür soll vorrangig ein zugelassener Varianten-adaptierter Impfstoff eingesetzt werden.7 Weitere konkrete
COVID-19-Impfempfehlungen für die kommende Saison werden von den nationalen Institutionen in Deutschland, Österreich und Schweiz nach Zulassung der ersten angepassten Impfstoffe erwartet.
Es wird davon ausgegangen, dass es zukünftig auch bei den COVID-19-Impfstoffen in regelmäßigen Abständen Empfehlungen zu möglicherweise notwendigen Anpassungen der Impfstoffzusammensetzung geben
wird, ähnlich wie bei den jährlichen Impfungen gegen Influenza.1
1 ECDC and EMA. ECDC-EMA statement on updating COVID-19 vaccines composition for new SARS-CoV2 virus variants. EMA/257222/2023; published online Jun 6, 2023.
URL: https://www.ema.europa.eu/en/documents/other/ecdc-ema-statement-updating-covid-19-vaccines-composition-new-sars-cov-2-virus-variants_en.pdf [17.08.2023]
2 Hein, S. et al. The fourth vaccination with a non-SARS-CoV-2 variant adapted vaccine fails to increase the breadth of the humoral immune response. Sci Rep 2023; 13(1):10820. doi:
10.1038/s41598-023-38077-x
3 WHO. Statement on the antigen composition of COVID-19 vaccines; published online May 18, 2023.
URL: https://www.who.int/news/item/18-05-2023-statement-on-the-antigen-composition-of-covid-19-vaccines [17.08.2023]
4 Pfizer und BioNtech. Pfizer und BioNTech starten Einreichungsprozess zur Zulassung eines an Omikron XBB.1.5 angepassten monovalenten COVID-19-Impfstoffs bei der Europäischen
Arzneimittel-Agentur. Pressemitteilung; published online Jun 23, 2023.
URL: https://investors.biontech.de/de/node/15236/pdf [17.08.2023]
5 Moderna. Einreichung durch Moderna: variantenangepasster COVID-19-Impfstoff im EU-Zulassungsverfahren. Pressemitteilung; published online Jul 3, 2023. URL: https://assets.modernatx.com/m/37f0a6072363fe75/original/Moderna_Pressemitteilung_COVID-19_EMA-Einreichung_230703.pdf [17.08.2023]
6 Novavax. Novavax Prepared to Deliver Protein-based Monovalent XBB COVID Vaccine Consistent with FDA VRBPAC Recommendation for the Fall. Press release; published online Jun 15, 2023. URL:
https://ir.novavax.com/press-releases/2023-06-15-Novavax-Prepared-to-Deliver-Protein-based-Monovalent-XBB-COVID-Vaccine-Consistent-with-FDA-VRBPAC-Recommendation-for-the-Fall
[17.08.2023]
7 Robert Koch Institut. Implementierung der COVID-19- Impfung in die allgemeinen Empfehlungen der STIKO 2023. Epidemiologisches Bulletin 2023; (21). Stand 16.08.2023.
23.08.2023
Mit dem Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystem für den Infektionsschutz (DEMIS) wird derzeit ein bundesweit einheitliches und umfassendes System für die Überwachung für den Infektionsschutz geschaffen. Daten zum Infektionsgeschehen werden mit Hilfe von DEMIS zeitnah, vollständig und valide erfasst und analysiert, sodass Maßnahmen des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) zur Prävention und Eindämmung von Infektionskrankheiten schneller ergriffen werden können. Eine Kernfunktion von DEMIS stellt die medienbruchfreie, elektronische Meldung gemäß Infektionsschutzgesetz durch alle Melder dar. Die Meldung erfolgt entweder (teil-)automatisiert über die IT-Systeme der Meldepflichtigen (via FHIR-Schnittstelle) oder über das DEMIS-Meldeportal.
Die Anbindung der Labore an die DEMIS-Infrastruktur ist seit 01.01.2021 gesetzlich verpflichtend (vgl. § 14 Abs. 8 IfSG). Informationen zu meldepflichtigen Erregernachweisen gemäß § 7 Abs. 1 IfSG konnten die Labore bis dato allerdings ausschließlich (teil-)automatisiert über die FHIR-Schnittstelle an die Gesundheitsämter melden. Für jene Meldungen über die Schnittstelle müssen laborseitig technische Anpassungen an der lokalen Software bzw. den Laborinformationssystemen (LIS) vorgenommen werden, deren Implementierung teilweise mit hohen Kosten verbunden ist.
Am 26.07.2023 wurde nun eine zweite technische Lösung zur elektronischen Meldung via DEMIS für Labore zur Verfügung gestellt. Das DEMIS-Meldeportal, das vorher nur für die Meldung von SARS-CoV-2- Schnelltestergebnissen genutzt werden konnte, wurde um fast alle Erreger, die nach § 7 Abs. 1 IfSG meldepflichtig sind, erweitert. Somit steht nun auch eine kostenfreie Lösung zur Meldung gemäß § 14 Abs. 1 IfSG, insbesondere für Wenigmelder, zur Verfügung. Der Start war erfolgreich, sodass nach zehn Tagen bereits 26 Meldungen zu insgesamt zehn verschiedenen Meldetatbeständen aus 14 verschiedenen Krankenhäusern eingegangen sind. Die häufigsten Meldungen gingen hierbei für Nachweise des Hepatitis-B-Virus und Campylobacter spp. ein. Auf der DEMIS-Wissensdatenbank werden den Laboren Informationen zur Nutzung des Meldeportals zur Verfügung gestellt. Das DEMIS-Meldeportal lenkt durch ein mehrseitiges Menü, in dem Angaben zur meldenden Einrichtung und zur betroffenen Person gemacht werden müssen. Detaillierte Angaben zu den Erregernachweisen – zur nachgewiesenen Erregerspezies sowie Material und Methoden – werden über eine Drop-Down-Auswahl zur Verfügung gestellt.
Mittelfristig wird das DEMIS-Meldeportal noch um weitere Funktionalitäten ergänzt: u. a. Implementierung fehlender Erregernachweise gemäß § 7 Abs. 1 IfSG, Umsetzung der bundeslandspezifischen meldepflichtigen Erreger (z.B. Borrelia burgdorferi spp.), die Meldung von Antibiogrammen sowie Meldungen gemäß §§ 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1a IfSG.
Zurzeit ist das DEMIS Meldeportal nur für Leistungserbringer mit Zugang zur Telematikinfrastrukur (TI) erreichbar. Im Winter 2023/2024 soll das DEMIS-Meldeportal dann auch im Internet verfügbar gemacht werden und – mittels Anbindung an das Onlinezugangsgesetz (OZG) – einem breiteren Nutzerkreis (Kitas, Schulen, etc.) zugänglich gemacht werden.
Krause, D. & Sievers, C. (FG 32)
RKI NEWS – Hausmitteilungen des Robert Koch-Instituts 2023, Ausgabe 16.
23.08.2023
Die DGI hat ein Positionspapier zur Infektiologie in der stationären Versorgung publiziert. Darin wird verdeutlicht, dass eine gezielte infektiologische Fachkompetenz die Qualität der Krankenhausbehandlung von Patienten mit Infektionskrankheiten erheblich steigert. Die neu eingeführte medizinische Spezialisierung "Innere Medizin und Infektiologie" ermöglicht nun auch in Deutschland den Zugang zu diesem Expertenwissen. Das Positionspapier skizziert Ansätze zur Optimierung der strukturellen Integration der Infektiologie und etabliert eine eigenständige Leistungsgruppe innerhalb der Kliniken auf den Stufen 2 und 3.
23.08.2023
Dr. Frank Schreiber ist Experte für Biozidresistenz an der Bundesanstalt für Materialforschung und -testung (BAM). Im heutigen Video berichtet er vor dem One-Health-Hintergrund über Resistenzen von Bakterien gegen Biozide.
23.08.2023
Das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) warnt, dass während der Sommermonate wiederholt Ausbrüche des Vogelgrippevirus auftreten, die zu einem Massensterben von Meeresbrütern, einschließlich Möwen, führt. Es wird erwartet, dass die menschliche Bevölkerung vermehrt mit kranken oder toten Vögeln und Säugetieren in Kontakt kommt.
Eine Übertragung auf den Menschen kann nicht ausgeschlossen werden, wenn die Vogelgrippe in Wildvögeln und Säugetieren im Umlauf ist und der Mensch ihr direkt ohne Schutzausrüstung ausgesetzt ist. Es
wird angenommen, dass es während der Sommermonate nur sehr wenige Infektionen mit saisonalen Influenzaviren gibt und nur wenige Patienten mit schweren Erkrankungen durch das saisonale Influenzavirus
ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Um sporadische schwere Humaninfektionen mit dem Vogelgrippevirus in Krankenhäusern zu erkennen, wird folgender Ansatz vorgeschlagen:
26.07.2023
Die Gesundheitsversorgung wird noch einige Jahre lang unter einer Belastungsprobe stehen, weil SARS-CoV-2 als nosokomialer Erreger weiterhin zirkulieren wird und es einen Rückstau von Patienten gibt, die auf verspätete elektive Eingriffe warten. Diese Belastungen wird vor allem den Einsatz der ambulanten parenteralen Antibiotikatherapie (Outpatient Parenteral Antimicrobial Therapy, OPAT) vorantreiben, die zunehmend resistente Gram-negative Opportunisten behandeln wird. In der nachfolgenden Studie wurde die Wirksamkeit von Ertapenem/Zidebactam (Verabreichung 2 + 2 g / 24 Std.) untersucht.
Die in dieser Publikation getesteten Enterobacterales waren an die UKHSA Antimicrobial Resistance and Healthcare-Associated Infections Reference Unit zwischen Juli 2015 und Juli 2016 gesandt worden.
Über 90 % der E. coli mit AmpC-, ESBL-, KPC-, Metallo- oder OXA-48-Carbapenemasen wurden durch Ertapenem/Zidebactam 1:1 bei dem derzeitigen Ertapenem-Breakpoint von 0,5 mg/L gehemmt.
Ertapenem allein hemmte dagegen nur 60,0 % - 68,1 % der ESBL und AmpC produzierenden E. coli und nur 2,8 %- 25 % der Carbapenemase-produzierenden E. coli. Zwischen 65 % bis 90 % der
anderen wichtigen Enterobacterales wurden durch Ertapenem/Zidebactam bei 0,5 mg/L gehemmt, jedoch deutlich weniger MBL-produzierende K. pneumoniae/oxytoca (12,4 %), Ceftazidime-resistente
K. pneumoniae/oxytoca mit Oxa-48 ähnlichen Enzymen (41,6 %), MBL und Oxa-48 produzierende Enterobacterales (8,3 %). Tierstudien stützen jedoch einen Breakpoint von 8 mg/L für
Ertapenem/Zidebactam, der darauf beruht, dass eine verkürzte T > MIC im Vergleich zu Ertapenem allein erforderlich ist. Auf dieser Grundlage würde Ertapenem/Zidebactam gegen 90 % bis 100 % der
Isolate in allen Gruppen mit Ausnahme von K. pneumoniae/oxytoca mit MBL (± OXA-48) als wirksam gelten, bei denen die MHKs und die prozentualen Empfindlichkeiten erheblich variieren.
Schlussfolgerung der Autoren
Ertapenem/Zidebactam hat ein vorgeschlagenes einmal tägliches Schema, das sich gut für OPAT eignet. Selbst bei sehr konservativen Breakpoint-Prognosen hat es Potenzial gegen MDR-E. coli, einschließlich Metallo-Carbapenemase-Produzenten. Wenn die Studiendaten den in Tierversuchen ermittelten Breakpoint von 8 mg/L bestätigen, wird sich sein Potenzial weit über Infektionen durch ESBL, AmpC- und Carbapenemase-produzierende Enterobacterales erstrecken.
Kommentar der Herausgeber
Diese Kombination aus hochdosiertem Ertapenem plus dem Diazabicyclooctan Zidebactam könnte nicht nur im OPAT-Bereich eine wichtige Rolle spielen.
Mushtaq, S. et al. Activity of ertapenem/zidebactam (WCK 6777) against problem Enterobacterales. J Antimicrob Chemother 2022; 77(10): 2772–2778.
doi: 10.1093/jac/dkac280
26.07.2023
Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat unter dem Namen XACDURO ein neues Antibiotikum zur Behandlung nosokomialer Pneumonien (HABP) und beatmungsassoziierter Pneumonien (VABP) zugelassen, die durch Bakterien des Acinetobacter baumannii-calcoaceticus-Komplex (ABC-Komplex) verursacht werden.1,2
Unter dem ABC-Komplex werden Acinetobacter baumannii (A. baumannii) und humanpathogene Verwandte aus der Familie der Acinetobacter zusammengefasst, die schwerwiegende nosokomiale Infektionen verschiedener Körperteile verursachen können, darunter vor allem bakterielle Pneumonien wie HABP und VABP. Besonders bedrohlich ist die Eigenschaft von A. baumannii durch diverse intrinsische als auch erworbene Resistenzmechanismen gegenüber multiplen Antibiotika resistent zu werden, was sich in einer weltweiten Zunahme an multirestenten A. baumannii niederschlägt. Für die Therapie multiresistenter A. baumannii stehen derzeit nur wenig Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung, insbesondere beim Vorliegen einer Infektion mit carbapenemresistenten A. baumannii (CRAB), die mit einer erhöhten Mortalität einhergeht. CRAB zählen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den kritischsten Erregern unserer Zeit, gegen die Antibiotika mit höchster Priorität entwickelt werden sollten.1-5
Das Arzneimittel XACDURO ist eine Kombination aus dem β-Lactam Sulbactam und dem Diazabicyclooctan Durlobactam. Das β-Lactam Sulbactam ist mit seiner Funktion als irreversibler Inhibitor von β-Lactamasen der Ambler Klassen A und C bereits seit einiger Zeit in Kombination mit anderen Antibiotika im Einsatz. Darüber hinaus besitzt Sulbactam aber auch eine direkte intrinsische bakterizide Aktivität gegen A. baumannii, da es die für die Peptidoglykan-Synthese notwendigen Penicillin-bindenden Proteine PBP1 und PBP3 inaktiviert. Zum Schutz vor dem Abbau von Sulbactam durch bestimmte Serin-β-Lactamasen ist wiederum Durlobactam enthalten, eine neuer β-Lactamase-Inhibitor mit breiter Aktivität gegen β-Lactamasen der Klassen A, C und D, die in multiresistenten A. baumannii weit verbreitet sind und die Behandlung des Erregers erschweren.2,3,5
XACDURO enthält die beiden Wirkstoffe in separaten Durchstechflaschen, die nach entsprechender Rekonstitution und Verdünnung durch eine gemeinsame intravenöse Infusion über 3 Stunden verabreicht werden. Die empfohlene Standarddosierung beträgt 1 g Sulbactam und 1 g Durlobactam alle 6 Stunden über 7 bis 14 Tage, wobei das Dosierintervall an die Nierenfunktion angepasst werden muss.2
Wirksamkeit und Sicherheit der Sulbactam-Durlobactam-Kombination wurden in der randomisierten und aktiv kontrollierten ATTACK-Studie untersucht, in die 176 hospitalisierte Patienten mit einer Pneumonie eingeschlossen waren, die durch einen Erreger aus dem ABC-Komplex verursacht wurde. Die Patienten erhielten entweder Sulbactam-Durlobactam in der empfohlenen Dosierung oder das Polymyxin Colistin (2,5 mg/kg bzw. nierenadaptierte Dosierung) alle 12 h im Anschluss an eine Loading Dose von 2,5-5 mg/kg. Alle Patienten wurden außerdem mit Imipinem/Cilastatin (1g/1g alle 6h) behandelt, um andere potenzielle eine HABP/VABP verursachende Pathogene zu adressieren, die nicht zum ABC-Komplex gehören.2,6
Als primärer Endpunkt wurde die 28-Tage-Gesamtmortalität bei Patienten mit laborbestätigten carbapenemresistenten ABC-Komplex-Isolaten herangezogen. Innerhalb von 4 Wochen starben in der Sulbactam-Durlobactam-Gruppe 19 % der Patienten im Vergleich zu 32 % der Patienten unter Colistin-Therapie. Die Therapie war im Allgemeinen gut verträglich, eine Nephrotoxizität trat unter Sulbactam-Durlobactam signifikant seltener auf als unter Colistin. Zu den häufigsten Nebenwirkungen zählen Leberfunktionsstörungen (inklusive Anstieg der Leberenzyme), Diarrhö, Anämie und Hypokaliämie.2,6
XACDURO ist das einzige Antibiotikum, das ausschließlich für die Behandlung von CRAB entwickelt wurde. Die Kombination aus altbekanntem Sulbactam und neuem β-Lactamase-Inhibitor zeigte sich in der ATTACK-Studie einer Therapie mit Colistin bei Kombination mit Imipinem/Cilastatin nicht unterlegen und könnte damit eine wertvolle Therapieoption zur Behandlung einer der bedrohlichsten Krankheitserreger unserer Zeit darstellen. Eine Zulassung bzw. Zulassungsempfehlung der europäischen Arzneimittelbehörde ist bisher noch nicht erfolgt.
1 U.S. Food & Drug Administration (FDA). FDA Approves New Treatment for Pneumonia Caused by Certain Difficult-to-Treat Bacteria. Press
Announcement; published online May 23, 2023.
URL: https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/fda-approves-new-treatment-pneumonia-caused-certain-difficult-treat-bacteria
2 U.S. Food & Drug Administration (FDA). Xacduro (Sulbactam, Durlobactam): Full Prescribing Information; published online May 2023.
URL: https://www.accessdata.fda.gov/drugsatfda_docs/label/2023/216974Orig1s000Correctedlbl.pdf
3 Watkins, R. R. et al. Sulbactam-durlobactam: A Step Forward in Treating Carbapenem-Resistant Acinetobacter baumannii (CRAB) Infections. Clin Infect
Dis 2023; 76(S2):163–165.
doi: 10.1093/cid/ciad093
4 World Health Organization (WHO). Prioritization of pathogens to guide discovery, research and development of new antibiotics for drug-resistant bacterial infections, including
tuberculosis. Geneva, 2017. WHO/EMP/IAU/2017.12
5 El‐Ghali, A. et al. Sulbactam‐durlobactam: A Novel β‐lactam‐β‐lactamase Inhibitor Combination Targeting Carbapenem‐Resistant Acinetobacter baumannii Infections. Pharmacotherapy 2023;
published online first Apr 13, 2023. doi: 10.1002/phar.2802
6 Kaye, K. S. et al. Efficacy and safety of sulbactam-durlobactam versus colistin for the treatment of patients with serious infections caused by Acinetobacter baumannii-calcoaceticus
complex: a multicentre, randomised, active-controlled, phase 3, non-inferiority clinical trial (ATTACK). Lancet Infect Dis 2023; published online first May 11, 2023.
doi: 10.1016/S1473-3099(23)00184-6
26.07.2023
Das 11. Sepsis Update der Deutschen Sepsis Gesellschaft (DSG) findet vom 6.-8. September in Weimar unter dem Motto „Immuntherapien – Fortschritte und Anpassungen“ statt. Bis zu 31. Juli besteht noch die Möglichkeit, Ihr Abstract online einzureichen. Die drei besten Präsentationen erhalten Posterpreise in Höhe von 1.000 / 750 / 500 Euro. Mehr erfahren
26.07.2023
Harnwegsinfektionen (HWI) sind bei Frauen sehr häufig und können durch eine Reihe von Erregern verursacht werden. Die hohen Rezidivraten und die zunehmende Antibiotikaresistenz von Uropathogenen machen Harnwegsinfektionen zu einem schwerwiegenden Problem in der Gesundheitsversorgung.
D-Mannose ist ein Monosaccharid, das strukturelle Ähnlichkeit mit Glykoproteinen des Epithels im Harntrakt (z.B. Uroplakin) aufweist, an die Uropathogene, insbesondere Escherichia coli,
mittels Typ 1 Fimbrien oder Pili bindet. Daher kann eine ausreichend hohe Urinkonzentration von D-Mannose nach oraler Einnahme die Adhäsion der Bakterien an das Urothelium kompetitiv hemmen. Mehrere
klinische Studien haben die Wirksamkeit von D-Mannose bei der Vorbeugung von wiederkehrenden Harnwegsinfektionen untersucht. Diese Studien lieferten aber nur begrenzte Evidenz für die Wirksamkeit von
D-Mannose in der Akuttherapie.
Eine kürzlich durchgeführte prospektive, nicht-randomisierte Studie bei Patientinnen mit akuter Zystitis berichtete nun über gute Erfolgsraten bei der Behandlung mit D-Mannose.
In einer Post-hoc-Analyse dieser Beobachtungsstudie wurden Patientinnen in drei Gruppen eingeteilt: D-Mannose Monotherapie, D-Mannose Kombinationstherapie mit Antibiotika, D-Mannose in Kombination
mit anderen therapeutischen Maßnahmen (Nieren- oder Blasentee). Heilung wurde als Patienten-dokumentierte Abwesenheit von Brennen oder Schmerzen beim Wasserlassen beurteilt. Unter der D-Mannose
Monotherapie wurden nach drei Tagen 85,7 % als geheilt beurteilt, 56,6 % in der D-Mannose-Antibiotika Kombinationsgruppe und 56,3 % in der Gruppe mit D-Mannose und anderen therapeutischen Maßnahmen.
Am letzten Tag der Dokumentation waren die Heilungschancen mit 92,9 %, 83,0 % und 87,5 % vergleichbar.
Schlussfolgerung der Autoren
In der Post-hoc-Analyse zeigte sich, dass D-Mannose als Monotherapie bei der akuten unkomplizierten Zystitis sehr gute klinische Heilungsraten erzielte, die mit denen einer D-Mannose-Antibiotika
Kombination vergleichbar waren. Es sind jedoch weitere randomisierte, kontrollierte Interventionsstudien mit einer relevanten Anzahl von Patienten erforderlich, um die positive Wirkung von D-Mannose
bei akuter unkomplizierter Zystitis zu mit ausreichender Evidenz bestätigen.
Die Ergebnisse zeigen, dass D-Mannose eine vielversprechende Alternative zu Antibiotika bei der Behandlung akuter unkomplizierter Harnwegsinfektionen bei Frauen ist.
Wagenlehner, F. et al. Why d-Mannose May Be as Efficient as Antibiotics in the Treatment of Acute Uncomplicated Lower Urinary Tract Infections—Preliminary Considerations and Conclusions from a Non-Interventional Study. Antibiotics. 2022; 11(3):314. doi: 10.3390/antibiotics11030314
28.06.2023
Sepsis ist eine schwere Erkrankung mit hoher Morbidität und Mortalität. In diesem Editorial zu einer randomisierten kontrollierten klinischen Studie (EXIT-SEP-Studie, Liu et al. JAMA Intern Med. 2023; published online first May 1, 2023. doi: 10.1001/jamainternmed.2023.0780) wurde die Wirksamkeit der Xuebijing-Injektion (XBJ), einem intravenös zu verabreichenden pflanzlichen Präparat zur Behandlung von Sepsis, und vor allem der Weg zu einer möglichen Zulassung beschrieben.
Die US-Behörde für Lebens- und Arzneimittel (Food and Drug Administration, FDA) reguliert ein pflanzliches Produkt als Arzneimittel, wenn es für die Diagnose, Heilung, Milderung, Behandlung oder
Vorbeugung einer Krankheit bestimmt ist. Somit unterliegt ein pflanzliches Produkt wie XBJ (es ist kein Arzneimittel) den gleichen US-Zulassungsstandards wie ein Arzneimittel. Vor der Zulassung muss
die FDA feststellen, dass das Medikament für die vorgeschlagene Anwendung sicher und wirksam ist. Die FDA hat die rechtliche Befugnis, ausländische Daten als alleinige Grundlage für eine
Marktzulassung zu akzeptieren, wenn die Daten auf die US-Bevölkerung anwendbar und für die medizinische Praxis in den USA als relevant erachtet werden.
In der EXIT-STEP Studie war die 28-Tage Mortalität in der XBJ-Gruppe mit 18,8 % signifikant niedriger als in der Placebogruppe (26,1 %, p < 0.001). Könnte die EXIT-SEP-Studie einen substanziellen
Beweis für die Wirksamkeit als Einzelstudie liefern? Die Autoren weisen darauf hin, dass es sich zwar um eine große multizentrische Studie mit 1817 Patienten in 45 Studienzentren handelte und die
Ergebnisse eine klinisch aussagekräftige und statistisch überzeugende Wirkung auf die Sterblichkeit zeigten. Es fehlen jedoch wichtige Studieneigenschaften, um den Schluss zu ziehen, dass die Studie
ein breites Spektrum von Patienten umfasste. Die sekundären Endpunkte waren nur explorativer Natur, da es keine Kontrolle der Fehlerraten gab.
Die Autoren weisen auf die begrenzte Generalisierbarkeit ihrer Ergebnisse hin und stellen fest, dass sich die Sterblichkeitsrate bei Sepsis in China von der in anderen Ländern unterscheidet. Die
primären Infektionsorte in der EXIT-SEP-Studie unterschieden sich von US-amerikanischen Sepsis Populationen mit hohen Raten von Lungen- (45 %) und intraabdominalen Infektionen (32 %). In die Studie
wurden wenige Patienten mit schwerer Sepsis rekrutiert. Der mittlere APACHE-II-Score (Acute Physiology and Chronic Health Evaluation) als Marker für den klinischen Schweregrad lag in beiden Gruppen
bei etwa 12, und nur 3,5 % der Patienten hatten zu Beginn der Studie einen APACHE-II-Score von 25 oder höher. Die Studie enthält keine Angaben über die Anzahl der Patienten im Alter von 65 Jahren und
älter. Patienten, die älter als 75 Jahre waren, wurden ausgeschlossen. Problematisch sind relativ viele fehlende Daten zu Vitalzeichen: sie waren bei 33 Patienten (3,6 %) in der XBJ-Gruppe und bei 24
Patienten (2,6 %) in der Placebogruppe unbekannt.
Weiterhin war die Schwelle für die Meldung schwerwiegender unerwünschter Ereignisse vergleichsweise hoch. Während der Studie traten zahlreiche schwerwiegende unerwünschte Ereignisse auf, da etwa 22 %
der Patienten starben. Es scheint so, dass die Prüfer alle schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse als krankheitsbedingt und keines als arzneimittelbedingt einstuften. Die Sicherheit von XBJ ist
daher schwer zu charakterisieren.
Schlussfolgerung der Autoren
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ergebnisse der EXIT-SEP1-Studie vielversprechend sind, aber wichtige Einschränkungen aufweisen. Um diese Ergebnisse zu bestätigen und ihre Verallgemeinerbarkeit zu gewährleisten, wäre eine internationale Studie mit einer Patientenpopulation mit verschiedenen Sepsis-Schweregraden notwendig, die eine komplette und kontrollierte Datenerfassung gewährleistet. Schließlich gelten für pflanzliche Arzneimittel bei der FDA die gleichen Zulassungsstandards wie für alle Arzneimittel.
Unger, E. F. et al. Xuebijing Injection for the Treatment of Sepsis. What Would a Path to FDA Approval Look Like? JAMA Intern Med. 2023; published online first May 1, 2023.
doi: 10.1001/jamainternmed.2023.0788
28.06.2023
Wir möchten Sie herzlich einladen, an unserer Umfrage teilzunehmen.
Mit Ihrer Hilfe möchten wir unseren Newsletter und die Angebote von INFEKTIO kontinuierlich verbessern und sicherstellen, dass er für Sie interessant und relevant bleibt.
Bitte nehmen Sie sich ca. 4 Minuten Zeit, um uns Ihr Feedback mitzuteilen. Als Dank erhalten Sie das Whitepaper zum Thema „Antibiotic Stewardship”. Zur Umfrage
28.06.2023
Die aktuellen Empfehlungen der STIKO zur COVID-19-Impfung wurden in die neuesten STIKO-Empfehlungen integriert. Gemäß dem Epidemiologischen Bulletin 21/2023 wird allen Personen ab 18 Jahren empfohlen, eine Basisimmunität aufzubauen, die aus drei Antigenkontakten besteht (Impfung oder Infektion, aber mit mindestens zwei Impfstoffdosen).
Zusätzlich empfiehlt die STIKO bestimmten Personengruppen weitere Auffrischimpfungen, die ein erhöhtes Risiko für schwere COVID-19-Verläufe haben. Dazu gehören Personen ab 60 Jahren, Personen ab 6
Monaten mit relevanten Grunderkrankungen, Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen sowie medizinisches oder pflegerisches Personal, die einem erhöhten arbeitsbedingten Infektionsrisiko
ausgesetzt sind. Auch Familienangehörige und enge Kontaktpersonen von Personen unter immunsuppressiver Therapie, die durch eine COVID-19-Impfung selbst nicht ausreichend geschützt werden können,
sollten jährliche Auffrischimpfungen erhalten. Diese werden in der Regel im Abstand von mindestens 12 Monaten zum letzten Antigenkontakt, vorzugsweise im Herbst, durchgeführt. Lesen Sie hier das vollständige Epidemiologische Bulletin 21/2023
28.06.2023
Die Manifestation einer Sepsis kann sich hinter unspezifischen Symptomen verbergen, wie zum Beispiel dem Satz „Der Patient gefällt mir heute nicht!“ In solchen Momenten ist schnelles Handeln unerlässlich, um das Leben des Patienten zu retten. Jedes Jahr sterben in Deutschland etwa 60.000 Menschen aufgrund von Sepsis oder septischem Schock. Doch wie können wir die „Red Flags“ erkennen, die auf eine Sepsis hinweisen?
In einem Gespräch mit Priv.-Doz. Dr. Timo Brandenburger, Oberarzt an der Klinik für Anästhesiologie der Universitätsklinik Düsseldorf, wird über die Sepsis und den septischen Schock gesprochen. Dr. Brandenburger erläutert die ersten klinischen Anzeichen, die zugrundeliegende Pathophysiologie und die entsprechenden Notfallmaßnahmen. Er betont: „Mit jeder Stunde […] steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient an der Sepsis verstirbt, deutlich an.“ Seine Botschaft lautet: „Denken Sie daran, dass es sie gibt!“. Jetzt reinhören
28.06.2023
Allergien gegen Antibiotika zählen zu den individuellen, nicht vorhersehbaren Arzneimittelunverträglichkeiten (sogenannte Typ-B‑Reaktionen). Dabei spielen Arzneimittelunverträglichkeiten in bis zu 3 % aller Krankenhauseinweisungen eine Rolle. Bei insgesamt 10–20 % der hospitalisierten Patienten kann es zu einer Arzneimittelunverträglichkeit im Rahmen des stationären Aufenthalts kommen. Die Mehrheit aller Arzneimittelunverträglichkeiten ist auf die normalen pharmakologischen Toxizitätseigenschaften der Substanzen zurückzuführen (sogenannte Typ-A‑Reaktionen).
Obwohl durch die anamnestische Angabe einer Penicillinallergie erhebliche Einschränkungen in der Therapie akuter Infektionen entstehen, die mit Nebenwirkungen und teilweise schlechteren
Therapieergebnissen assoziiert sind, wird die Allergie leider zumeist nicht kritisch hinterfragt. Bei 85–90 % der Patienten mit einer Penicillinallergie handelt es sich um unspezifische
Unverträglichkeitsreaktionen ohne Gefährdung bei Reexposition. Eine sorgfältige Anamnese der Beschwerden sowie erste einfache diagnostische Schritte können bereits wesentlich zur Klärung einer
relevanten Allergie beitragen, um so den Patienten bei antibiotikapflichtiger Infektion die optimale Therapie bieten zu können. Generell gilt, große Sorgfalt bei der Anamnese, dem Einholen der
Vorbefunde und somit der individuellen Risikoeinschätzung walten zu lassen. Im Zweifel sollte Rücksprache mit einer allergologischen Fachabteilung gehalten werden.
Kreuzallergien zwischen verschiedenen β‑Lactam-Antibiotika können auftreten, das Risiko ist jedoch substanzabhängig und kann anhand entsprechender Tabellen eingeschätzt werden. Kreuzreaktionen
entstehen meist durch Übereinstimmungen in den R1-Seitengruppen, was überwiegend für die Penicillinabkömmlinge zutrifft. Kreuzreaktionen zwischen Penicillinen und Cephalosporinen bzw. Carbapenemen
oder Monobactamen sind äußerst selten.
Schlussfolgerung der Autoren
Kreuzreaktionen entstehen meist durch Übereinstimmungen in den R1-Seitengruppen, was überwiegend auf Penicillinabkömmlinge zutrifft. Kreuzreaktionen zwischen Penicillinen und Cephalosporinen bzw. Carbapenemen oder Monobactamen sind äußerst selten. Bei der Mehrheit der Patienten mit einer anamnestischen Penicillinallergie können β-Lactame eingesetzt werden, was einerseits vorteilhaft für den Patienten und andererseits aus gesundheitsökonomischer und Antibiotic Stewardship-Perspektive wünschenswert ist.
Fazit
Dies ist ein wichtiges Thema, weil häufig fälschlicherweise den Patienten die wirksamste Substanzklasse komplett vorenthalten wird. Wie in einem ebenfalls lesenswerten Übersichtsartikel von Blumenthal et al. (Lancet 2019; 393: 183–98) schön zusammengestellt, beträgt das Kreuzallergie-Risiko zwischen Penicillinen und Cephalosporinen, die nicht die gleichen Seitenketten tragen, weniger als 2 % und zwischen Penicillinen und Carbapenemen weniger als 1 %.
Hornuß, D. et al. Antibiotikaallergien – gezieltes Vorgehen bei vermeintlicher β-Laktam-Allergie. Inn Med (Heidelb) 2023; 64(4):351–361. doi: 10.1007/s00108-023-01490-5
17.05.2023
Antimikrobielle Resistenz (AMR) stellt eine unmittelbare Bedrohung für die globale Gesundheit dar und wurde durch den unangemessenen Einsatz von Diagnostikmethoden, die zur übermäßigen Verschreibung von antimikrobiellen Wirkstoffen führen, verschärft. Diagnostic Stewardship (DS) ist eine Ergänzung zu Antimicrobial Stewardship (AMS) und betont den Einsatz der richtigen Tests für den richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt. Es fördert auch den bewussten Einsatz schneller und neuer molekularer Diagnosewerkzeuge, um eine wirksame Antibiotikatherapie einzuleiten und gleichzeitig die übermäßige Verwendung von Breitspektrumantibiotika zu vermeiden, wenn diese nicht erforderlich sind. Eine angemessene Interpretation der Testergebnisse ist entscheidend, um Übertherapien und unnötige Kosten im Gesundheitswesen zu vermeiden. Obwohl viele schnelle Diagnosewerkzeuge mit hoher diagnostischer Ausbeute entwickelt wurden, sind sie oft durch eingeschränkte Zugänglichkeit, Kosten und mangelndes Wissen über ihre Verwendung limitiert. Eine sorgfältige Berücksichtigung von klinischen Anzeichen und Symptomen sowie Kenntnisse der lokalen Epidemiologie sind für DS von zentraler Bedeutung. Dies ermöglicht eine angemessene Interpretation mikrobiologischer Ergebnisse. Multidisziplinäre Teams sollten zusammenarbeiten, um DS zu fördern. Hindernisse in der Umsetzung des DS werden hauptsächlich durch Ressourcenknappheit und mangelndes geschultes Personal, und vor allem durch mangelndes Wissen verursacht. Der Mangel an Ressourcen ist häufig darauf zurückzuführen, dass das Bewusstsein dafür fehlt, welche Auswirkungen eine gute mikrobiologische Testung und Fachkenntnisse auf den richtigen Einsatz von Antibiotika haben können. Groß angelegte Forschungsarbeiten sind erforderlich, um weitere Belege für die Vorteile von DS für die Patientenergebnisse und die Gesundheitskosten zu liefern. Darüber hinaus sind Studien aus ressourcenarmen Gebieten erforderlich, um besser zu verstehen, wie DS in einem solchen Kontext etabliert werden kann. Eine gute klinische Mikrobiologie sollte DS als Kernaktivität einbeziehen, da sie für den Erfolg von AMS und Infektionsprävention wichtig ist. Das Potenzial von DS kann nicht voll ausgeschöpft werden, wenn es nicht mit einer angemessenen AMS gepaart wird.
Schlussfolgerung der Autoren
DS ist gekennzeichnet durch die Verordnung des korrekten Tests für den richtigen Patienten zur richtigen Zeit. Damit unterstützt DS das AMS. Voraussetzung für DS ist die Kenntnis der diagnostischen Charakteristika des jeweiligen Tests. Empfehlenswert ist dafür die Zusammenarbeit in einem multidisziplinären Team aus Infektiologen, Mikrobiologen, Pflegefachpersonen und Epidemiologen. Bei der Integration des DS In den Alltag ist die elektronische Krankenakte hilfreich, indem sie klinische Behandlungspfade zur Verfügung stellt oder Verordnungen korrigiert.
Fazit
Nicht alles was diagnostisch möglich ist, ist klinisch sinnvoll. Entscheidend ist die Kenntnis über Stärken und Schwächen der diagnostischen Tests, um diese gezielt einzusetzen. Außerdem ist nicht jeder Erregernachweis therapiepflichtig. Das sogenannte „selective reporting“ beschreibt das gezielte Zurückhalten nicht therapierelevanter mikrobiologischer Befunde, um unnötige Therapien zu vermeiden und ist eine anerkannte ABS-Strategie.
Zakhour, J. et al. Diagnostic stewardship in infectious diseases: a continuum of antimicrobial stewardship in the fight against antimicrobial resistance. Int J
Antimicrob Agents 2023; 62(1).
doi: 10.1016/j.ijantimicag.2023.106816
17.05.2023
Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) hat am 26.04.2023 den weltweit ersten Impfstoff gegen RSV zur Zulassung empfohlen. Der Impfstoff unter dem Produktnamen AREXVY ist für die aktive Immunisierung von Erwachsenen ab 60 Jahren vorgesehen, zum Schutz vor Erkrankungen der unteren Atemwege, die durch RSV verursacht werden.1
RSV galt lange Zeit als typische Viruserkrankung bei Säuglingen und Kleinkindern. Auch Erwachsene können wiederholt an RSV erkranken, da keine lebenslange Immunität besteht. Neuere Studien zeigen, dass RSV-Infektionen bei älteren Erwachsenen ähnlich schwerwiegend sein können wie Influenza.2 Besonders onkologische und immunsupprimierte Patienten sind gefährdet, wie Ausbrüche mit Todesfällen in Deutschland gezeigt haben. Schätzungen der EMA zufolge sind RSV-Infektionen in Europa pro Jahr für ca. 250.000 Krankenhausaufenthalte und 17.000 stationäre Todesfälle bei Menschen über 65 Jahren verantwortlich.1,3
Bereits in den 1960er Jahren wurde versucht, einen RSV-Impfstoff für Säuglinge auf Basis eines Formalin-inaktivierten Virus zu entwickeln. Die entsprechenden RCTs endeten jedoch in einem Desaster, da 80% der geimpften Kinder im Vergleich zu 5% der Kontrollgruppe eine schwere RSV-Infektion erlitten.4 Spätere Laborarbeiten deuteten darauf hin, dass das Fusionsprotein des Virus - das Hauptziel für neutralisierende Antikörper - durch die Formalininaktivierung seine Struktur veränderte -also nicht mehr in der Präfusionsform vorlag. Die durch die Impfung induzierten Antikörper neutralisierten das Virus nicht ausreichend. Stattdessen induzierten diese eine überschießende inflammatorische Reaktion, die zu schweren Krankheitsverläufen führte (vaccine-associated enhancement of disease, VAED).5 Erst ein halbes Jahrhundert später gibt es nun wieder Impfstoffentwicklungen gegen RSV.
AREXVY enthält als Antigen eine veränderte und rekombinant hergestellte Version des sogenannten RSV-Fusionsoberflächenproteins in einer präfusionsstabilisierten Form (RSVPreF3). Dieses Protein ist beim natürlichen Virus unerlässlich für die Infektion des Körpers, da es die Fusion mit den menschlichen Epithelzellen der Schleimhäute der Atemwege ermöglicht. Durch die Applikation des Impfstoffs wird die Bildung neutralisierender Antikörper gegen das enthaltene Oberflächenprotein sowie die antigenspezifische zelluläre Immunantwort bei Personen mit bereits bestehender Immunität gegen RSV gesteigert. Zur Verstärkung der Immunreaktion ist außerdem das Adjuvans AS01E enthalten.1,3
Der Impfstoffkandidat wurde auf Grundlage einer aktuell laufenden internationalen Studie im Rahmen des beschleunigten Bewertungsverfahrens vom CHMP geprüft. In dieser multizentrischen, randomisierten und placebokontrollierten Phase-III-Studie wird die Wirksamkeit und Sicherheit des Impfstoffs an ca. 25.000 älteren Erwachsenen überprüft, von denen die Hälfte mit AREXVY geimpft wurde. Bisherige Ergebnisse zeigten, dass etwa 83 % der geimpften Personen durch eine Einzeldosis AREXVY für mindesten 6 Monate gegen durch RSV verursachte Atemwegserkrankung geschützt waren. Zusätzlich wurde auch das Risiko für schwere Krankheitsverläufe signifikant reduziert. Kopfschmerzen, Müdigkeit, Muskel- und Gelenkschmerzen sowie Schmerzen an der injektionsstelle zählten zu den häufigsten gemeldeten unerwünschten Wirkungen. Da die bisherigen Ergebnisse nur auf den Daten aus einer ersten RSV-Saison basieren, sollen im weiteren Verlauf der Studie die Dauer des Impfschutzes über mehrere Saisons sowie die Sicherheit und Wirksamkeit einer Auffrischimpfung untersucht werden.1,3,6
Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat den Impfstoff bereits am 03.05.2023 zugelassen.2 Für eine Zulassung in Europa ist nach der positiven Stellungnahme des CHMP noch der Beschluss der Europäischen Kommission nötig. Abseits der symptomatischen Therapie der Infektion steht hierzulande aktuell nur der monoklonale Antikörper Palivizumab (SYNAGIS) als zugelassenes Arzneimittel zur passiven Immunisierung von Kindern unter 2 Jahren mit einem hohen Risiko für RSV-Infektionen. Bereits in Europa zugelassen, aber noch nicht auf dem Markt verfügbar, ist der gegen das RSV Fusionsprotein gerichtete monoklonale Antikörper Nirsevimab mit verlängerter Halbwertszeit.7 Weitere Impfstoffe gegen RSV befinden sich in unterschiedlichen Phasen der klinischen Entwicklung, darunter auch Impfstoffe für Schwangere, die das Neugeborene nach der Geburt schützen sollen.
1 First vaccine to protect older adults from respiratory syncytial virus (RSV) infection. European Medicines Agency (EMA); published online Apr 26, 2023. https://www.ema.europa.eu/en/news/first-vaccine-protect-older-adults-respiratory-syncytial-virus-rsv-infection [05.05.2023]
2 Chorazka, M. et al. Clinical outcomes of adults hospitalized for laboratory confirmed respiratory syncytial virus or influenza virus infection. PLoS One 2021; 16(7):e0253161. doi: 10.1371/journal.pone.0253161
3 FDA Approves First Respiratory Syncytial Virus (RSV) Vaccine. Press Announcement. U.S. Food & Drug Administration (FDA); published online May 3, 2023. https://www.fda.gov/news-events/press-announcements/fda-approves-first-respiratory-syncytial-virus-rsv-vaccine [05.05.2023]
4 Kim, H.W. et al. Respiratory syncytial virus disease in infants despite prior administration of antigenic inactivated vaccine. Am J Epidemiol 1969; 89(4):422–434. doi: 10.1093/oxfordjournals.aje.a120955
5 Bigay, J. et al. Vaccine-associated enhanced disease: field evidences and challenges for vaccine development. Front Microbiol 2022; 13:932408. doi: 0.3389/fmicb.2022.932408
6 Papi, A. et al. Respiratory syncytial virus prefusion F protein vaccine in older adults. N Engl J Med 2023; 388(7):595-608. doi: 10.1056/NEJMoa2209604
7 EMA Summary of Product Characteristics. Nirsevimab (Beyfortus). Apr 28, 2023.
17.05.2023
Hatten Sie auch schon mit Ausbrüchen zu tun, bei denen sich die Suche nach der Quelle extrem schwierig gestaltete? Über „Kuriose Quellen nosokomialer Infektionen” berichtet Dr. Sebastian Haller in seinem Vortrag beim 6. Workshop Antibiotikaresistenzen. Jetzt Video ansehen
17.05.2023
Bei Patienten mit Rifampicin-resistenter Tuberkulose werden rein orale Behandlungsschemata benötigt, die wirksamer und kürzer sind sowie ein besseres Nebenwirkungsprofil aufweisen als die derzeitigen Therapieregime.
In einer nicht-verblindeten multizentrischen, randomisierten, non-inferiority Studie (TB-PRACTECAL) wurden Wirksamkeit und Sicherheit von drei 24-wöchigen, rein oralen Therapieschemata für die
Behandlung von Rifampicin-resistenter Tuberkulose untersucht. An dieser Studie nahmen Patienten in Belarus, Südafrika und Usbekistan teil, die 15 Jahre oder älter waren und an einer
Rifampicin-resistenten Lungentuberkulose litten. Darüber hinaus wurde in dieser Studie eine 24-wöchige Behandlung mit Bedaquilin, Pretomanid, Linezolid und Moxifloxacin (BPaLM) mit einer 9- bis
20-monatigen Standardbehandlung verglichen. Der primäre Endpunkt war ein ungünstiges Therapieergebnis (zusammengesetzt aus Tod, Therapieversagen, Behandlungsabbruch, loss to follow-up oder Rezidiv
der Tuberkulose) 72 Wochen nach Randomisierung. Die Nichtunterlegenheitsmarge betrug 12 Prozentpunkte. Die Studie bestand aus zwei Teilen. Im ersten Teil sollten basierend auf Sicherheit und
Wirksamkeit 8 Wochen nach Randomisierung Therapieregime für den zweiten Teil der Studie ausgesucht werden, die Bedaquilin, Pretomanid und Linezolid (BPaL) enthielten. Dafür wurden Patient in entweder
das Standardregime randomisiert oder in eines von 3 experimentelle 24-Wochen orale Regime: BPaL, BPaLM oder BPaL mit Clofazimin (BPalC). Im zweiten Teil der Studie wurden Patienten in entweder das
Standardtherapieregime oder das (in Teil 1 ausgewählte) experimentelle Therapieschemata randomisiert für den primären Endpunkt.
In Teil 1 der Studie wurden 552 Patienten in eine der 4 initialen Therapiegruppen randomisiert. Aufgrund der höchsten Wirksamkeit nach 8 Wochen (Kulturkonversion 77 % vs. 67 % für BPaLC und 46 % für BPaL) und bei vergleichbarer Sicherheit wurde BPaLM als Vergleichsgruppe gegenüber dem Standardregime für den Teil 2 der Studie ausgewählt. Von 301 Patienten in diesem 2. Teil der Studie konnten 145, 128 und 90 Patienten in der Intention-to-treat- (ITT), modifizierten Intention-to-treat-(mITT) bzw. Per-Protocol (PP) Population ausgewertet werden. In der mITT-Analyse erreichten 11 % der Patienten in der BPaLM-Gruppe und 48 % der Patienten in der Standardtherapiegruppe den primären Endpunkt (Risikodifferenz 37 % Punkte, 96.6 % Konfidenzintervall -53 % bis -22 %). In der PPl-Analyse erreichten 4 % der Patienten in der BPaLM-Gruppe und 12 % der Patienten in der Standardtherapiegruppe den primären Endpunkt (Risikodifferenz -9 %, 96.6 % Konfidenzintervall -22 % bis 4 %). In der „as-treated” Population für die Sicherheitsanalyse, in der alle randomisierten Patienten eingeschlossen waren, die mindestens eine Dosis der Studienmedikamente erhalten hatten, war die Inzidenz von unerwünschten Ereignissen des Grades 3 oder höher oder von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen in der BPaLM-Gruppe signifikant geringer als in der Standardtherapiegruppe (19 % vs. 59 %).
Schlussfolgerung der Autoren
Diese länderübergreifende, randomisierte, kontrollierte Studie zu 24-wöchigen, rein oralen Therapieschemata mit Bedaquilin, Pretomanid und Linezolid zeigte, dass die Behandlung der
Rifampin-resistenten Tuberkulose mit BPaLM sowohl wirksamer war als auch ein besseres Sicherheitsprofil aufwies als die 9-20-monatige Standardtherapie. BPaLC (Clofazimin statt Moxifloxacin) und BPaL
(Linezolid statt Moxifloxacin) waren ebenfalls hochwirksam. Bei Patienten mit Rifampin-resistenter Lungentuberkulose war eine 24-wöchige, rein orale Behandlung der üblichen Standardtherapie nicht
unterlegen.
Fazit
Das Therapieschemata BPaL(M) über 24 Wochen wurde auch bereits erfolgreich bei multiresistenter (MDR) Tuberkulose getestet. Herausforderung bleibt einerseits die Nebenwirkungsrate. Andererseits ist
genau die Resistenzentwicklung zu beobachten, da in diesen kurzen oralen Regimes die potentesten und wertvollsten Medikamente für die MDR-Tuberkulose enthalten sind. Sollten diese durch einen
breiteren Einsatz bei weniger resistenten Tuberkulosefällen verloren werden, so könnte sich ein umso bedrohlicheres Szenario bei den besonders schwer zu therapierenden Patienten ergeben. Wir sind
gespannt auf Modellierungen und wie rasch diese Regimes Eingang in neue Leitlinien finden werden.
Nyang’wa, B.-T. et al. A 24-Week, All-Oral Regimen for Rifampin-Resistant Tuberculosis. N Engl J Med 2022; 387:2331–2343.
doi: 10.1056/NEJMoa2117166
19.04.2023
Es werden erweiterte Stabilitätsdaten für antimikrobielle Wirkstoffe für die ambulante parenterale antimikrobielle Therapie (OPAT) benötigt, um die Haltbarkeit von Antibiotika in aseptisch zubereiteten Elastomer-Infusoren festzulegen. Im Vereinigten Königreich wurden die relevanten Standards für die Stabilitätsprüfung und die Zuweisung der Haltbarkeitsdauer in dem „Standard Protocol for Deriving and Assessment of Stability-Part 1 (Aseptic Preparations-Small Molecules)“ veröffentlicht, dem Yellow Covered Document (YCD). Bei einer früheren systematischen Überprüfung aus dem Jahr 2017 konnten keine Daten zur Stabilität von antimikrobiellen Substanzen in Elastomerpumpen für OPAT ermittelt werden, die den damals geltenden YCD-Anforderungen entsprachen. Ziel dieser Studie war es, diese Suche zu aktualisieren, nachdem die YCD-Anforderungen 2017 und 2019 geändert wurden, und den Datensatz zur Stabilität von Antibiotika für OPAT zu erweitern.
Es wurde nach entsprechenden Arbeiten zur prolongierten Stabilität von Antibiotika gesucht, in denen deren Haltbarkeit nach Lagerung bei Kühl- oder Raumtemperatur und anschließender Prüfung bei einer
Temperatur von 32 °C oder darüber bewertet wurde. In der Regel werden Konzentrationen der aktiven Substanz zwischen 95 % und 105 % der Ausgangskonzentration am Ende der Verabreichungsperiode
toleriert. Daneben berücksichtigen die YCD-Kriterien auch allfällige toxische Abbauprodukte.
Von 267 ursprünglichen Referenzen erfüllten sechs die Einschlusskriterien und wurden zur Datenextraktion einer Volltextprüfung unterzogen. Bei den einbezogenen antimikrobiellen Mitteln handelte es
sich um Cefazolin, Ceftazidim, Piperacillin/Tazobactam, Flucloxacillin und Ceftolozan/Tazobactam. Von diesen zeigten nur Flucloxacillin und Piperacillin eine YCD-konforme Stabilität über einen
Infusionszeitraum von 24 Stunden, während Cefazolin, Ceftazidim und Ceftolozan/Tazobactam über einen Zeitraum von 12 Stunden infundiert werden konnten.
Schlussfolgerung der Autoren
Im Gegensatz zu der in der Überprüfung von 2017 vertretenen Position liegen jetzt Daten vor, die die Verwendung einer Reihe von antimikrobiellen Wirkstoffen bei der verlängerten Infusion in Elastomerprodukten für OPAT unterstützen. Es besteht die Notwendigkeit, den Datensatz zu erweitern und einen internationalen Konsens über die idealen Parameter für die Stabilitätsbewertung solcher Infusionen in Elastomerprodukten zu entwickeln.
Fazit
Insgesamt ist es enttäuschend, dass immer noch so wenige publizierte Daten zur Stabilität von Antibiotika existieren. Dies ist ein Hindernis für den Ausbau von OPAT-Programmen. Die im YCD geforderten Kriterien sind zugegebenermaßen streng und berücksichtigen neben Stabilität auch toxische Abbauprodukte. Dennoch zeigt diese Publikation an, dass tatsächlich mehrere Antibiotika für 12- oder 24-stündige Applikation bei Körpertemperatur geeignet sind und bestätigen damit unsere Alltagserfahrungen.
Jenkins, A. et al. Systematic review of the stability of antimicrobial agents in elastomeric devices for outpatient parenteral antimicrobial therapy services based on NHS Yellow Cover Document standards. Eur J Hosp Pharm 2022;29(6):304–307. doi: 10.1136/ejhpharm-2021-002729
19.04.2023
Zu einem der wichtigsten Infektionspräventionsmaßnahmen gehört die Händehygiene. Aus diesem Grund wird jedes Jahr am 5. Mai die Aufmerksamkeit auf den Internationalen Tag der Händehygiene gelenkt, um das Bewusstsein für die Bedeutung der Händehygiene bei der Verhinderung von Infektionen zu stärken. Händewaschen ist eine einfache, aber wirksame Methode zur Prävention und Verringerung der Übertragung von Krankheitserregern, wie Viren und Bakterien, die Infektionen verursachen können. Dies ist besonders wichtig in Gesundheitseinrichtungen, in denen Patienten, Mitarbeiter und Besucher einem erhöhten Risiko für Infektionen ausgesetzt sein können. Das Datum des 5.5. soll hierbei die fünf Finger jeder Hand symbolisieren.
Auch in diesem Jahr begleitet die WHO den 5. Mai mit der Kampagne „SAVE LIVES: Clean Your Hands” (RETTE LEBEN: säubere deine Hände). In jedem Jahr rückt ein anderer Bereich des Gesundheitswesens in den Fokus. Der diesjährige Slogan lautet „Accelerate action together“ (Gemeinsam Handeln beschleunigen), sodass sich die Aufforderung 2023 insbesondere an zivilgesellschaftliche Organisationen und andere Partner, wie die Mitglieder des Globalen Netzwerks der WHO für Infektions- und Präventionskontrolle (IPC) richtet, um gemeinsam die Maßnahmen zur Prävention von Infektionen und Resistenzen gegen antimikrobielle Mittel in der Gesundheitsversorgung durchzusetzen und zusätzlich eine Kultur der Sicherheit und Qualität aufzubauen, in der die Verbesserung der Händehygiene hohe Priorität eingeräumt wird.
Zum Internationalen Tag der Händehygiene möchten wir Sie ermutigen sich an der globalen Bewegung zur Verbesserung der Händehygiene im Gesundheitswesen zu beteiligen, um gewährleisten zu können, dass eine gute Händehygiene-Praxis in Ihrer Einrichtung umgesetzt wird. Stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeiter und Patienten über die Bedeutung der Händehygiene informiert und geschult sind sowie geeignete Waschgelegenheiten und Desinfektionsmittel zur Verfügung stehen. Dies kann dazu beitragen, Infektionen zu verhindern und die Sicherheit und Gesundheit aller in Ihrer Einrichtung zu fördern. Mehr Informationen
19.04.2023
Das 11. Sepsis Update der Deutschen Sepsis Gesellschaft (DSG) findet vom 6.-8. September in Weimar statt. Unter dem Motto „Immuntherapien – Fortschritte und Anpassungen“ greift die Deutsche Sepsis Gesellschaft die mit der Corona-Pandemie konfrontierte Situation der Intensivmediziner auf. SARS-CoV-2 als neuer Erreger hat das vielfältige Spektrum der Sepsis-Erreger erweitert. Herausragende Forscher:innen werden über die neuesten Fortschritte bei immunmodulatorischen Ansätzen zur adaptiven Immunantwort bei Sepsis berichten. Jetzt Video ansehen
19.04.2023
Eine Kurzzeit-Antibiotikatherapie könnte die Therapieadhärenz verbessern und unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Kosten reduzieren. Auf der Grundlage spärlicher Belege empfehlen die meisten Leitlinien jedoch eine längere Antibiotikatherapie bei nicht schwerer ambulant erworbener Lungenentzündung (CAP) bei Kindern. In einem systematischen Review und einer Meta-Analyse wurde untersucht, ob bei Kindern mit nicht-schwerer CAP eine kürzere Antibiotikagabe einer längeren Therapiedauer nicht unterlegen ist. Als Informationsquellen wurden die Datenbanken wie MEDLINE, Embase, Web of Science, die Cochrane Library und drei chinesische Datenbanken bis zum 31. März 2022 wie auch Studiendatenbanken und Google herangezogen.
Es wurden randomisierte klinische Studien untersucht, die eine kürzere gegen eine längere Therapie mit demselben oralen Antibiotikum bei Kindern mit nicht schwerer CAP verglichen. Für die
Zusammenführung der Daten wurden Random-Effects-Modelle genutzt. Zur Bewertung der Qualität der Evidenz wurde die GRADE-Methode (Grading of Recommendations Assessment, Development and Evaluation)
verwendet. Haupt-Endpunkt war das Therapieversagen, definiert als persistierende Pneumonie oder Neuauftreten von Warnsignalen (z.B. Lethargie, Bewusstlosigkeit, Krampfanfälle, Unfähigkeit zum
Trinken), Fieber (> 38 °C) nach Therapieende, Wechsel der Antibiotikatherapie, Hospitalisation, Tod, Verpassen von mehr als 3 Dosen des Studienmedikaments, loss to follow-up und Entzug des
Einverständnisses. Neun randomisierte klinische Studien mit 11.143 Teilnehmenden wurden in diese Meta-Analyse einbezogen. Insgesamt 98 % der Teilnehmenden waren zwischen 2 und 59 Monate alt, und 58 %
waren männlich. Acht Studien mit 10.662 Patienten meldeten ein Therapieversagen. Dieses trat bei 12,8 % bzw. 12,6 % der Teilnehmenden auf, die eine kürzere bzw. längere Antibiotikatherapie erhielten.
Daten aus qualitativ-hochwertigen Studien belegten, dass eine kürzere orale Antibiotikagabe einer längeren Antibiotikagabe in Bezug auf Behandlungsversagen bei Kindern mit nicht-schwerer CAP nicht
unterlegen war (relatives Risiko: 1,01; 95 % Konfidenzintervall: 0,92-1,11). Eine 3-tägige Antibiotikabehandlung war einer 5-tägigen hinsichtlich Therapieversagen ebenfalls nicht unterlegen
(relatives Risiko: 1,01; 95 % Konfidenzintervall: 0,91-1,12), und auch eine 5-tägige Behandlung war einer 10-tägigen nicht unterlegen (relatives Risiko: 0,87; 95 % Konfidenzintervall: 0,50-1,53).
Eine kürzere Antibiotikagabe war mit signifikant weniger (-21 %) Gastroenteritis und signifikant seltenerer (-26 %) Abwesenheit des Betreuungspersonals verbunden.
Schlussfolgerung der Autoren
Die Ergebnisse der Meta-Analyse deuten darauf hin, dass bei Kindern im Alter von 2 bis 59 Monaten mit nicht-schwerer CAP eine kürzere Antibiotikagabe einer längeren Antibiotikagabe nicht unterlegen ist. Daher sollten kürzere Antibiotikatherapien für die Behandlung der nicht-schweren pädiatrischen CAP in Betracht gezogen werden.
Fazit
Diese Studie bestätigt die immer stärkere Evidenz für kurze Therapiedauer. Gerade auch vor dem realen Hintergrund des Versorgungsengpasses mit Antibiotika, der Selektion von Antibiotikaresistenzen und den nachteiligen Effekten von Antibiotika auf das Mikrobiom erscheint es nicht mehr nur als eine Option, sondern sollte es eine ärztliche Pflicht sein, die Antibiotikatherapie so kurz wie möglich zu halten.
Li Q, Zhou Q, Florez ID, et al. Short-Course vs Long-Course Antibiotic Therapy for Children With Nonsevere Community-Acquired Pneumonia: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Pediatr. 2022;176(12):1199–1207. doi: 10.1001/jamapediatrics.2022.4123
23.03.2023
In der Primärversorgung werden häufig Antibiotika verschrieben, die das Risiko einer Antibiotikaresistenz in der Bevölkerung erhöhen.
In dieser pragmatischen randomisierten klinischen Studie in der Schweiz wurde untersucht, ob ein vierteljährliches Audit und Feedback zur Verschreibung von Antibiotika bei Hausärzten mit mittleren
bis hohen Verschreibungsrate den Antibiotika-Einsatz reduzieren kann.
Die Studie wurde von Januar 2018 bis Dezember 2019 bei 3.426 Hausärzten und Kinderärzten in der Schweiz durchgeführt, die zu den 75 % Ärzten mit den höchsten Antibiotikaverschreibungen
gehörten.
Hausärzte wurden im Verhältnis 1:1 randomisiert, um sich zwei Jahre lang einem vierteljährlichen Antibiotika-Verschreibungsaudit und einem Feedback mit Vergleich gegenüber ihren Kollegen
(Peer-Benchmarking) oder keiner Intervention zu unterziehen, wobei 2017 als Ausgangsjahr diente. Für die Prüfung und das Feedback wurden anonymisierte Daten auf Patientenebene von drei
Krankenversicherern verwendet, die etwa 50 % der Versicherten in der Schweiz umfassen. Die Interventionsgruppe erhielt außerdem evidenzbasierte Leitlinien für die Behandlung von Atemwegs- und
Harnwegsinfektionen sowie Informationen zur ambulanten Antibiotikaresistenz. Die Ärzte der Interventionsgruppe wurden über die Art der Studie verblindet, die Ärzte der Kontrollgruppe wurden nicht
über die Studie informiert.
Die für Audit und Feedback verwendeten Versicherungsdaten wurden für die Outcome-Analyse verwendet. Der primäre Endpunkt war die Antibiotika-Verschreibungsrate pro 100 Konsultationen im zweiten Jahr
der Intervention. Zu den sekundären Endpunkten gehörten der Gesamtantibiotikaverbrauch im ersten Jahr und über zwei Jahre, der Einsatz von Chinolonen und oralen Cephalosporinen,
Krankenhausaufenthalte jeglicher Ursache und der Antibiotikaverbrauch in drei Altersgruppen (≤ 5 Jahre, 6-65 Jahre, und > 65 Jahre).
Insgesamt wurden 3.426 Ärzte in die Interventions- (n = 1713) und Kontrollgruppe (n = 1713) randomisiert, die 629.825 bzw. 622.344 Patienten mit insgesamt 4.790.525 Konsultationen im Ausgangsjahr 2017 betreuten. In der gesamten Kohorte wurde im zweiten Jahr der Intervention im Vergleich zu 2017 ein relativer Anstieg der Antibiotika-Verschreibungsrate um 4,2 % festgestellt. In der Interventionsgruppe lag der Median der jährlichen Antibiotika-Verordnungsrate pro 100 Konsultationen im zweiten Jahr der Intervention bei 8,2 (IQR, 6,1-11,4) und in der Kontrollgruppe bei 8,4 (IQR, 6,0-11,8). Bezogen auf den Gesamtanstieg wurde in der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe eine um -0,1 % (95 % CI, -1,2 % bis 1,0 %) niedrigere Antibiotika-Verordnungsrate pro 100 Konsultationen festgestellt. Mit Ausnahme von Chinolonen im zweiten Jahr der Intervention (-0,9 % [95 % CI, -1,5 % bis -0,4 %]) wurde keine relevante Verringerung der Verschreibungsrate für bestimmte Antibiotika zwischen den Gruppen festgestellt.
Schlussfolgerung der Autoren
Bei den Hausärzten in der Schweiz mit mittlerer bis hoher Antibiotika-Verordnungsrate führte das vierteljährliche personalisierte Audit der Antibiotikaverschreibung und das Feedback mit Peer-Benchmarking nicht zu einer Reduktion der Antibiotikaverschreibung.
Fazit
Die Autoren führen einige mögliche Ursachen für die fehlende Wirksamkeit auf, die tatsächlich entscheidend sein könnten. So wurde das Feedback mit einer 6-monatigen Latenz gegeben, wodurch es als weniger relevant erscheint und kaum auf die aktuelle Situation bezogen werden kann. Außerdem enthalten die Versicherungsdaten keine Angaben zu Diagnosen, weswegen keine Aussagen gemacht werden können, ob die Antibiotikatherapie angemessen war.
Aghlmandi S, Halbeisen FS, Saccilotto R, et al. Effect of Antibiotic Prescription Audit and Feedback on Antibiotic Prescribing in Primary Care: A Randomized
Clinical Trial. JAMA Intern Med. 2023;183(3):213–220.
doi: 10.1001/jamainternmed.2022.6529
23.03.2023
Durch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird Deutschland im Hinblick auf die Tuberkulose-Fallzahlen als Niedriginzidenzland mit 4,9 pro 100.000 Einwohner eingestuft. Zudem sinken die
Fallzahlen seit 2019 kontinuierlich – bis vor kurzem, denn im Jahr 2022 wurde eine geringfügige Erhöhung verzeichnet. Eine mögliche Ursache stellen die Folgen des Ukraine-Kriegs dar. Menschen, die
aus einem Land mit einer höheren Inzidenz (70 pro 100.000 Einwohner) stammen, haben ein erhöhtes Risiko sich mit Tuberkulose zu infizieren und daran zu erkranken. Enger Kontakt mit an offener
Lungentuberkulose erkrankten Personen, aber auch andere Faktoren wie beengte Wohnverhältnisse und schlechte Hygienebedingungen, stellen eine Bedrohung dar. Flucht und Migration begünstigen diese
Faktoren, sodass die Zahlen in Niedriginzidenzländern steigen können.
Ziel der WHO ist es, die Zahl der Neuerkrankungen auf weniger als 1 pro 100.000 Einwohnung bis zum Jahr 2035 zu senken. Dies bedarf jedoch einer fächerübergreifenden Kooperation aller Mitwirkenden.
Zudem muss der Tuberkulosekontrolle eine höhere Bedeutung zugeschrieben werden. Um diese Thematik in der Öffentlichkeit zu platzieren und diese für die gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen
Folgen zu sensibilisieren, gedenken wir am 24. März dem Welt-Tuberkulose-Tag. Mehr Informationen
23.03.2023
Infektionskrankheiten gehören zu den größten Herausforderungen der Gesundheitswesen weltweit. Die COVID-19-Pandemie hat das sehr eindrücklich verdeutlicht. Die Gesundheit von Mensch, Tier und
Umwelt ist eng miteinander verknüpft: Um neue Krankheiten zu verhindern und die globale Gesundheit zu verbessern, müssen daher Zusammenhänge und Abhängigkeiten verstanden werden. Dafür steht der
One-Health-Ansatz.
Prof. Leendertz ist Biologe und Veterinärmediziner. Als Gründungsdirektor des neu gegründeten Helmholtz-Instituts für One Health in Greifswald spricht er im Rahmen der Sepsis-Akademie zu „One Health
– oder der Blick über den Tellerrand“. Jetzt Video ansehen
23.03.2023
Liebe Leserinnen und Leser,
mit großer Freude darf ich mich bei Ihnen als neuer Mitherausgeber der Zeitschrift für Infektionstherapie vorstellen.
Ich bin Internist und klinischer Infektiologie und als Leitender Arzt in der Klinik für Infektiologie & Spitalhygiene am Kantonsspital St. Gallen in der Schweiz tätig. Weiterhin bin ich
Titularprofessor an der Universität Zürich und Mitglied der Programmleitung des Joint Medical Masters in St. Gallen (JMM-HSG/UZH).
Nach meinem Medizinstudium an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und an der Harvard Medical School in Boston, absolvierte ich meine Facharztausbildung in Innerer Medizin in der
Medizinischen Klinik Ziemssenstraße der LMU München sowie am Beth Israel Deaconess Medical Center/Harvard Medical School in Boston und anschließend meine Facharztausbildung in Infektiologie an der
Emory University in Atlanta. Nach einem Fellowship an der Respiratory and Meningeal Pathogens Research Unit am Chris Hani Baragwanath Hospital in Soweto/ University of the Witwatersrand,
Johannesburg, wo ich zu Pneumokokken-Epidemiologie und -Diagnostik forschte, kam ich 2007 in die Schweiz. Hier arbeitete ich zunächst am Institut für Infektionskrankheiten der Universität Bern, dann
an der Medizinischen Universitätsklinik am Kantonsspital Aarau und seit 10 Jahren nun am Kantonsspital St. Gallen.
Ich bin aktiv in der Patientenversorgung im Bereich der gesamten Infektiologie, in der medizinischen Lehre sowie in der klinischen und translationalen Forschung tätig. Meine klinischen und
wissenschaftlichen Schwerpunkte liegen im Bereich der Atemwegsinfektionen, der Infektionen auf Intensivstationen und des rationalen Antibiotikaeinsatzes.
Infektiologische Herausforderungen begegnen uns täglich nicht erst seit der COVID-19-Pandemie, sondern auch durch die zunehmenden Probleme der Antibiotikaresistenz und eine immer komplexere
Hochleistungsmedizin. Entsprechend werden auch wieder vermehrt neue Antiinfektiva entwickelt und getestet und das Interesse daran ist beträchtlich.
Zusammen mit Prof. Mathias Pletz freue ich mich, Ihnen auch in Zukunft spannende Neuigkeiten auf dem Gebiet der Infektionstherapie präsentieren zu dürfen.
Herzliche Grüße
Ihr
Werner Albrich
24.02.2023
Doxycyclin wird in Leitlinien als eine Behandlungsoption für die leichte, ambulant erworbene Lungenentzündung (CAP) bei Erwachsenen empfohlen. Da es ein „altes” Antibiotikum ist, gibt es dazu nur
wenige aktuelle Daten. In der nachfolgenden Arbeit wurde die Datenlage zur Wirksamkeit von Doxycyclin bei erwachsenen Patienten mit leichter bis mittelschwerer CAP überprüfend zusammengefasst.
Hierzu wurde eine systematische Übersichtsarbeit und Meta-Analyse von randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) zu Doxycyclin im Vergleich zu einem anderen Vergleichspräparat durchgeführt.
Der primäre Endpunkt war die klinische Heilungsrate. Meta-Analysen mit randomisierten Effektenmodellen wurden verwendet, um gepoolte Odds Ratio zu erstellen und Heterogenität zu evaluieren. Das Risiko von Verzerrungen und die Qualität der Evidenz wurden mit dem Cochrane Risk of Bias 2.0-Tool und GRADE-Methoden bewertet. Es wurden dazu 6 RCTs mit 834 klinisch evaluierbaren Patienten eingeschlossen. Die Studien fanden zwischen 1984 und 2004 statt.
Die klinische Heilungsrate war zwischen der Doxycyclin- und der Vergleichsgruppe ähnlich (87,2% [381/437] gegenüber 82,6 % [328/397]). Eine Subgruppenanalyse von zwei Studien mit einem niedrigen
Bias-Risiko ergab signifikant höhere klinische Heilungsraten in der Doxycyclin-Gruppe (87,1 % [196/225] gegenüber 77,8 % [165/212]). Die Raten unerwünschter Ereignisse waren in der Doxycyclin-Gruppe
und der Vergleichsgruppe vergleichbar.
Vergleichstherapien waren drei Makrolide (Roxithromycin, Spiramycin und Erythromycin) und drei Fluorchinolone (Ofloxacin, Fleroxacin und Levofloxacin). Vier Studien wiesen insgesamt hohe Bias-Risiken
auf.
Schlussfolgerung der Autoren
Die Wirksamkeit von Doxycyclin war bei leichter bis mittelschwerer CAP mit der von Makroliden oder Fluorchinolonen vergleichbar und stellt somit eine praktikable Behandlungsoption dar. Allerdings
sind die Studien relativ alt. Um eine aktuelle Aussage treffen zu können, sind neue Studien erforderlich.
Sang-Ho Choi et al. Efficacy of Doxycycline for Mild-to-Moderate Community-Acquired Pneumonia in Adults: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized
Controlled Trials, Clinical Infectious Diseases, Volume 76, Issue 4, 15 February 2023, Pages 683–691, DOI: 10.1093/cid/ciac615
24.02.2023
In dieser Meta-Analyse wurde das Risiko einer Myokarditis/Perikarditis nach einer COVID-19-Impfung ausgewertet. Bis zum März 2022 erfolgte eine systematische Literatursuche in sieben Online-Datenbanken. Die Heterogenität wurde anhand des I2-Index geprüft. RR und 95 % CI wurden entweder durch Modelle mit zufälligen oder festen Effekten gepoolt. Es wurden auch Sensitivitätsanalysen durchgeführt. Insgesamt wurden 11 Studien mit insgesamt 58.620.611 Personen einbezogen. Die COVID-19-Impfung war mit einem erhöhten Risiko für Myokarditis oder Perikarditis assoziiert (RR=2,04; 95 % CI=1,33, 3,14). Darüber hinaus wurde ein gegenüber der ersten Dosis erhöhtes Risiko für Myokarditis oder Perikarditis bei Personen nach der zweiten Dosis festgestellt (RR=4,06; 95 % CI=2,08, 7,92). Eine erhöhte Inzidenz von Perikarditis oder Myokarditis wurde vor allem bei Personen gefunden, die die Impfstoffe BNT162b (COMIRNATY) und mRNA-1273 (SPIKEVAX) erhielten.
Fazit
Die derzeitigen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass die COVID-19-Impfung mit einem erhöhten Risiko für Myokarditis oder Perikarditis verbunden ist. Außerdem haben Personen, die die zweite Dosis
erhalten haben, im Vergleich zur ersten Dosis ein höheres Risiko, an Myokarditis oder Perikarditis zu erkranken. Daher sollten Entscheidungen über die COVID-19-Impfung eine Risikobewertung des
Nutzens der COVID-19-Impfung in allen Alters- und Geschlechtsgruppen beinhalten. Die Ergebnisse sind jedoch durch die Anzahl und Qualität der eingeschlossenen Studien begrenzt, und es sind weitere
gut konzipierte Studien erforderlich, um die möglichen Mechanismen zu erklären, durch die COVID-19-Impfstoffe das Risiko einer Myokarditis oder Perikarditis erhöhen können.
Gao J et al. A Systematic Review and Meta-analysis of the Association Between SARS-CoV-2 Vaccination and Myocarditis or Pericarditis. Am J Prev Med. 2023
Feb;64(2):275-284.
doi: 10.1016/j.amepre.2022.09.002. Epub 2022 Sep 26.
27.1.2023
Am 5. Januar 2023 verstarb Prof. Ralf Stahlmann, ehemals kommissarischer und stellvertretender Direktor des Instituts für Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Charité – Universitätsmedizin
Berlin. Ralf Stahlmann ist nach langer, geduldig ertragener schwerer Erkrankung in seinem Haus in Berlin-Lichterfelde friedlich eingeschlafen.
Ralf Stahlmann wurde am 10. Februar 1950 in Mennighüffen, einem Ortsteil der Stadt Löhne in Nordrhein-Westfalen, geboren. Er absolvierte sein Abitur in Bad Oeynhausen und studierte von 1968 bis 1974
erfolgreich Pharmazie in Hamburg sowie von 1974 bis 1980 Medizin in Berlin. 1981 folgte die Promotion zum Thema „Pharmakokinetik und therapeutische Anwendung neuer oraler Cephalosporin-Antibiotika“
im Forschungslabor Antiinfektiva (Prof. H. Lode) des Klinikums Steglitz der FU Berlin. Von 1980 bis 2000 war er wissenschaftlicher Assistent am Institut für Toxikologie und Embryonalpharmakologie der
FU Berlin (Prof. D. Neubert), an dem er 1989 im Fach Pharmakologie und Toxikologie mit einer Arbeit über „Untersuchungen zur Reproduktionstoxizität von Chemotherapeutika“ habilitiert wurde. Von 1992
bis 1993 arbeitete Ralf Stahlmann als Visiting Professor am Department of Pharmacology and Toxicology, Purdue University, West Lafayette, USA, und trat im Juli 1992 der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für
Infektionstherapie e.V. bei, in der er bis zum Ende ein engagiertes und allseits beliebtes Mitglied war. 1995 erfolgte die Ernennung zum außerplanmäßigen Professor an der FU Berlin. Von 2000 bis 2010
war er Universitätsprofessor (C3/W2) im Fachbereich Humanmedizin und fungierte dabei zunächst als kommissarischer, später als stellvertretender Direktor am Institut für Klinische Pharmakologie und
Toxikologie der Charité (Prof. R. Kreutz). 2008 initiierte Ralf Stahlmann den Masterstudiengang Toxikologie an der Charité, den er bis 2018 leitete. Weiterhin war er von 2005 bis 2021 Vorsitzender
der Ethikkommission der Charité (Ausschuss CBF). Seit 2015 repräsentierte er Deutschland als Mitglied im RAC (Risk Assessment Committee) der European Chemical Agency in Helsinki.
Wissenschaftliche Schwerpunkte von Ralf Stahlmann waren die Arzneimittel- und Reproduktionstoxikologie. So erarbeitete er mit seiner Forschungsgruppe in Zell- und Tierexperimenten unter anderem
grundlegende Erkenntnisse zur Toxikologie von Fluorchinolonen.
Der Verfasser dieses Nachrufs hatte das Privileg mit dem Verstorbenen über 40 Jahre in freundschaftlicher, kollegialer und erfolgreicher Zusammenarbeit die Zeitschrift für Chemotherapie (heute:
Zeitschrift für Infektionstherapie) herauszugeben. Ralf Stahlmann war die Seele der Zeitschrift und hatte eine besondere Begabung auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Publizistik. Zahlreiche
gemeinsame wissenschaftliche Publikationen beruhten auf dieser produktiven Kooperation, die geprägt war durch beiderseitiges, intensives Interesse an den Fortschritten der Infektionstherapie.
Privat war Ralf ein Freund der klassischen Musik. Er widmete sich intensiv seiner Familie und hinterlässt eine sehr fürsorgliche Ehefrau, zwei Töchter und drei Enkel. Technische Neuigkeiten in der
Musik- und Medienwelt faszinierten ihn und er fotografierte leidenschaftlich gerne und gut. Im Urlaub zog es ihn immer wieder nach Spanien, da die spanische Mentalität ihm sehr zusagte und eine
wirksame Erholung garantierte.
Ralf Stahlmann war ein stets positiv denkender, in sich ruhender, breit interessierter und kluger Mensch, den wir sehr vermissen werden.
Prof. Hartmut Lode
Gründungsherausgeber der
Zeitschrift für Infektionsmedizin
27.1.2023
►COVID-19 Kompendium (4., erw. u. akt. Auflage)
►COVID-19 Erkrankungen weltweit
Website der Johns Hopkins University
►COVID-19 Erkrankungen in Deutschland (Landkreise)