Streptococcus pyogenes

Morphologie, Kultur und Zellaufbau


Streptococcus pyogenes gehört zu den grampositiven Kokken, die sich in Ketten lagern. Die Zellwand von Streptokokkenzellen weist einige Besonderheiten auf. Der hohe Gehalt der Peptidoglykanschicht (Mureinschicht) an Kohlenhydraten (C-Polysaccharid) verleiht den Zellen eine sehr feste Struktur. Das C-Polysaccharid ist antigen wirksam. Es ist bei einigen Arten, vor allem ß-hämolysierenden Streptokokken, speziesspezifisch und wird dann als Gruppenantigen bezeichnet. Die von der amerikanischen Mikrobiologin Rebecca Lancefield eingeführte Einteilung der Streptokokken und Enterokokken in die serologischen Gruppen A, B, C, D usw. beruht auf diesen Antigenmerkmalen. Streptokokken der serologischen Gruppe A gehören zur Spezies Streptococcus pyogenes. Als weiteres Antigen bei Streptococcus pyogenes wirkt das M-Protein. Dieses Merkmal gestattet die Unterteilung in Serovars. Die Typisierung beruht heute meist auf der Sequenzierung der Gene der M-Proteine (emm-Gene). Zur Zeit sind mehr als 150 verschiedene emm-Typen bekannt. Das M-Protein hat eine antiphagozytäre Wirkung.

 


Pathogenese und Krankheitsbilder


Reservoir für Streptococcus pyogenes ist der Mensch. Insbesondere der Rachen wird besiedelt, vorzugsweise in den Wintermonaten. Als Hauptvirulenzfaktor gilt das M-Protein, das die Vermehrung der Streptokokken im Wirt erst ermöglicht. Die Zellwand, speziell der Komplex aus Peptidoglykan und C-Polysaccharid, übt eine Gewebetoxizität aus, die auch von abgestorbenen Streptokokkenzellen ausgeht. Darüber hinaus bilden die A-Streptokokken zahlreiche Exotoxine. Die Hämolysine Streptolysin O und S zerstören die Membranen von Erythrozyten und anderen Zellen. Streptolysin O wirkt als Antigen, das durch Messen von Antikörpern gegen dieses Toxin nachgewiesen werden kann (Antistreptolysin-Titer). Die pyrogenen Streptokokken-Exotoxine (PSE) A, B, C sind verantwortlich für Fieber, Exanthem und Enanthem bei Scharlach sowie Sepsis und Toxic-Shock-Syndrom. Sie wirken als Superantigene, die eine Freisetzung großer Mengen an Zytokinen bewirken. Die Enzyme Streptokinase, DNAse und Hyaluronidase begünstigen die Ausbreitung der Infektion im Gewebe.

Streptococcus pyogenes-Infektionen gehören zu den häufigsten Infektionskrankheiten. Sie treten meist bei Kindern mit einem Gipfel in der Altersgruppe der 4- bis 7-Jährigen auf. Die Zahl der akuten Streptokokken-Pharyngitiden in Deutschland wird auf 1 bis 1,5 Millionen pro Jahr geschätzt. Nur ein Teil der Infektionen verläuft klinisch apparent, d.h. das Reservoir der hauptsächlich durch direkten Kontakt oder Tröpfchen übertragenen Erreger ist größer.

Die Inkubationszeit beträgt ein bis drei Tage. Bei den Krankheitsbildern muss zwischen den akuten invasiven Infektionen und den Folgekrankheiten (s. u.) unterschieden werden. Die Erreger dringen über die verletzte Haut oder Schleimhaut ein und verursachen lokale Infektionen, die in eine Sepsis übergehen können. In der überwiegenden Zahl der Infektionen ist der obere Respirationstrakt betroffen. Ausgehend von der Streptokokkenpharyngitis, die sich zumeist als hochfieberhafte, exsudative Tonsillitis darstellt, können Peritonsillarabszess, Sinusitis oder andere Komplikationen entstehen. Der Scharlach ist eine Sonderform der Streptokokkenpharyngitis, bei dem neben der Angina ein kleinfleckiges Exanthem (und Enanthem) zu beobachten ist. Eine zweite Gruppe von Erkrankungen stellen die Infektionen der Haut (Pyodermien, Impetigo, Erysipel) dar. Eine sehr schwere Erkrankung ist die nekrotisierende Fasciitis mit oder ohne Myositis. Das Besondere an dieser Infektion ist der plötzliche Beginn der Symptome, die rasche Progression bei normalerweise gesunden Personen und das Toxic-Shock-Syndrom. Die Erreger produzieren die Exotoxine A, B und selten C.

Eine wichtige Spätfolge ist das akute rheumatische Fieber, eine entzündliche Systemerkrankung, die nach einer Streptokokkeninfektion des Respirationstraktes auftritt. Sie kann sich an Herz, Gelenken, Nervensystem, Haut und dem subkutanen Gewebe (Unterhaut) manifestieren. Die Ursache hierfür ist eine Kreuzreaktivität zwischen M-Protein und zellulären Bestandteilen der Muskelzellen (Tropomyosin und Myosin). Die Häufigkeit des Auftretens wird auf zwei Fälle pro 100.000 Einwohner geschätzt. Weitere Folgeerkrankungen sind die akute Glomerulonephritis sowie eine Typ-II-Immunkrankheit.

 


Diagnostik


Die Diagnostik erfolgt durch den kulturellen Nachweis (Bestimmung der Serogruppe) auf Blutagar-Platten. Die auf der Basis eines Antigennachweises z. Zt. verfügbaren Schnelltests sind nach Angaben des Robert Koch Instituts nicht sensitiv genug. Antikörpernachweise sind nur bei Verdacht auf eine Streptokokken-Folgeerkrankung sinnvoll.

 


Therapie


Eine Resistenz gegen Penicillin (div. Warenzeichen) ist bisher nicht beobachtet worden. Therapie der ersten Wahl ist daher die 10-tägige Gabe von Penicillin (oral oder parenteral). Bei Penicillin-Allergie kommt ein Makrolid-Antibiotikum in Betracht. Allerdings sind 8-15% der Isolate resistent gegenüber Makroliden. Das Wirkungsspektrum von Telithromycin (KETEK) erfasst auch die Mehrzahl der Makrolid-resistenten Stämme. Fluorchinolone sowie Cotrimoxazol (EUSAPRIM, COTRIM HEXAL FORTE u.a.) wirken nicht zuverlässig. Bei schweren systemischen Infektionen (Sepsis, Toxic-Shock-Syndrome, nekrotisierende Fasciitis) wird die Gabe von parenteralem Penicillin in Kombination mit Clindamycin (SOBELIN, CLINDAHEXAL u.a.) empfohlen. Patienten mit rheumatischem Fieber sollten eine Rezidivprophylaxe mit Benzathin-Penicillin (TARDOCILLIN u.a.) erhalten. Sie sollte mindestens über fünf Jahre gegeben werden, nach einem Rezidiv lebenslang.

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