Ergänzungen am Ende des Textes
Morphologie und Kultur
Die Art Streptococcus pneumoniae (Pneumokokken) sind grampositive, rund-oval bis lanzettförmige Kokken mit einer Größe von 0,5-1,25 mm, die wie es die frühere Bezeichnung „Diplococcus pneumoniae“ zum Ausdruck bringt, meist paarweise gelagert sind. Die aneinanderliegenden Zellen sind von einer Polysaccharidkapsel umgeben. Aufgrund der chemischen Struktur können die Kapselpolysaccharide in serologische Typen (Serovars) unterschieden werden.
Pneumokokken benötigen ein komplexes Medium zur Vermehrung. Das Medium der Wahl sind Blutagar-Platten. Auf diesen entwickeln sich in aerober Atmosphäre schleimige Kolonien, die durch die Lichtreflexion bedingt hell glänzend erscheinen. Oft bildet sich um die Kolonien ein vergrünender Hof (α-Hämolyse). Ein Zusatz von CO2 zur Atmosphäre begünstigt die Anzüchtung der meisten Stämme.
Pathogenese und Krankheitsbilder
Die entscheidende Rolle für die Pathogenität besitzt die Polysaccharidkapsel. Die Kapselpolysaccharide werden während der Vermehrung in die Umgebung abgegeben, wodurch Antikörper neutralisiert werden und die für die Phagozytose notwendige Opsonierung der Erreger unterbleibt. Allerdings bestehen große Unterschiede in der Virulenz einzelner Kapseltypen. Unbekapselte Stämme sind avirulent. Mögliche weitere Virulenzfaktoren sind Pneumolysin, ein sauerstofflabiles hämolysierendes Enzym, sowie eine IgA1-Protease.
Antikörper gegen die Kapselpolysaccharide verleihen ein hohes Maß an typenspezifischer Immunität. Nach der dänischen Nomenklatur können derzeit 90 verschiedene Serotypen unterschieden werden. Davon sind 10-20 für den überwiegenden Anteil der Infektionen beim Menschen verantwortlich. Bei einigen Pneumokokkenerkrankungen (z. B. Sepsis und Meningitis) treten bestimmte Serotypen besonders häufig auf. Ebenso bestehen Unterschiede in der Serotypenverteilung zwischen Kindern und Erwachsenen. Darüber hinaus sind geographische Unterschiede festzustellen, wobei sich die Serotypenverteilung über die Zeit ändern kann.
Pneumokokken besiedeln die Schleimhäute des oberen Respirationstraktes. Die Trägerrate bei gesunden Erwachsenen variiert zwischen 40% und 70%. Die Infektionen erfolgen zumeist endogen. Die wichtigste Pneumokokken-Erkrankung ist die Pneumonie, wobei die Lobärpneumonie heute nicht mehr so häufig vorkommt wie früher. Die Lobärpneumonie tritt meist bei Patienten mit lokaler oder allgemeiner Abwehrschwäche auf (z. B. Influenza). Risikofaktoren für Pneumokokkeninfektionen sind hohes Lebensalter, kardiopulmonale Grunderkrankungen sowie Alkoholabusus. Bei stark infektgefährdeten Patienten (z. B. granulozytopenische Patienten, Patienten mit Milzexstirpation) hat die Pneumokokkenpneumonie eine besonders schlechte Prognose. Schwere Pneumokokken-infektionen verlaufen zumeist bakteriämisch und führen häufig zu weiteren Komplikationen (Meningitis, Peritonitis).
Häufiger als die Lobärpneumonie ist heute die Bronchopneumonie. Weitere Erkrankungen, die häufig von Pneumokokken verursacht werden, sind die akute Exazerbation der chronisch obstruktiven Bronchitis, Sinusitis, Otitis media sowie Meningitis.
Diagnostik
Die mikrobiologische Diagnostik erfolgt mikroskopisch und kulturell. Pneumokokken lassen sich gut auf Blutagar-Platten bzw. in bluthaltigen Flüssignährmedien anzüchten. Allerdings sollte der Zeitraum zwischen Probengewinnung und Verarbeitung möglichst kurz sein, da das autolytische Enzymsystem der Pneumokokken zum raschen Absterben der Erreger führen kann.
Bei der Bestimmung der Antibiotikaempfindlichkeit ist der Nachweis von Pneumokokken mit verminderter Penicillinempfindlichkeit (MHK ≥ 0,1 mg/l) von Bedeutung. Die verminderte Penicillinempfindlichkeit wird durch Veränderungen in den Penicillin-bindenden Proteinen (PBPs) erreicht. Gleichzeitig ist auch die Affinität von Cephalosporinen und Carbapenemen zu den PBPs reduziert. Die Resistenz ist chromosomal bedingt und entsteht durch Mutation. Die Resistenzgene können sowohl von Stamm zu Stamm als auch von Streptokokken der Viridans-Gruppe auf Pneumokokken übertragen werden. Der Anteil von Stämmen mit niedriggradiger Penicillinresistenz (MHK 0,1-1 mg/l) liegt in Deutschland bei 5-10%. Hochgradig penicillinresistente Stämme (MHK ≥ 2 mg/l) sind hierzulande nach wie vor sehr selten (<1%).
Im Gegensatz hierzu nahm nach den Angaben des Nationalen Referenzzentrums für Streptokokken die Prävalenz der Makrolidresistenz bei den invasiven Pneumokokken in dem Zeitraum von 1992 bis 2000 von 3,0% auf 15,3% zu. Unter den Isolaten von pädiatrischen Patienten fanden sich im Mittel sogar fast 30% resistente Stämme. Bei einem Großteil der Makrolid-resistenten Stämme findet sich eine Kreuzresistenz mit Clindamycin (SOBELIN u.a.) und darüber hinaus eine Resistenz gegen Chloramphenicol (PARAXIN u.a.), Cotrimoxazol (EUSAPRIM u.a.) und Tetracycline.
Therapie
Antibiotikum der ersten Wahl bei Pneumokokkeninfektionen ist nach wie vor Penicillin (diverse Handelsnamen). Bei adäquater Dosierung können auch Infektionen durch Stämme mit niedriggradiger Penicillinresistenz erfolgreich mit Penicillin behandelt werden. Bei der Pneumokokken-Meningitis führt aber auch die niedriggradige Penicillinresistenz zu Therapieversagen, weil die zur Abtötung der Pneumokokken notwendigen Wirkstoff-konzentrationen im Liquor nicht erreicht werden. Bei einem Teil der Patienten mit Meningitis durch hochgradig penicillinresistente Pneumokokken sind auch Cefotaxim (CLAFORAN u.a.) und Ceftriaxon (ROCEPHIN u.a.) unwirksam.
Penicillinresistente Stämme sind stets sensibel gegenüber Rifampicin (RIFA u.a.) und Vancomycin (VANCOMYCIN CP u.a.). Imipenem (ZIENAM) und Meropenem (MERONEM) sind in vitro ebenfalls noch wirksam. Das Wirkungsspektrum von Telithromycin (KETEK) erfasst auch Makrolid-resistente Pneumokokken. Telithromycin ist der erste Vertreter der Ketolide, die sich chemisch von den Makroliden ableiten. Die älteren Fluorchinolone Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) und Ofloxacin (TARIVID u.a.) sind keine wirksamen Substanzen zur Therapie von Pneumokokkeninfektionen. Dagegen besitzen die neueren Fluorchinolone Levofloxacin (TAVANIC u.a.) und Moxifloxacin (AVALOX u.a.) auch eine Zulassung für die Therapie der Pneumokokkenpneumonie. Eine Resistenz gegenüber neueren Fluorchinolonen ist in Deutschland bisher nur in Einzelfällen nachgewiesen worden.
Ergänzung 2017
Die WHO hat Ende Februar 2017 eine Liste von bakteriellen Krankheitserregern publiziert, die aufgrund ihrer Antibiotikaresistenz eine Bedrohung darstellen. Die Dringlichkeit des Bedarfs für neue Antibiotika zur Therapie von Infektionen durch Penicillin-resistente Pneumokokken wird auf dieser Liste als "mittelgradig" eingestuft.
WHO, 27. Februar 2017; www.who.int