Streptococcus agalactiae gehört aufgrund der Antigenmerkmale zur serologischen Gruppe B der Streptokokken (GBS). Morphologisch handelt es sich um grampositive, runde in Ketten gelagerte Bakterien. Auf Schafblut-haltigen Nährböden bilden sich um die Kolonien Hämolysehöfe (ß-Hämolyse). Die Hämolyse ist aber meist schwächer ausgeprägt als diejenige von Gruppe A-Streptokokken.
Streptococcus agalactiae ist der Hauptverursacher einer Sepsis bei Neugeborenen und jungen Säuglingen. Darüber hinaus verursachen GBS bei Erwachsenen mit Abwehrschwäche Septikämien und andere Infektionen.
Die Neugeborenensepsis (mit oder ohne Meningitis) tritt mit einer Inzidenz von 1/1000 Lebendgeborenen auf. Die Infektion kann entweder in den drei ersten Lebenstagen (early onset type, >90%) oder später auftreten (late onset type, max. 10%). Bei der frühen Form der Krankheit werden die Erreger intra partum von der Mutter auf das Kind übertragen, während bei der späten Form eine Übertragung sowohl von der Mutter her als auch aus der Umgebung erfolgen kann. Die Inkubationszeit ist bei perinatalen Infektionen schwer zu definieren, da der Infektion häufig eine unbestimmbare Zeit der Kolonisation vorausgeht.
GBS gehören zur Normalflora des Genitaltraktes. 5-20% der Frauen haben eine vaginale Kolonisation. Ein zusätzliches Habitat stellt das Rektum dar. Für die Adhärenz der Bakterien an menschliche Epithelzellen sind bestimmte Fibrinogen-bindende Proteine verantwortlich. Die Besiedlung des mütterlichen Genitaltraktes kann allein nicht als Risiko für das Neugeborene angesehen werden, sondern es müssen weitere Risikofaktoren wie vorzeitiger Blasensprung oder geringes Geburtsgewicht hinzukommen. Ein wesentlicher Risikofaktor scheint das Fehlen von Antikörpern gegen die Polysaccharid-Antigene zu sein.
Die Diagnose der GBS-Erkrankung erfolgt üblicherweise durch Anzüchtung aus geeignetem Untersuchungsmaterial - bei der Neugeborenen-Erkrankung aus Blut und/oder Liquor – und anschließender serologischer Gruppierung. Bei klinischem Sepsis-Verdacht kann auch der Nachweis von mehreren Hautabstrichen oder den Körperöffnungen des Kindes ein Hinweis auf die Ätiologie geben. Wegen der oft uncharakteristischen Symptome und der meist raschen Verschlechterung des Allgemeinzustandes sind die kulturellen Methoden in erster Linie zur Bestätigung der Verdachtsdiagnose nützlich. Der immunologische Nachweis von B-Streptokokken-Antigen im Urin oder Liquor (Latextest) hat nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie aufgrund mangelnder Spezifität für die praktisch klinische Anwendung enttäuscht.
Die Neugeborenensepsis durch GBS wird wegen der ernsten Prognose der Erkrankung mit einer Kombination von Penicillin G [(PENICILLIN GRÜNENTHAL u.a.) 300.000 IE/kg KG/Tag in 4-6 Einzeldosen] oder Ampicillin [(BINOTAL u.a.) 200 mg/kg KG/Tag in 3 Einzeldosen] mit einem Aminoglykosid [z. B. Gentamicin (REFOBACIN u.a.)] für mindestens 5 Tage behandelt (ausgeprägter Synergismus zwischen Penicillinen und Aminoglykosiden!). Cephalosporine sind eine Alternative zu den Penicillinen. Isolate mit verminderter Empfindlichkeit gegenüber b-Lactam-Antibiotika oder hochgradiger Resistenz gegenüber Gentamicin kommen in Deutschland praktisch nicht vor. Die natürliche Empfindlichkeit von B-Streptokokken gegenüber Penicillinen ist aber um den Faktor 10 geringer als die von A-Streptokokken. Der Anteil von Isolaten mit Resistenz gegen Erythromycin (ERYTHROCIN u.a.) an allen B-Streptokokken wird mit ca. 10% angegeben.
Beim Nachweis einer B-Streptokokken-Besiedelung zwischen der 35. und 37. Woche wird der Schwangeren eine Chemoprophylaxe zum Zeitpunkt der Geburt nahegelegt. In Frage kommen Penicillin G (zu Beginn 5 Mio. IE i.v. und anschließend 2,5 Mio. IE i.v. alle 4 Stunden bis zur Entbindung) oder Ampicillin (zu Beginn 2 g i.v. und anschließend 1 g i.v. alle 4 Stunden bis zur Entbindung). Bei Penicillinallergie können Clindamycin [(SOBELIN u.a.) 900 mg i.v.] alle 8 Stunden - in Deutschland mit dieser Indikation nicht ausdrücklich zugelassen) oder Erythromycin (500 mg i.v. alle 6 Stunden) bis zur Entbindung verabreicht werden. Beim Einsatz von Erythromycin sollte aufgrund der Resistenzsituation (hierzulande ca. 10%) zuvor eine Empfindlichkeitsprüfung durchgeführt werden, um ein Versagen der Infektionsprophylaxe zu vermeiden.