Corynebacterium diphtheriae, Corynebacterium ulcerans

 (aus ZCT 5-2009)

 

Taxonomie, Morphologie und Kultur

 

Corynebakterien sind grampositive, unbewegliche Stäbchenbakterien. Unterschieden werden bei C. diphtheriaedie Biotypen gravis, mitis, belfanti und intermedius. Im mikroskopischen Präparat lässt sich gelegentlich eine charakteristische V-förmige Lagerung beobachten.

 

 

Epidemiologie

 

Corynebakterien kommen weltweit vor, in Europa gab es Ausbrüche in den frühen 90er Jahren in Russland und anderen Staaten der früheren Sowjetunion, gegenwärtig ist in Europa Litauen betroffen;1 außerhalb Europas werden Häufungen besonders in Indien beobachtet.2 In Deutschland wurden zwei Fälle im Jahr 2007 gemeldet, im Jahr 2008 wurde kein Fall registriert. Einziges Erregerreservoir ist der Mensch. Am häufigsten ist die aerogene Übertragung der Erreger (Tröpfcheninfektion), bei der Hautdiphtherie ist auch die Schmierinfektion relevant. Geimpfte Personen können den Keim übertragen, ohne selbst zu erkranken! Die Dauer der Ansteckungsfähigkeit ist vom Vorhandensein der Erreger abhängig und beträgt ohne antibiotische Therapie etwa zwei bis vier Wochen, bei Therapie zwei bis vier Tage. In neuerer Zeit werden auch C. ulcerans-Stämme bei Patienten mit Diphtherie nachgewiesen, die ein dem Diphtherietoxin nahe verwandtes Toxin produzieren.3 Epidemiologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass es sich bei diesen Infektionen um eine Zoonose handeln könnte.

 

 

Pathogenese, Krankheitsbild

 

Die Übertragung des Gens für die Bildung von Diphtherietoxin erfolgt durch Bakteriophagen  (tox+ Phagen), daher existieren C. diphtheriae- bzw. C. ulcerans-Stämme mit und ohne Toxinbildung. Unter der Einwirkung des Diphtherietoxins ist eine Verringerung der Nervenleitgeschwindigkeit zu beobachten (Polyneuritis), es treten Gaumensegellähmung, Lähmung der Schluckmuskulatur sowie eine Akkomodationsstörung auf. Das EKG verändert sich im Sinne von ST-Senkungen, T-Negativierungen undAV- bzw. Linksschenkelblock. Das Krankheitsbild der Rachendiphtherie (Inkubationszeit 2-5 Tage) ist durch eine fest haftende Pseudomembran, welche die Tonsillen überschreitet, gekennzeichnet; eine Ausbreitung auf Gaumen und Uvula bis zum Kehlkopf ist möglich. Bei Ablösung der Membranen kann es zu Blutungen kommen. Die Patienten leiden unter Halsschmerzen, Schluckbeschwerden und die zugehörenden Halslymphknoten sind geschwollen („Caesaren-Hals“). Als besonders charakteristisch wird ein deutlich wahrnehmbarer süßlicher Geruch beschrieben. Andere mögliche klinische Manifestationen sind Augendiphtherie, Nasendiphtherie (mit blutig-schleimigem Ausfluss) sowie Haut- bzw. Wunddiphtherie. Die letzte Form kann gelegentlich auch von Tropenreisenden (Rucksacktouristen) eingeschleppt werden.4 Prognostisch bedeutsam ist die Entstehung einer Myokarditis. Der Tod der Patienten erfolgt durch eine plötzliche Verlegung der Atemwege oder durch Herzversagen. Die Letalität liegt meist zwischen 5 und 10%, bis zu 25% ist jedoch möglich. Weitere wichtige, aber seltene Manifestationen von Infektionen durch C. diphtheriae (meist nicht-toxische Stämme) sind: Endokarditis,5 Sepsis, Arthritis, Osteomyelitis und Hirnabszesse.

 

 

Diagnostik

 

Bei klinischem Verdacht auf eine Diphtherie ist das mikrobiologische Labor umgehend zu informieren, um bei dem kulturellen Ansatz entsprechende Medien einsetzen zu können. Zur Untersuchung geeignet sind Rachenabstriche mit Entnahme unter den Pseudomembranen sowie Nasen- oder Wundabstriche, ggf. Gewebe. Ein wiederholter Nachweis von Corynebakterien in Blutkulturen sollte nicht als Kontamination abgetan werden! Der Toxinnachweis (ELEK-Test, PCR) ist gegenwärtig nur in wenigen Laboratorien verfügbar. 

 

 

Therapie, Prävention, Meldepflicht

 

Die Therapie besteht schon bei Erkrankungsverdacht in der Gabe von Diphtherie-Antitoxin vom Pferd (Bezug über internationale Apotheke) sowie der Gabe von Penicillin G (PENICILLIN-GRÜNENTHAL u.a.) oder von Erythromycin (ERYCINUM u.a.) bei Patienten mit Penicillinallergie für zehn Tage. Bei Endokarditis ist zusätzlich ein Klappenersatz erforderlich. Die Prävention erfolgt durch Immunisierung mit Toxoid-Impfstoff, nach Angaben der STIKO mit Auffrischimpfungen im Abstand von zehn Jahren. Auch bei überstandener Diphtherie ist eine aktive Immunisierung notwendig! Die Erkrankten sind für 10 bis 14 Tage zu isolieren; die Isolierung kann nach dreimaligen negativen bakteriologischen Untersuchungen im Abstand von zwei Tagen aufgehoben werden. Bei engen Kontaktpersonen wird eine Chemoprophylaxe (Penicillin G oder Erythromycin) unabhängig vom Impfstatus empfohlen. Meldepflicht besteht nach §6 IfSG (Verdacht, Erkrankung und Tod), §7 (Labor) und §34 (Gemeinschaftseinrichtungen).

 

 

1.DALLMANN, T. et al. Euro Surveill 2008; 13 (Issues 4-6): 1-2 (Article-ID: 18865)   www.eurosurveillance.org

 

2. SHARMA, N.C. et al.Indian J Med Res 2007; 126: 545 - 552

 

SING, A. et al. Clin Infect Dis 2005; 40: 325 – 326

 

4. HÖFLER, W. et al.Dtsch Ärzteblatt 1989; 86: A-313 – 317

 

5. MISHRA, B. et al.Asian Cardiovasc Thoracic Ann 2005; 13: 119 - 126

 

 

 

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