Ergänzungen am Ende des Textes
Ein 68 Jahre alter Patient kommt in die Praxis und klagt über linksseitige Flankenschmerzen, die in den unteren Bauchraum ausstrahlen, sowie seit zwei Tagen bestehendes Fieber mit Schüttelfrost, erheblichem Nachtschweiß, Kopfschmerzen, Übelkeit und ausgeprägtem Krankheitsgefühl. Anamnestisch ist bei diesem Patienten eine Prostata-Hyperplasie bekannt, die schon wiederholt zu Restharnanstiegen geführt hat.
Die körperliche Untersuchung bestätigt die erhöhte Körpertemperatur mit 38,8° C, das linksseitige Nierenlager ist hochgradig klopf- und druckempfindlich, die Herzfrequenz liegt bei 105/min und der Blutdruck bei 110/60 mmHg. Als Ergebnis der sofort durchgeführten Urinuntersuchung finden sich eine hohe Zahl von Granulozyten sowie auch eine deutliche Eiweiß-ausscheidung.
Die Anamnese mit der Neigung zu Restharnbildung und die typischen Symptome mit Fieber und Flankenschmerz sowie der körperliche Untersuchungsbefund deuten auf eine akute Pyelonephritis hin. Die neben dem Urinstatus vorgenommene bakteriologische Untersuchung des Urins ergibt eine signifikante Keimzahl von über 105 E. coli/ml im Urin. Die zusätzliche urologische Ultraschalluntersuchung zeigt eine geringe Restharnbildung.
Akute Pyelonephritiden werden zumeist durch anatomische oder funktionelle Störungen in den ableitenden Harnwegen verursacht. In über 90% werden als Erreger E. coli, Proteus mirabilis, Klebsiellen, gelegentlich als Mischinfektionen mit Enterokokken, nachgewiesen. Eine intensive urologische Diagnostik mit Ultraschall oder Computertomographie ist notwendig, um möglicherweise die Indikation zur operativen Beseitigung der Prostata-Hyperplasie zu stellen.
Die antibiotische Therapie sollte sich nach dem mikrobiologischen Resistenzmuster orientieren. Als Substanzen kommen Oral-Cephalosporine, Aminopenicilline mit Betalaktamaseinhibitoren und auch Fluorchinolone der Gruppe II, wie z. B. Ofloxacin (TARIVID u.a.) oder Ciprofloxacin (CIPROBAY u.a.) in Betracht. Die Dauer der Therapie sollte mindestens zehn bis vierzehn Tage betragen, eine Überwachung des Patienten in kurzfristigen Abständen ist notwendig.
Ergänzung
Einen Übersichtsartikel zur Therapie des unkomplizierten Harnwegsinfektes bei Erwachsenen finden Sie im Heft 5, 2013, die Zusammenfassung des Beitrags lesen Sie hier:
Die Behandlung der akuten Zystitis bei der prämenopausalen Frau kann prinzipiell empirisch mit einer Kurzzeittherapie erfolgen. Die Auswahl der Antibiotika sollte sich an den führenden Keimen, insbesondere an der lokalen Resistenz von E. coli orientieren.
Umfangreiche Studien in Europa haben gezeigt, dass für die empirische Therapie mit noch hoher antibakterieller Aktivität gegen mehr als 90% der Stämme nur noch Fosfomycin (MONURIL), Pivmecillinam (in Deutschland nicht im Handel) und Nitrofurantoin (FURADANTIN u.a.) in Betracht kommen.
Bei der akuten Pyelonephritis liegt prinzipiell das gleiche Erregerspektrum wie bei der akuten Zystitis vor, jedoch müssen wirksame Gewebespiegel erreicht werden, was nur mit Fluorchinolonen, wie Ciprofloxacin (CIPROBAY u. a.) sowie Levofloxacin (TAVANIC u. a.) erreicht werden kann. Auch die Therapiedauer bei der Pyelonephritis ist mit 10 bis 14 Tagen deutlich länger.
Ergänzung, Literaturhinweis
Therapie von Harnwegsinfektionen bei älteren Männern
Schaeffer AJ, Nicolle LE. CLINICAL PRACTICE. Urinary Tract Infections in Older Men. N Engl J Med. 2016 Feb
11;374(6):562-71 Review (PubMed abstract).
Ergänzung 2018
Eine aktualisierte AWMF-Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter bakterieller ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten wurde 2017 veröffentlicht.
Weiterhin gelten demnach Fluorchinolone in ausreichend hoher Dosierung - Ciprofloxacin 500 mg bis 750 mg 2 × täglich oder Levofloxacin 500 mg bis 750 mg 1 × täglich - als orale Antibiotika der ersten Wahl für die empirische Behandlung der leichten und mittelschweren unkomplizierten Pyelonephritis, falls die lokale Escherichia coli Resistenzrate noch <10% liegt.