Originaltext aus ZCT 04-1997
Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes
Seit mehr als 10 Jahren haben sich die Fluorchinolone als eine wichtige Arzneimittelgruppe zur antibakteriellen Therapie bewährt. Substanzen wie Ciprofloxacin (CIPROBAY) oder Ofloxacin (TARIVID) zeichnen sich durch eine besondere Aktivität gegenüber gramnegativen Bakterien aus und
sind bei Infektionen durch entsprechende Erreger unverzichtbare Therapeutika. Gegenüber Pneumokokken - den wichtigsten Erregern von bakteriellen Infektionen der Atemwege - ist ihre Aktivität jedoch
nur mäßig, und Fluorchinolone gehören daher bei Atemwegsinfektionen nicht zu den Mitteln der ersten Wahl. Mit Sparfloxacin (ZAGAM) steht nun ein neues Chinolon zur Verfügung, das im Gegensatz zu den
bisher üblichen Derivaten über eine ausreichend hohe Aktivität gegenüber S. pneumoniae und anderen wichtigen Pneumonie-Erregern verfügt.
Sparfloxacin hemmt das bakterielle Enzym "Gyrase" und unterscheidet sich damit nicht von den anderen Fluorchinolonen. Während aber eine
Konzentration von 4 mg Ofloxacin/ml notwendig ist, um S. pneumoniae zu erfassen (MHK90), reicht vom Sparfloxacin bereits eine Konzentration von 0,5 mg/l aus, um 90% der Pneumokokken zu hemmen. Von
klinischer Bedeutung ist, daß auch solche Stämme erfaßt werden, die gegenüber Makroliden und ß-Laktamantibiotika resistent sind. Ähnliche Aktivitätssteigerungen wurden in vergleichenden in vitro
Untersuchungen bei Staphylokokken festgestellt; Methicillin-resistente S. aureus Stämme sind jedoch resistent. Sparfloxacin wirkt auch gegen Erreger von atypischen Pneumonien (Chlamydien,
Mykoplasmen, Legionellen) bereits in niedrigen Konzentrationen. Darüber hinaus ist die Aktivität gegen die meisten gramnegativen Bakterien (H. influenzae, E. coli, Klebsiellen u. a.) nicht geringer,
als die der länger bekannten Fluorchinolone. Gegen P. aeruginosa ist Ciprofloxacin allerdings die wirksamere Substanz.1 Eine interessante Aktivität besteht gegenüber M. tuberculosis (MHK:
0,5mg/l).
Maximale Konzentrationen von etwa 1,5 mg Sparfloxacin/l Plasma werden etwa drei bis fünf Stunden nach oraler Einnahme des Präparates erreicht.
Üblich ist die Verabreichung einer Initialdosis von 400 mg, mit nachfolgender Gabe von 1-mal 200 mg am Tag. Im bronchopulmonalen Gewebe wurden Konzentrationen gemessen, die höher als die
Konzentrationen im Plasma waren und die Hemmwerte der relevanten Erreger deutlich überschreiten (z. B. etwa 10 mg/kg im Lungenparenchym). Die Konzentrationen in Makrophagen sind noch etwa 5-mal
höher. Die Plasmaproteinbindung beträgt 45%.
Die terminale Eliminationshalbwertzeit beträgt ungefähr 20 Stunden. Sparfloxacin wird in der Leber zum Teil glucuronidiert und anschließend renal ausgeschieden; es wird nicht durch
Cytochrom-P450-abhängige Monooxygenasen metabolisiert. Der überwiegende Anteil einer verabreichten Dosis wird unverändert mit den Faeces eliminiert. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz (< 30
ml/min) ist die Elimination (HWZ: ca. 35 - 40 Stunden) durch Hydrolyse des Glucuronids verzögert; auch eine Kumulation des Glucuronids wurde beschrieben. Bei älteren Patienten oder Patienten mit
eingeschränkter Leberfunktion wurden keine Veränderungen der Pharmakokinetik festgestellt.2
Die therapeutischen Möglichkeiten von Sparfloxacin bei bakteriellen Infektionen der Atemwege wurden in umfangreichen klinischen Prüfungen
untersucht. Es war dabei mindestens ebenso wirksam oder sogar besser wirksam als die Vergleichsmedikation.3 Unerwünschte Wirkungen, die durch Sparfloxacin hervorgerufen werden können (z. B.
Phototoxizität, s. u.), haben einige europäische Zulassungbehörden jedoch bewogen, die Indikationen für dieses Arzneimittel deutlich zu beschränken. In Deutschland ist die Anwendung vom BfArM
(Bundesinstitut für Arzneimittel) auf Pneumonien durch resistente Pneumokokken beschränkt worden. Interessanterweise hat die FDA in den USA die Risiken durch Sparfloxacin nicht als entsprechend
gravierend angesehen und das Chinolon für eine breitere Palette von Atemwegsinfektionen zugelassen. Bei einer rationalen Abwägung von Nutzen und Risiken kann folgendes festgestellt werden: Bei
bestimmungsmäßigem Gebrauch (d. h. keine Sonnenlichtexposition und keine Kombination mit Antiarrhythmika) ist das Risiko von Unverträglichkeitsreaktionen gering und vertretbar.
Sparfloxacin sollte nicht als primäres Mittel bei leichten Infektionen der Atemwege angewandt werden. Das neue Arzneimittel füllt jedoch eine wichtige Lücke bei klinischen Konstellationen, bei denen
mit resistenten Pneumokokken gerechnet werden muß (z. B. bei erfolgloser Vorbehandlung mit Standardantibiotika, vorangegangener Hospitalisierung, Aufenthalt in Ländern mit hoher
Pneumokokkenresistenz) oder bei denen ein sehr breites Wirkungsspektrum erforderlich ist (z. B. Pneumonien bei älteren Patienten mit Grunderkrankungen).
Die Inzidenzen der unerwünschten Wirkungen von Sparfloxacin liegen in der gleichen Größenordnung, wie die von anderen Antibiotika, mit denen das
Präparat während der klinischen Prüfung verglichen wurde [überwiegend Amoxicillin mit und ohne Clavulansäure (CLAMOXYL u. a. bzw. AUGMENTAN u. a.) oder Erythromycin (ERYTHROCIN u.a.)]. Zu den
häufigsten Nebenwirkungen gehörten gastrointestinale Reaktionen, die nach Sparfloxacin jedoch eher seltener auftraten, als nach den vergleichend untersuchten Antibiotika. Auch ZNS-Störungen - die
nach anderen Chinolonen relativ häufig sind - stellten während der Therapie mit Sparfloxacin eher seltene Ereignisse dar.
Die Indikationen für Sparfloxacin wurden vor allem wegen der phototoxischen Wirkungen eingeschränkt. Die Phototoxizität der Chinolone ist seit den sechziger Jahren, als Nalidixinsäure (NOGRAM)
angewandt wurde, bekannt. Alle bisher eingeführten Chinolone besitzen dieses Potential; bei Sparfloxacin ist das Risiko für photoxische Reaktionen jedoch größer als bei anderen Chinolonen. Während
der klinischen Prüfung wurden Erytheme nach Sonnenlichtexposition bei etwa 2% der Patienten beobachtet. Schwere Sonnenbrand-ähnliche Reaktionen mit Blasenbildung wurden in diesem Kollektiv nicht
gesehen. Reaktionen dieser Art sind aber nach der Zulassung des Präparates in Frankreich in Einzelfällen unter starkem Einfluß von Sonnenlicht berichtet worden.
Anlaß zu genauen klinischen Untersuchungen waren kardiotoxische Befunde aus der präklinischen Prüfung des Arzneimittels. Sparfloxacin kann zu einer Verlängerung der QT-Zeit im EKG führen. Die Effekte
waren ähnlich wie nach Gabe von Erythromycin. Die Anwendung von Sparfloxacin bei Patienten mit bekannter QT-Zeitverlängerung oder bei gleichzeitiger Anwendung von Arzneimitteln mit
QT-zeitverlängernder Wirkung (bzw. Torsades de Pointes-induzierender Wirkung) ist nicht ratsam.
Sparfloxacin (ZAGAM) ist ein neues Fluorchinolon, das sich von den bereits bekannten Derivaten vor allem durch eine verbesserte Aktivität gegenüber Pneumokokken auszeichnet. Die kinetischen Eigenschaften erlauben eine einmal tägliche orale Gabe (400 mg initial, dann täglich 200 mg). Ein im Vergleich zu anderen Chinolonen relativ ausgeprägtes phototoxisches Potential schränkt die Anwendbarkeit des Präparates ein. Insgesamt stellt die Entwicklung von Sparfloxacin jedoch einen therapeutischen Fortschritt dar, insbesondere unter dem Aspekt der auch in Deutschland zu erwartenden zunehmenden Resistenz von Pneumokokken und des sich verändernden Patientengutes. Bei multiresistenten Tuberkulosen könnte Sparfloxacin zu einer interessanten Alternative werden.
1. BAQUERO F, CANTON R. In-vitro activity of sparfloxacin in comparison
with currently available
antimicrobials
against respiratory tract pathogens.
J Antimicrob Chemother. 1996 May;37 Suppl
A:1-18.
2. MONTAY G. Pharmacokinetics of sparfloxacin in healthy
volunteers and patients: a review.
J Antimicrob Chemother. 1996 May;37 Suppl
A:27-39.
3. AUBIER M, LODE H et al. Sparfloxacin for the treatment of
community-acquired pneumonia: a pooled
data
analysis of two studies. J Antimicrob Chemother. 1996 May;37 Suppl A:73-82.
4. RUBINSTEIN E. Safety profile of sparfloxacin in the treatment
of respiratory tract infections.
J Antimicrob Chemother. 1996 May;37 Suppl
A:145-60.
Sparfloxacin wurde mit Beginn des Jahres 2001 in Deutschland aus dem Handel genommen.