Unveränderter Text aus ZCT Heft 3, 1995
Aktuelle Ergänzungen am Ende des
Textes
Rifabutin (MYCOBUTIN) gehört ebenso wie Rifampicin (RIFA u.a) in die Gruppe der Ansamycinantibiotika. Rifampicin ist seit
annähernd dreißig Jahren ein wichtiger Bestandteil der kombinierten Tuberkulosetherapie, und Rifabutin könnte einen vielversprechenden Ansatz für die Behandlung von Mycobacterium avium intracellulare
(MAC)-Infektionen darstellen, die als opportunistische Infektionen bei HIV-positiven Patienten ein ernstes Problem darstellen.
Antibakterielle Eigenschaften
Die antimykobakterielle Aktivität gegenüber dem MAC-Komplex ist in vitro etwa zehnmal höher als die von Rifampicin. Gegen M. tuberculosis zeigt Rifabutin ebenfalls eine gute Aktivität, die MHK-Werte gegen Rifampicin-empfindliche M. tuberculosis-Stämme lagen bei 0,003 bis 0,006 mg/l. Von Bedeutung ist die Wirksamkeit gegenüber Rifampicin-resistenten M. tuberculosis-Stämmen. Neben diesen werden aber auch andere Mykobakterien wie M. fortuitum, M xenopi, M. kansasii und M. leprae von Rifabutin beeinflusst. Wie Rifampicin wirkt Rifabutin auch gut gegen grampositive Bakterien, während die antibakterielle Wirksamkeit gegen gramnegative Erreger in der Regel gering ist. Der Wirkungsmechanismus entspricht dem des Rifampicins, es wird eine bakterielle DNA-abhängige RNA-Polymerase inhibiert. Die RNA-Polymerase von Säugetierzellen wird nicht beeinträchtigt. Zusätzlich wird für Rifabutin noch eine Inhibierung des Thymidineinbaus in die DNA diskutiert.
Pharmakokinetische Eigenschaften
Die Resorption von Rifabutin ist nach oraler Gabe
gering, so daß eine Bioverfügbarkeit von 12 bis 20% mit erheblicher Variabilität zwischen den einzelnen Patienten resultiert. Maximale Plasmakonzentrationen werden nach 2 bis 4 Stunden erreicht. In
Untersuchungen an gesunden Probanden zeigte sich eine lineare Kinetik für Einmaldosierungen von 300 bis 600 mg, die entsprechenden Spitzenkonzentrationen im Plasma lagen zwischen 0,4 und 0,7
mg/l.
Rifabutin verteilt sich gut in verschiedenen Geweben; in der Lunge und in neutrophilen Granulozyten bzw. Monozyten waren die intrazellulären Konzentrationen deutlich höher als im Plasma.
Das Antibiotikum wird intensiv metabolisiert, mehr als 20 Metaboliten wurden bislang nachgewiesen. Wie Rifampicin induziert auch Rifabutin den eigenen Metabolismus, d.h. die AUC (Fläche unter der
Konzentrations-Zeit-Kurve) ist nach Mehrfachgabe geringer als nach Einmalgabe. Die Elimination erfolgt sowohl über den Urin als auch über die Faeces. Aus dem Blut wird Rifabutin biphasisch eliminiert
mit einer terminalen Halbwertzeit von etwa 38 Stunden.
Interaktionen
Wie oben bereits erwähnt induziert, Rifabutin den eigenen Metabolismus, verantwortlich ist hier die Induktion von Cytochrom P450-abhängigen Monooxygenasen. Die Enzyme metabolisieren auch andere Arzneistoffe, so daß entsprechend viele Interaktionsmöglichkeiten gegeben sind.
Auf einige soll hier hingewiesen werden: Der Metabolismus hormoneller Kontrazeptiva ist beeinflußt, Patientinnen unter Rifabutintherapie sollten andere schwangerschaftsverhütende Maßnahmen ergreifen. Weiterhin wird der Abbau von Analgetika, Antikoa-gulantien, Kortikosteroiden, Cyclosporin A (SANDIMMUN), Cotrimoxazol (BACTRIM u.a.), Dapson (DAPSON-FATOL), oralen Antidiabetika und vielen anderen Substanzen beschleunigt, d. h. es ist eine Wirkungsreduktion zu erwarten. Andererseits können Inhibitoren des Cytochrom P450-Systems den Abbau von Rifabutin verlangsamen; diese Interaktionen können für Cimetidin (TAGAMET u.a.), Erythromycin (ERYCINIUM u.a.), Ketoconazol (NIZORAL) und Itraconazol (SEMPERA) in Frage kommen.
Fluconazol (DIFLUCAN) und Clarithromycin (CYLLIND, KLACID) erhöhen die Rifabutinplasmaspiegel, während Zidovudin (RETROVIR) und Didanosin (VIDEX) keinen Einfluß auf die Rifabutinkinetik haben.
Therapeutische Wirksamkeit
Studien an AIDS-Patienten zeigten die Wirksamkeit
einer Rifabutinprophylaxe (einmal täglich 300 mg) in Hinblick auf MAC-Infektionen. Die Inzidenz von MAC-Bakteriämien konnte von 18% auf 9% reduziert werden.
Die Behandlung von MAC-Infektionen bei AIDS-Patienten erfolgt im Rahmen einer Kombinationstherapie, die auf Substanzen wie Clofazimin (LAMPRENE, in Deutschland nicht im Handel), Isoniazid (ISOCID
u.a.), Ethambutol (MYAMBUTOL u.a.), Clarithromycin, Chinolone, Rifampicin und Rifabutin zurückgreift. Keines der Therapieschemata ist bisher überzeugend, eine Dosierung von mindestens 450 mg
Rifabutin/Tag scheint aber gewisse Erfolge zu zeigen.
In der Kombinationsbehandlung von M. tuberculosis-Infektionen bietet Rifabutin keinen Vorteil gegenüber Rifampicin. In der Behandlung von multiresistenten M. tuberculosis-Stämmen zeigte eine
Dosierung von 300 bis 450 mg/Tag bei einem Drittel der Erreger Erfolge.
Unerwünschte Wirkungen
Rifabutin ist - ebenso wie Rifampicin - intensiv
rot-violett gefärbt und kann zu einer rot-orangen Verfärbung von Körperflüssigkeiten, wie Urin und Tränen, führen. Kontaktlinsen, insbesondere weiche, können dauerhaft gefärbt werden. Unerwünschte
Wirkungen betrafen vor allem den Gastrointestinaltrakt und führten zu Übelkeit und Erbrechen, Anstieg der Leberenzyme und Ikterus. Weiterhin kann das Blut- und Lymphsystem betroffen sein mit
Leukopenien, Thrombozytopenien und Anämien. Muskel- und Gelenkschmerzen wurden ebenso beschrieben wie Fieber, Hautrötung und - selten - andere Überempfindlichkeitsreaktionen, wie z.B. Eosinophilie,
Bronchospasmen und Schock.
Es wurden auch Fälle von Uveitis unter Rifabutin-behandlung beobachtet; das Risiko scheint erhöht zu sein bei einer Kombinationsbehandlung zusammen mit Clarithromycin.
ZUSAMMENFASSUNG
Rifabutin (MYCOBUTIN) ist ein neues
Ansamycinantibiotikum mit Ähnlichkeit zum Rifampicin (RIFA u.a.). Das antimikrobielle Spektrum umfaßt Mykobakterien, einschließlich des M. avium intracellulare-Komplexes, grampositive und - in
geringem Maße - gramnegative Erreger. Die Bioverfügbarkeit nach oraler Gabe ist gering, die Substanz induziert den eigenen Metabolismus und den anderer Arzneistoffe und kann so für viele
Interaktionen verantwortlich sein.
Eine gute Wirksamkeit konnte in der Prophylaxe von MAC-Infektionen beobachtet werden. Die Behandlungsmöglichkeiten von MAC-Infektionen und multiresistenten Tuberkuloseinfektionen werden durch die
Einführung von Rifabutin etwas erweitert, bedürfen aber noch deutlicher Verbesserungen.
1. BROGDEN RN, FITTON A. Rifabutin. A review of its antimicrobial activity,
pharmacokinetic properties and therapeutic
efficacy. Drugs. 1994
Jun;47(6):983-1009.
2. TSENG AL, WALMSLEY SL. Rifabutin-associated uveitis. Ann Pharmacother. 1995
Nov;29(11):1149-55
Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 3, 1995) sind zahlreiche weitere Arbeiten über Rifabutin publiziert worden. Insbesondere soll an dieser Stelle auf die folgenden Arbeiten hingewiesen werden:
1. DAUTZENBERG B. The use of rifabutin in Europe for the
treatment of mycobacterial infection in AIDS
patients. Infection. 1997
Jan-Feb;25(1):63-6.
Ausführliche Besprechung im Supplementheft Clin. Infect. Dis. 1996; 22 Suppl 1,