Unveränderter Text aus ZCT Heft 4, 1985
Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes
Von den sieben Antibiotika bzw. Chemotherapeutika, die in den letzten sechs Ausgaben dieser Zeitschrift als "Neueinführungen" vorgestellt wurden, gehören
drei zur Gruppe der Chinolone. Cinoxacin (CINOBACTIN) ("ZCT" 6:4,1985) und Rosoxacin (WINURON) ("ZCT" 5:34-35,1984) haben recht begrenzte Indikationsgebiete - nämlich Harnwegsinfektionen und
Gonorrhö. Sie stellen hinsichtlich ihrer antibakteriellen Wirksamkeit keine wesentliche Verbesserung gegenüber der Nalidixinsäure (NOGRAM u.a.) dar. Lediglich Norfloxacin (BARAZAN) ("ZCT" 5:21,1984) zeichnet sich durch eine
höhere antibakterielle Aktivität aus; die geringe Absorptionsquote und die schlechte Gewebegängigkeit limitieren jedoch auch den Einsatz des Norfloxacin auf Urogenital-Infektionen.
Mit Ofloxacin (TARIVID) wird nun erstmals ein Chinolonderivat in der Bundesrepublik zugelassen, das auch zur Behandlung anderer bakterieller Infektionen geeignet ist.
Die antibakterielle Wirksamkeit des neuen Chemotherapeutikums umfaßt ein weites Spektrum grampositiver und gramnegativer Bakterien. [1] Im Vergleich zu den
älteren verwandten Derivaten betragen die minimalen Hemmkonzentrationen oftmals nur ein Hundertstel oder weniger.
Neben Staphylokokken, Streptokokken, Neisseria gonorrhoeae, Hämophilus influenza, E. coli und anderen Enterobakterien gehören auch "Problemkeime" wie Proteus spez. oder Pseudomonas aeruginosa zum
Spektrum des Ofloxacins.
Chlamydien und Mykoplasmen werden ebenfalls bereits in niedrigen Konzentrationen erfaßt [2,3]. Zu den wenigen Spezies, die verhältnismäßig resistent sind,
zählt z.B. Clostridium difficile - der Verursacher der pseudomembranösen Kolitis. Bei Serumkonzentrationen von 6,25 mg/l werden erst 70% der untersuchten Stämme des Anaerobiers gehemmt - die
MHK90-Werte der übrigen obengenannten Bakterien liegen dagegen durchweg im Bereich zwischen 0,1 und 1 mg/l [4]. Über Resistenzentwicklung während der Therapie von Pseudomonas aeruginosa-Infektionen
wurde berichtet [7].
Ofloxacin wird nach oraler Gabe vollständig aus dem Magen-Darmtrakt aufgenommen. Die Verbindung wird praktisch nicht metabolisiert und erscheint nach renaler Elimination zu über 90% in aktiver Form im Urin. Die Halbwertzeit beträgt ca. 6 Stunden. Etwa eine Stunde nach der Einnahme einer 200 mg-Tablette liegen die mittleren Serumkonzentrationen zwischen 2 und 3 mg/l. Da das Chinolon in ähnlichen Konzentrationen auch in verschiedenen Organen, Geweben und Körperflüssigkeiten nachgewiesen werden kann, können außer Harnwegsinfektionen auch andere Erkrankungen behandelt werden. Bei der gleichzeitigen Verabreichung mit Antazida ist mit einer deutlichen Resorptionseinbuße zu rechnen [7]. Ofloxacin kommt aufgrund des antibakteriellen Spektrums und der hohen Aktivität auch zur Therapie lebensbedrohlicher Infektionen in Betracht. Eine parenterale Applikationsform wäre deshalb wünschenswert. Nach Auskunft des Herstellers ist diese Form in Entwicklung.
Während z.B. die mikrobiologischen Eigenschaften des neuen Chemotherapeutikums in der internationalen Literatur recht gut und ausführlich beschrieben
worden sind, gibt es bisher nur wenige kontrollierte klinische Studien, die die therapeutische Überlegenheit des Präparates beweisen würden. Es läßt sich also zur Zeit noch nicht eindeutig absehen,
ob und bei welchen Indikationen Ofloxacin einmal das Mittel der Wahl werden könnte. In Japan wurden mehrere Phase-II-Untersuchungen durchgeführt, die dem Medikament hohe Erfolgsraten bei Infektionen
der Atemwege, der Harnwege und des Verdauungstraktes bescheinigen. Auch über die Behandlung von Patienten aus der Dermatologie, Chirurgie und Gynäkologie liegen erste Erfahrungen vor. Es ruft jedoch
immer wieder Erstaunen hervor, mit welcher Leichtigkeit einem Präparat "Heilungsraten" von 100% (z.B. bei gynäkologischen Infektionen) attestiert werden, nur weil z.B. vier von vier Patientinnen mit
Adnexitis, zwei von zwei Patientinnen mit Mastitis oder eine (!) mit der Diagnose Zervitis "geheilt" wurden [6]. Etwas solider ist das Ergebnis einer Doppelblindstudie gegenüber Pipemidsäure
(DEBLASTON) bei komplizierten Harnwegsinfektionen. Dabei war die Behandlung mit 3-mal 200 mg Ofloxacin der Gabe von 4-mal 500 mg Pipemidsäure deutlich überlegen (wirksam bei 81% gegenüber 58% der
Patienten) [6].
Nach Angaben des Herstellers (Hoechst AG) war die Verträglichkeit des Präparates gut. Bei 3% von etwa 4000 Patienten wurden leichte, überwiegend
gastrointestinale Beschwerden registriert, die mit dem Arzneimittel in Verbindung gebracht wurden. Noch seltener waren allergische oder neurologische Komplikationen. In chronischen
Toxizitätsversuchen erwies sich Ofloxacin als frei von ototoxischen, nephrotoxischen oder okulotoxischen Wirkungen. Im Tierversuch läßt sich jedoch - ebenso wie mit allen anderen Chinolonen - ein
spezielles Phänomen beobachten: Bei Hunden wurden bereits nach siebentägiger Behandlung mit 20 mg/kg Körpergewicht Knorpelerosionen festgestellt. Aufgrund dieser Effekte sollen Chinolonderivate "bis
zum Vorliegen entsprechender Erfahrungen (?) weder an Kinder und Jugendliche mit noch nicht abgeschlossenem Skelettwachstum noch an Schwangere und Stillende verabreicht werden" [5]. Nach hohen Dosen
Ofloxacin kann es bei Sonnenbestrahlung zu phototoxischen Reaktionen kommen, auf die die Patienten unbedingt hingewiesen werden sollten. Nach Angaben des Herstellers sollte eine Therapiedauer von 28
Tagen nicht überschritten werden.
Mit Ofloxacin (TARIVID) wird in der Bundesrepublik Deutschland erstmalig ein Chinolonderivat zugelassen, das neben einer hohen antibakteriellen Aktivität gegen gramnegative und grampositive Erreger auch über günstige pharmakokinetische Eigenschaften verfügt. Es wird nach oraler Gabe fast vollständig resorbiert und mit einer Halbwertzeit von sechs Stunden renal eliminiert. Die Tagesdosierungen dürften zwischen 200 bis 600 mg je nach Infektionslokalisation liegen. Soweit es sich momentan beurteilen läßt, kommen neben Infektionen des Urogenitaltraktes auch andere Indikationen (Atemwegsinfektionen, intestinale-, Haut- und Weichteilinfektionen) für Ofloxacin in Betracht. Vereinzelt wurde bereits über Resistenzentwicklungen von Pseudomonas aeruginosa unter der Therapie mit Ofloxacin berichtet. Prospektive Vergleichsuntersuchungen mit bereits etablierten Chemotherapeutika - etwa ß-Laktamantibiotika - sind unbedingt erforderlich, um sichere Aussagen über die Position der neuen Substanz im Bereich der antibakteriellen Chemotherapeutika zu machen. Ofloxacin erwies sich als gut verträglich. Es muß beachtet werden, daß das Präparat in der Schwangerschaft, Stillzeit, im Kindesalter und bei Jugendlichen bis zum Abschluß der Wachstumsphase kontraindiziert ist. Photosensibilitäts-Reaktionen bei hoher Dosis sind vereinzelt berichtet worden. - Die besondere Attraktivität der Chinolone für die Klinik dürfte ihr vergleichsweise niedriger Preis sein - eine Tagesdosis Ofloxacin (2 x 200 mg) kostet DM 8,20.
1. SATO, K. et al. Antimicrob. Agents Chemother. 22: 548-553, 1982
2. OSADA, Y. et al. Antimicrob. Agents Chemother. 23: 509-511, 1983
3. AZNAR, J. et al. Antimicrob. Agents Chemother. 27: 76-78,
1985
4. SATO, K. et al. Chemotherapy 32: 1-12, 1984
5. Information der HOECHST AG
6. BRUCH, K. Fortschr. Antimikrob. Antineopl. Chemother. 3-5: 741-748, 1984
7. Ofloxacin-Symposium, München, 4.6.1985
Seit seiner Einführung im Jahre 1985 hat sich Ofloxacin in Klinik und Praxis bewährt. Neben Ciprofloxacin gehört es innerhalb der Gruppe zu den am
häufigsten angewandten Fluorchinolonen.
Ofloxacin ist ein Racemat, nur das L-Enantiomer ist wirksam. Der antibakteriell wirksame Anteil steht als Levofloxacin (TAVANIC u.a.) seit 1998 zur Verfügung und sollte bevorzugt verwendet werden.