Unveränderter Text aus Heft 5, 2020
Lefamulin (XENLETA) ist das erste Antibiotikum aus der Gruppe der Pleuromutiline, das zur systemischen Anwendung in den Handel kommt. In der Veterinärmedizin sind Pleuromutiline schon seit längerem üblich; die Anwendung beim Menschen ist neu, wenn man von der topischen Anwendung von Retapamulin (ALTARGO) absieht. Diese Salbenzubereitung wurde 2007 eingeführt, ist aber seit 2018 nicht mehr im Handel. Insgesamt sind sieben Jahrzehnte vergangen zwischen der Erstbeschreibung dieser Antibiotikaklasse und der ersten humantherapeutischen Verwendung. Durch Modifikation der Seitenkette wurden Eigenschaften des Antibiotikums optimiert, unter mehr als 1.200 Molekülen wurde 2006 schließlich BC-3781 entdeckt und für die klinische Entwicklung ausgesucht.1 Lefamulin ist zugelassen für die „Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie bei erwachsenen Patienten, wenn die sonst üblichen Antibiotika nicht geeignet sind“. Es kann oral oder intravenös verabreicht werden.2
Strukturformel von Lefamulinacetat (BC-3781; MM 567,8 g/mol). Die Eigenschaften des semisynthetischen Antibiotikums wurden durch eine substituierte Cyclohexylsulfanyl-Seitenkette optimiert.
Antibakterielle Eigenschaften
Lefamulin hemmt die bakterielle Proteinbiosynthese, indem es mit den A- und P-Stellen des Peptidyltransferase-Zentrums in der 23S-rRNA der ribosomalen 50S-Untereinheit in Wechselwirkung tritt und somit die korrekte Positionierung der tRNA verhindert. Das Antibiotikum wirkt vor allem im grampositiven Bereich des Spektrums. Neben Streptokokken und Staphylokokken werden auch die atypischen Erreger der Pneumonie, wie M. pneumoniae, L. pneumophila und C. pneumoniae, erfasst. Im gramnegativen Bereich ist lediglich die Aktivität gegen H. influenzae klinisch relevant. Die antimikrobielle Aktivität von Lefamulin gegen S. pneumoniae und S. aureus korrelierte am besten mit dem Verhältnis zwischen der Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve und der minimalen Hemmkonzentration (AUC/MHK). Die vom EUCAST festgelegten Grenzwerte für Resistenz lauten wie folgt: Erreger mit einer minimalen Hemmkonzentration (MHK) von mehr als 0,5 mg/l (S. pneumoniae) und mehr als 0,25 mg/l (S. aureus) sind resistent.2,3
Pharmakokinetische Eigenschaften
Lefamulin steht zur intravenösen und oralen Verabreichung zur Verfügung. Die orale Bioverfügbarkeit von 600 mg Lefamulin im Nüchternzustand wurde mit 25 % bestimmt. Die Exposition war äquivalent mit der Exposition, die durch eine intravenöse Anwendung von 150 mg Lefamulin erreicht wurde. Die Spitzenkonzentrationen lagen bei 3,5 bzw. 2,2 mg/l, die AUC-Werte wurden mit 27,0 und 30,7 mg x h /l (i.v. und p.o.) berechnet.3
Lefamulin weist eine mäßige bis starke Bindung an Plasmaproteine auf (ca. 88 % bis 97 %). Das Verteilungsvolumen im Steady-State (Vss) beträgt ca. 2,5 l/kg. Mittels Mikrodialyse konnte eine schnelle Gewebeverteilung von Lefamulin in die Haut und Weichgewebe nachgewiesen werden. Die Auswertung der bronchoalveolären Lavage zeigte die schnelle Verteilung in die epitheliale Flüssigkeit (ELF).2
Etwa ein Drittel des Lefamulins wird über das Cytochrom CYP3A metabolisiert, wodurch in erster Linie hydroxylierte Metaboliten ohne antibakterielle Eigenschaften entstehen [Hauptmetabolit BC-8041 (Hydroxylefamulin)]. Die Elimination erfolgt in mehreren Phasen, die terminale Halbwertzeit liegt nach einer Einzeldosis im Bereich von neun bis zehn Stunden. Etwa 10 % bis 14 % einer intravenösen Lefamulin-Dosis werden als unverändertes Arzneimittel mit dem Urin ausgeschieden. Die vollständige Körper-Clearance und die renale Clearance nach einer intravenösen Infusion von 150 mg beträgt ca. 20 l/h bzw. 1,6 l/h.2
Klinische Studien
In zwei umfangreichen klinischen Studien (LEAP, Lefamulin Evaluation Against Pneumonia) erwies sich das neue Antibiotikum bei täglicher Dosierung von zweimal 150 mg i.v. bzw. zweimal 600 mg p.o. als ebenso wirksam wie einmal täglich verabreichtes Moxifloxacin (400 mg i.v. oder p.o.) bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie. In der LEAP-1-Studie konnte optional nach initialer intravenöser Gabe bei klinischer Besserung die Therapie oral fortgesetzt werden. Bei Verdacht auf MRSA als Ursache der Pneumonie wurde in der Moxifloxacingruppe zusätzlich Linezolid verabreicht. Dies war bei insgesamt 14 Patienten der Fall, der Verdacht bestätigte sich jedoch bei keinem der Teilnehmer. Insgesamt wurden in dieser Doppelblindstudie mehr als 500 Patienten randomisiert. In der ITT (intention to treat)-Gruppe war die Behandlung mit Lefamulin oder Moxifloxacin bei 87,3 % bzw. 90,2 % der Patienten erfolgreich.4 In der LEAP-2-Studie mit mehr als 700 Teilnehmern, die ausschließlich oral behandelt wurden, lag der Anteil erfolgreicher Therapieverläufe in beiden Gruppen bei 90,8 %.5
Diarrhöen und andere gastrointestinale Nebenwirkungen waren die häufigsten unerwünschten Ereignisse.4,5 Bei intravenöser Therapie waren Durchfälle in der Moxifloxacin-Gruppe häufiger als nach Lefamulin (7,7 % vs. 0,7 %), in der Studie mit ausschließlich oraler Gabe zeigten deutlich mehr Patienten nach Lefamulin Diarrhöen oder Übelkeit als bei einer Therapie mit Moxifloxacin (12,2 % / 5,2 % und 1,1 % / 1,9 %). Die Therapie wurde wegen unerwünschter Ereignisse bei 3,3 % (Lefamulin) bzw. 2,4 % (Moxifloxacin) abgebrochen, in der LEAP-1-Studie erfolgte ein Abbruch bei 2,9 % vs 4,4 %.
Sowohl Lefamulin als auch Moxifloxacin verursachten eine geringe Verlängerung des QT-Intervalls. Die mittlere Veränderung der QTcF-Werte betrug in der LEAP-1-Studie 13,8 ms (Lefamulin) und 16,4 ms (Moxifloxacin) jeweils im Vergleich zu den Ausgangswerten. Die interindividuelle Variabilität war groß.
Interaktionen mit anderen Arzneimitteln
Arzneimittel, die das Cytochrom CYP3A induzieren, wie z. B. Rifampicin, Johanniskraut u.a., könnten die Plasmakonzentration von Lefamulin erheblich senken und möglicherweise die therapeutische Wirksamkeit reduzieren. Diese Arzneimittel dürfen daher nicht gemeinsam mit Lefamulin angewendet werden. Inhibitoren des Cytochroms oder des Transportproteins P-GP, wie z. B. Clarithromycin oder Voriconazol, können die Plasmakonzentrationen von Lefamulin erhöhen. Die gleichzeitige Anwendung dieser Arzneimittel mit Lefamulin ist ebenfalls kontraindiziert. Grapefruitsaft soll während der Behandlung nicht getrunken werden.
Lefamulin darf nicht mit anderen Arzneimitteln, die bekanntermaßen das QT-Intervall verlängern, angewendet werden.
ZUSAMMENFASSUNG
Lefamulin (XENLETA) ist das erste Antibiotikum aus der Gruppe der Pleuromutiline in der Humanmedizin. Es hemmt die bakterielle Proteinsynthese und erfasst neben klinisch relevanten Erregern im grampositiven Bereich auch atypische Erreger einer Pneumonie. Die Bioverfügbarkeit bei Nüchterneinnahme liegt bei 25 %. Einzeldosen von 600 mg bzw. 150 mg werden zweimal täglich oral oder intravenös verabreicht. In zwei klinischen Studien bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie war Lefamulin im Vergleich zu Moxifloxacin hinsichtlich des Therapieerfolgs nicht unterlegen. Das Pleuromutilin kann bei Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie angewandt werden, wenn die sonst üblichen Antibiotika nicht geeignet sind. Weitere klinische Erfahrungen sind notwendig, um den Stellenwert des neuen Arzneimittels neben den ß-Laktamantibiotika, Tetrazyklinen, Fluorchinolonen und anderen Antibiotika, die bei ambulanter Pneumonie in Frage kommen, genauer zu definieren.
Literatur
2. SmPC Lefamulin (Xenleta). EMA, www.ema.europa.eu