Unveränderter Text aus ZCT Heft 6, 1981
Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes
In der Bundesrepublik Deutschland wird seit November 1981 ein neues, oral zu applizierendes Antimykotikum mit dem Namen Ketoconazol (NIZORAL) angeboten.
Dieser Wirkstoff ist - wie Miconazol (DAKTAR) vom gleichen Hersteller - ein Derivat des Imidazol. Es ist ein weißes, bis leicht beigefarbenes Pulver, das säurelöslich und unter normalen
Lagerungsbedingungen stabil ist.[6]
Wie alle Imidazolderivate besitzt auch das Ketoconazol eine fungistatische Wirkung durch Hemmung der Umwandlung von Lanosterol zu Ergosterol (Bestandteile
der Zellmembran).[3,4] Lanosterol führt bei Akkumulation zu Wachstumshemmung. Im Gegensatz zu den anderen Imidazolderivaten fehlt jedoch eine direkte membranschädigende, rasch fungizid wirkende
Interaktion mit der Pilzmembran.[7] Darüber hinaus besitzt Ketoconazol eine zusätzliche synergistische Interaktion mit Makrophagen bei der Phagozytose von Pilzzellen.[2]
Wie Miconazol, so besitzt auch Ketoconazol ein breites antimykotisches Spektrum. Es ist wirksam gegen die meisten Dermatophyten, Hefe- und hefeartigen Pilze (z.B. Candida spp., Cryptococcus
neoformans, Torulopsis glabrata), biphasische Pilze sowie etwa gegen die Hälfte der Schimmelpilze (Aspergillusarten).[8]
Ketoconazol wird nach oraler Applikation rasch aus dem oberen Gastrointestinaltrakt resorbiert. Nach 200 mg oral werden zwischen der 1. und 2. Stunde nach Applikation Serum-Höchstspiegel zwischen 4 und 9 mg/l erreicht. Im Serum ist Ketoconazol zu ca. 90% an Eiweiße gebunden.[1] Nach den bisher vorliegenden Untersuchungen scheint die Penetration in den Liquorraum nur mäßig zu sein. Die Ausscheidung erfolgt vorwiegend über die Leber durch Metabolisierung und Exkretion der Metabolite über die Galle.[5] Die renale Elimination kann vernachlässigt werden.[1,6] Die initiale Eliminationshalbwertzeit beträgt ca. 2 Stunden, die terminale zwischen 6,5 und 9,6 Stunden.[6] Sechs Stunden nach Applikation können im Serum noch Konzentrationen nachgewiesen werden, die über den minimalen Hemmkonzentrationen der klinisch wichtigsten Pilze liegen.
Aufgrund der guten Absorptionsverhältnisse sowie der relativ langen Halbwertzeit wird eine tägliche Gabe von 1-mal 200 mg Ketoconazol entweder während oder
kurz vor den Mahlzeiten empfohlen.[8] Antazida sowie H2-Rezeptorenblocker führen zu einer beträchtlichen Absorptionseinbuße, so daß diese erst 2 Stunden nach Ketoconazolgabe eingenommen werden
sollten.[5] Eine Dosisanpassung bei Niereninsuffizienz ist nicht notwendig. Bei vulvo-vaginaler Candidiasis wird eine Dosis von 2-mal 200 mg/Tag empfohlen.
Unter Berücksichtigung der bisher vorliegenden Therapiestudien ist die Substanz bei Pityriasis versicolor, Dermatomykosen, Onychomykosem, bei
Paracoccidioido-mykose sowie Coccidioidomykose wirksam. Mit Erfolg wurde Ketoconazol bei systemischer Candidiasis, bei lokaler Candidiasis sowie Mundsoor, Soorösophagitis oder vulvo-vaginaler
Candidiasis eingesetzt.[8]
Wie alle Imidazolderivate zeigt Ketoconazol (NIZORAL) ein breites antimykotisches Spektrum, in dem die für unseren Kontinent klinisch wichtigsten Pilze
enthalten sind. Ein Fortschritt zu den herkömmlichen Präparaten scheint die gute Bioverfügbarkeit nach oraler Applikation zu sein. Von Vorteil ist auch, daß die Substanz nur 1-mal am Tag (200 mg)
gegeben werden muß; bei speziellen Indikationen kann höher dosiert werden. Inwieweit aber Ketoconazol vom pharmako-dynamischen Standpunkt aus wirklich eine Weiterentwicklung darstellt, muß offen
bleiben, da für Ketoconazol im Gegensatz zu Clotrimazol (CANESTEN) und Miconazol (DAKTAR) keine rasche fungizide Wirkung als Ausdruck eines direkten Angriffes auf die Pilzzellmembran nachgewiesen
werden konnte. [7] Noch fehlen größere klinische Vergleichsstudien zu den herkömmlichen Antimykotika Miconazol, 5-Flucytosin (ANCOTIL) und Amphotericin B (AMPHOTERICIN B SQUIBB), um die Substanz in
ihrer klinischen Effizienz endgültig zu beurteilen. Insbesondere kann hinsichtlich der Prophylaxe und Behandlung mykotischer Infektionen bei neutropenischen Patienten aufgrund der wenigen
vorliegenden Daten noch keine Therapieempfehlung gegeben werden.
1 BORELLI, D. et al. Postgrad. Med. J. 55: 657-661, 1979
2 BORGERS, M. Rev. Inf. Dis. 2: 520-534, 1980
3 BOSSCHE, van den H. et al. Antimicrob. Agents Chemother. 17: 922-928, 1980
4 MEDOFF, G. et al. N. Engl. J. Med. 302; 145-155, 1980
5 MEER, van der J.W.M. et al. J. Antimicrob. Chemother.
6: 552-554, 1980
6 Product Information, Janssen Pharmaceutica, 1981
7 SUD, I.J. et al. Antimicrob. Agents Chemother. 20: 71-74,
1981
8 SYMOENS, J. et al. Rev. Inf. Dis. 2: 674-687, 1980
Ergänzungen (August 2002)
Ketoconazol war das erste oral anwendbare Azol-Antimykotikum (ein Imidazolderivat). Seine Bedeutung ist heute gering, da die
neueren Azole ("Triazole") spezifischer wirken und eine günstigere Nutzen-Risiko-Relation aufweisen. Durch das relativ ausgeprägte Interaktionspotential von Ketoconazol - durch Hemmung der
hepatischen, Cytochrom-P450-abhängigen Monooxygenasen - kommt es unter Ketoconazol zu Wechselwirkungen mit zahlreichen anderen Arzneimitteln und Hormonen.
Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 6, 1981) sind zahlreiche weitere Arbeiten über Ketoconazol publiziert worden. Insbe-sondere soll an
dieser Stelle auf die folgenden Publikationen hingewiesen werden:
Heel RC, Brogden RN, Carmine A, Morley PA, Speight TM, Avery GS.Ketoconazole: a review of its therapeutic efficacy in superficial and systemicfungal infections. Drugs 1982;23:1-36
Pont A, Williams PL, Azhar S, Reitz RE, Bochra C, Smith ER, Stevens DA.Ketoconazole blocks testosterone synthesis. Arch Intern Med. 1982;142:2137-2140
Tucker WS Jr, Snell BB, Island DP, Gregg CR.Reversible adrenal insufficiency induced by ketoconazole. JAMA 1985 26;253:2413-2414
Lyman CA, Walsh TJ. Systemically administered antifungal agents. A review of their clinical pharmacology and therapeutic applications. Drugs 1992;44:9-35
Como JA, Dismukes WE. Oral azole drugs as systemic antifungal therapy. N Engl J Med 1994; 330:263-272
Lomaestro BM, Piatek MA.Update on drug interactions with azole antifungal agents. Ann Pharmacother. 1998;32:915-928
Ergänzungen (2013)
Die Marktzulassung des Azols als Antimykotikum in einer täglichen Dosierung von 200 mg wurde im Jahr 2013 wegen der Hepatotoxizität suspendiert.
Ergänzungen (2015)
Ketoconazol ist ein potenter Hemmstoff der Cytochrom-P450-abhängigen Monooxygenasen. Da es auch die Cortisolsynthese hemmt, kann es bei Patienten mit M. Cushing angewandt werden. In einem „Rote Hand Brief“ zur Markteinführung von Ketoconazol (KETOCONAZOLE HRA) zur Behandlung des Cushing Syndroms wird über die Hepatotoxizität des Azols in Tagesdosierungen von 400 bis 1200 mg informiert.