Unveränderter Text aus ZCT Heft 4, 2013
Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes
Unter dem Namen STRIBILD ist ein neues Präparat zur antiretroviralen Therapie im Handel. Die Zusammensetzung ist ungewöhnlich: jede Filmtablette enthält vier Wirkstoffe: 150 mg Elvitegravir, 150 mg Cobicistat, 200 mg Emtricitabin und 245 mg Tenofovirdisoproxil (entsprechend 300 mg Tenofovirdisoproxil-fumarat) [1]. Zwei der Substanzen - Elvitegravir und Cobicistat - waren bisher nicht verfügbar, die Kombinationspartner Emtricitabin (EMTRIVA) und Tenofovir-disoproxil (VIREAD), ein Nukleosid- und ein Nuleotid-Analogon, sind bereits länger bekannt (vgl. ZCT 2002; 23:19-20 und 2004;25:3-4).
Elvitegravir ist ein HIV-1-Integrase-Inhibitor, die Substanz weist ähnliche Eigenschaften auf, wie Raltegravir (ISENTRESS; 2008;29:14-15). Die Hemmung der Integrase verhindert den Einbau der HIV-1-DNA in die humane DNA und verhindert so die Ausbreitung der
Infektion [2].
Cobicistat ist ein Hemmstoff des CytochromP450-CYP3A-Isoenzms. Es erhöht die systemische Exposition von Elvitegravir indem es die Bioverfügbarkeit verbessert und die Halbwertzeit verlängert. Das
Prinzip des „boostering“ ist von der Kombination aus Proteaseinhibitoren, wie Lopinavir und Ritonavir (KALETRA), bekannt. Cobicistat weist eine sehr ähnliche chemische Struktur auf wie der
Proteaseinhibitor Ritonavir, eine eigene antivirale Aktivität besitzt es jedoch nicht.
Struktur des Elvitegravir-Magnesium-Komplexes Integrase-Strangtransfer-Inhibitoren wie Elvitegravir hemmen
das Einfügen der viralen DNA-Stränge in die Wirts-DNA. Dies geschieht durch Wechselwirkung mit zweiwertigen Kationen im katalytischen Zentrum des Enzyms. Elvitegravir besitzt eine
Chinolon-Grundstruktur.
Die Substanz hat eine ähnliche Struktur wie der Protease-Inhibitor Ritonavir, besitzt aber keine
eigene antivirale Aktivität. Die beiden Pfeile weisen auf die Positionen hin, wo sich beide Substanzen unterscheiden; ein zusätzlicher Morpholino-Rest und eine fehlende
Hydroxylgruppe.
Die beiden neuen Substanzen sind nicht als Monotherapeutika verfügbar, sondern nur in fester Kombination mit den beiden anderen antiviral wirksamen Stoffen
als STRIBILD zugelassen. Ein Antrag auf Zulassung der Einzelsubstanzen wurde von der US-amerikanischen FDA abgelehnt.
Alle Wirkstoffe des Kombinationspräparates werden nach oraler Gabe gut resorbiert und erreichen nach
zwei bis vier Stunden maximale Spiegel. Die Spitzen- und Talspiegel von Elvitegravir nach Mehrfachdosierung von STRIBILD bei HIV-infizierten Patienten betrugen 1,7 ± 0,39 und 0,45 ± 0,26 mg/l, der
AUC-Wert wurde mit 23 ± 7,5 mg x h/l berechnet. Für Cobicistat betrugen die entsprechenden Plasmakonzen-trationen 1,1 ± 0,40 mg/l und 0,05 ± 0,13 mg/l, bei einer AUC von 8,3 ± 3,8 mg x h/l. Die
Bioverfügbarkeit von Elvitegravir und Tenofovir ist erhöht bei Einnahme mit einer fetthaltigen Mahlzeit. Elvitegravir und Cobicistat werden zu etwa 98% an humane Plasmaproteine gebunden. Elvitegravir
und Cobicistat werden durch CYP3A oxidativ verstoffwechselt. Am Metabolismus des Cobicistat ist darüber hinaus CYP2D6 beteiligt, Elvitegravir wird zum Teil über UGT1A1 glucuronidiert. Die
Eliminationshalbwertzeit von Elvitegravir nach Einnahme von STRIBILD liegt bei etwa 12,9 Stunden, der Cobicistat-Anteil wird mit einer Halbwertzeit von ca. 3,5 Stunden ausgeschieden.[1]
Bei Patienten mit einer Kreatinin-Clearance unter 70 ml/min sollte STRIBILD nicht verordnet werden. Eine Dosisanpassung bei Patienten mit einer leichten (Child-Pugh-Klasse A) oder mittelgradigen
(Child-Pugh-Klasse B) Leberfunktionsstörung ist nicht erforderlich.
Elvitegravir ist ein mäßiger Induktor und hat das Potenzial, CYP2C9 und/oder induzierbare UGT-Enzyme zu induzieren; daher kann es die Plasmakonzentration von Substraten dieser Enzyme verringern.
Cobicistat verursacht eine ausgeprägte CYP3A-Hemmung und außerdem eine schwache CYP2D6-Inhibition. Die folgenden Transport-Proteine werden durch Cobicistat gehemmt: p-Glykoprotein (P-gp), BCRP,
OATP1B1 und OATP1B3. Cobicistat hemmt die tubuläre Sekretion von Kreatinin und kann einen leichten Anstieg des Serumkreatinins und Abnahme der Kreatinin-Clearance verursachen.
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Kombinations-präparates STRIBILD wurde in zwei
Doppelblind-Studien bei nicht vorbehandelten HIV-1-infizierten Patienten (n = 1.408) untersucht. Die Studienteilnehmer wurden einmal täglich mit STRIBILD oder einmal täglich mit der Fixkombination
ATRIPLA (Efavirenz / Emtricitabin / Tenofovir-disoproxilfumarat, EFV/FTC/TDF) behandelt.[3] In der zweiten, ähnlich angelegten Studie erhielten die Patienten anstatt des Efavirenz den
Ritonavir-geboosterten Protease-Inhibitor Atazanavir (REYATAZ), die Abkürzung für diese Gruppe lautet ATV/r/FTC/TDF. [4] In der 48. Woche erfolgte die Auswertung der virologischen Ansprechrate. Beide
Studien wurden veröffentlicht, inzwischen liegt auch die Auswertung nach 96 Wochen Therapie vor. [5,6] Im Vergleich mit dem Atazanavir-basiertem Regime lag nach 96 Wochen bei 83% bzw. 82% ein
virologisch gesichertes Ansprechen vor, [6] in der anderen Phase-3-Studie lagen die Erfolgsraten bei 84% und 82%.[5]
Bei einer Analyse von Patienten, die in den Phase 3-Studien mit STRIBILD behandelt worden waren, wurde an den HIV-1-Isolaten der virämischen Patienten mit einem HIV-RNA-Wert > 400 Kopien/ml eine Genotypisierung und Phänotypisierung durchgeführt. In der 48. Woche wurde mittels genotypischer Daten aus gepaarten Isolaten zu Studienbeginn und nach STRIBILD-Therapieversagen im HIV-1 von 13 der 25 Patienten die Entwicklung einer oder mehrerer primärer, mit Elvitegravir-, Emtricitabin- oder Tenofovir-Resistenz assoziierten Substitutionen festgestellt (1,9 %; 13/701 Patienten). [1] Innerhalb der zweiten 48-Wochen-Periode wurden nur bei wenigen Patienten neue Resistenzen beobachtet. Von sechs Patienten mit einer Resistenz in der STRIBILD Gruppe waren fünf in der ersten Beobachtungsperiode bis 48 Wochen und einer in den 48 Wochen danach. [6] Ähnlich war das Resultat in der anderen Studie im Vergleich zu dem Efavirenz-basiertem Regime. [5]
Die während der klinischen Prüfung am häufigsten beobachteten unerwünschten Wirkungen waren Übelkeit (16 %) und Diarrhö (12 %). Bei mit Tenofovir behandelten Patienten wurden bereits in früheren Studien in seltenen Fällen über Nierenfunktionsstörungen, Nierenversagen und proximale renale Tubulopathie berichtet. Eine Überwachung der Nierenfunktion wird daher bei Patienten, die mit STRIBILD behandelt werden, empfohlen. Laktatazidose, schwere Hepatomegalie mit Steatose und Lipodystrophie sind mit Tenofovir und Emtricitabin assoziiert. Einen Überblick über die häufigsten unerwünschten Wirkungen vom Grad 2 bis 4 in den unterschiedlichen Behandlungsregimen gibt die Tabelle.
Unerwünschte Wirkungen (UAW) |
Häufigkeit der UAW in den unterschiedlichen Regime |
||
|
Elvitegravir-basiert (n=749) |
Efavirenz-basiert (n=375) |
Atazanavir-basiert N=355) |
Übelkeit |
3% |
3% |
3% |
Diarrhö |
6% |
4% |
8% |
Exanthem |
4% |
9% |
4% |
Schwindel |
0,4% |
3% |
1% |
Kopfschmerzen |
4% |
2% |
3% |
Schlaflosigkeit |
2% |
2% |
2% |
Albträume |
0,4% |
4% |
0,3% |
Depression |
3% |
7% |
3% |
Unerwünschte Wirkungen, die zum Abbruch der Behandlung führten: |
|||
Renale Störungen |
0,8% |
0% |
0,3% |
Exantheme |
0,1% |
1,1% |
1,1% |
Übelkeit |
0,3% |
0% |
1,1% |
Diarrhö |
0,3% |
0% |
0,3% |
Pyrexie |
0,3% |
0,3% |
0% |
Schwächegefühl |
0,3% |
0,3% |
0,6% |
mod. nach Saag [8]
Elvitegravir bildet Chelatkomplexe mit mehrwertigen Kationen. Bei gleichzeitiger Einnahme des Kombinationspräparates mit mineralischen Antazida ist
die Resorption des Wirkstoffes Elvitegravir daher um ca. 50% reduziert.[7]
Die gleichzeitige Anwendung von STRIBILD und Arzneimitteln, die überwiegend durch CYP3A oder CYP2D6 metabolisiert werden oder die Substrate von P-GP, BCRP, OATP1B1 oder OATP1B3 sind, kann zu erhöhten
Plasmakonzentrationen dieser Arzneimittel führen, was wiederum ihre therapeutische Wirkung sowie Nebenwirkungen verstärken oder verlängern kann.
So ist zum Beispiel eine Myopathie bis hin zur Rhabdomyolyse möglich, wenn gleichzeitig mit Simvastatin (diverse Handelsnamen) behandelt wird. Eine verstärkte Sedierung tritt auf, wenn Midazolam
(diverse Handelsnamen) gleichzeitig verabreicht wird. Die gleichzeitige Anwendung von Amiodaron (diverse Handelsnamen) und anderen Arzneimitteln, die zu einer Verlängerung des QT-Intervalls führen,
ist kontraindiziert.
Das Kombinationspräparat STRIBILD zur antiretroviralen Therapie ermöglicht eine einmal tägliche Verabreichung von vier Wirkstoffen. Die bereits bekannten Wirkstoffe Emtricitabin (EMTRIVA) und Tenofovirdisoproxil (VIREAD) liegen in fixer Kombination mit Elvitegravir, einem Integrase-Inhibitor, vor. Der vierte Wirkstoff, Cobicistat, hemmt den Cytochrom-vermittelten Metabolismus von Elvitegravir und verbessert dadurch die Pharmakokinetik des Wirkstoffes. In umfassenden Studien wurde die Kombination im Vergleich zu Efavirenz (SUSTIVA)- oder Atazanavir (REYATAZ)-basierten Regimen klinisch geprüft. Alle Regime waren ähnlich gut wirksam, gewisse Unterschiede ergaben sich hinsichtlich der Verträglichkeit und des Interaktionspotentials. Die Möglichkeiten der antiretroviralen Therapie werden durch das neue Arzneimittel sinnvoll erweitert.
1. STRIBILD Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels
Ergänzungen (September 2014)
Der CYP-Inhibitor Cobicistat steht uner dem Handelnamen TYBOST auch als Monopräparat zur Verfügung. Der Stoff ist zur Kombination mit den Proteaseinhibitoren Atazanavir oder Darunavir zugelassen.
Ergänzungen (September 2014)
Hinweise: 1. HIV 2014 / 2015 - ein umfangreiches Buch ist unter hivbuch.de kostenlos als PDF-Datei verfügbar (809 Seiten, 4,43 MB)
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