Co-tetroxazin ein "überragendes" Chemotherapeutikum?

Unveränderter Text aus ZCT Heft 2, 1980

Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes

 

Jedes neue antibakteriell wirksame Arzneimittel aus der Gruppe der Folsäureinhibitoren muß mit der Standardkombination Co-trimoxazol (BACTRIM, COTRIM-TABLINEN, EUSAPRIM u.v.a.) verglichen werden.
Wie bei kaum einer anderen Gruppe von Chemotherapeutika findet man hier eine fast unübersehbare Menge von wirkstoffgleichen oder ähnlichen Pharmaka. Es gibt in der BRD mehr als 20 Arzneispezialitäten, die Trimethoprim neben Sulfamethoxazol (= Co-trimoxazol) enthalten. Dazu kommen weitere Kombinationspräparate aus Trimethoprim mit Sulfamoxol (SUPRISTOL), mit Sulfametrol (LIDAPRIM) und mit Sulfadiazin (TRIGLOBE).

Bei diesem Angebot wird ein Arzneimittelhersteller kaum erwarten können, daß ein weiteres Analogpräparat große Zustimmung erhält, wenn es nicht eindeutige Vorzüge bieten kann.

Tetroxoprim ist ein von L. Heumann & Co. entwickeltes Benzylpyrimidin-Derivat, das in seinen Eigenschaften viele Parallelen zu Trimethoprim aufweist.[10] Es wird in Kombination mit Sulfadiazin (= Co-tetroxazin) unter den Handelsnamen STERINOR (Heumann & Co.) und TIBIROX (Hoffmann - La Roche) angeboten.
Beide Arzneimittel enthalten 100 mg Tetroxoprim und 250 mg Sulfadiazin pro Tablette bzw. pro 5 ml Suspension. Die Standarddosierung beträgt 2-mal täglich eine Tablette. Alle Zubereitungen werden von beiden Firmen zu identischen Preisen angeboten.
Die toxikologischen, pharmakokinetischen und mikrobiologischen Daten charakterisieren Tetroxoprim als gut verträglich, gut resorbierbar und antibakteriell wirksam. Pharmakokinetisch sind nur minimale Unterschiede zwischen den beiden Folsäureinhibitoren feststellbar. Die Eliminationshalbwertzeit des neuen Derivates ist etwas kürzer als beim Trimethoprim (ca. 5-7 Std.) und die im Urin ausgeschiedene antibakteriell wirksame Menge scheint etwas kleiner zu sein.[11]
Im mikrobiologischen Vergleich der beiden verwandten Substanzen konnte eine qualitativ gleiche in vitro-Aktivität bewiesen werden. Es besteht eine komplette Kreuzresistenz. In der quantitativen Auswertung ermittelten die Untersucher eine 2-8-16fach geringere Aktivität für Tetroxoprim.[12,13] Auf mikrobiologischem Gebiet ist also eine Überlegenheit für Tetroxoprim nicht sichtbar.[14]
Der Kombinationspartner Sulfadiazin hat die gleiche oder eine etwas schwächere Aktivität als Sulfamethoxazol.[12] Von Vorteil dürfte seine geringere Metabolisierungsrate sein.[11]
Experimentelle Versuchsergebnisse, insbesondere von Kombinationspräparaten wie Co-tetroxazin, sollten jedoch nur mit angemessener Skepsis und Zurückhaltung bei der Arzneimittelauswahl berücksichtigt werden.
Die Fehlerquellen durch individuelle Variationen, unterschiedliche biopharmazeutische Qualitäten und gegenseitige Beeinflussung der Substanzen müssen beachtet werden. Die Streubreite der experimentellen Befunde erreicht zum Teil ein erhebliches Ausmaß.
In der klinischen Anwendung wurde Co-tetroxazin mehrfach eine gute Wirksamkeit bescheinigt. Entscheidend für eine abschließende Beurteilung ist allerdings die Tatsache, daß keine Überlegenheit im Vergleich zu anderen Pharmaka mit entsprechendem Indikationsgebiet gesehen werden konnte. In der Behandlung purulenter Bronchialinfekte zeigte sich eine mit Ampicillin (BINOTAL, AMPI-TABLINEN u.a.) vergleichbare Wirksamkeit.[15]
In einer Studie zur Effektivität bei Harnwegsinfektionen zeigten sich gleich hohe "Heilungsquoten" für Co-tetroxazin wie für Co-trimoxazol. Bei Behandlung mit dem altbewährten Chemotherapeutikum lag die Erfolgsrate nach 6 Wochen bei 63%, das neue "hochpotente" (Werbeaussage der Fa. Hoffmann - La Roche) Mittel erzielte ebenfalls in 63% eine Erregerelimination. Es konnte "ein Trend zu besserer Verträglichkeit gesehen werden", der jedoch nicht statistisch abgesichert werden konnte.[16]


ZUSAMMENFASSUNG

In den wenigen klinischen Vergleichsstudien, die bisher vorliegen, konnte keine bessere Wirksamkeit des Co-tetroxazin (STERINOR, TIBIROX) gegenüber Co-trimoxazol (BACTRIM, CO-TRIMTABLINEN, EUSAPRIM u.v.a.) bewiesen werden. Nach rationalen Gesichtspunkten ist nicht ersichtlich, wen oder was "TIBIROX bei bakteriellen Infektionen der Harn- und Atemwege überragt". (Werbeaussage der Fa. Hoffmann - La Roche).

 

10) LIEBENOW, W.  

J. Antimicrob. Chemother. 5 (Suppl. B): 15-18, 1979

 

11) REEVES, D. et al.  

J. Antimicrob. Chemother. 5 (Suppl. B): 119-138, 1979


12) BYWATER, M.J. et al.  

J. Antimicrob. Chemother. 5 (Suppl. B): 51-60, 1979


13) HÖXER, K.  

19th Intersc. Conf. Antimicrob. Agents Chemother. 1979, Abstract 352

 

14) EDITORIAL

Lancet 1: 519-520, 1980

 

15) PINES A. and RAAFAT, H. 

J. Antimicrob. Chemother. 5 (Suppl. B): 201-205, 1979

 

16) REEVES, D.S. et al. 

J. Antimicrob. Chemother. 5 (Suppl. B): 179-188, 1979

 

Ergänzungen (Oktober 2000)


HINWEIS: Co-tetroxacin hat sich zur Behandlung von bakteriellen Infektionen im Vergleich zu dem weitaus häufiger verordneten Co-trimoxazol nicht durchsetzen können. Unter dem Warenzeichzen TIBIROX ist es heute nicht mehr im Handel, allerdings ist es als STERINOR in Deutschland noch verfügbar.
Die Kombination läßt jedoch vor allem im Vergleich zu Co-trimoxazol (Trimethoprim plus Sulfamethoxazol) nach wie vor keinen eindeutigen therapeutischern Vorteil erkennen und hat international seit der Einführung im Jahre 1980 keine größere Bedeutung erlangt.

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