Unveränderter Text aus ZCT Heft 4, 1989
Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes
Vorbemerkung ("orale Cephalosporine")
Die Einführung von Cefalexin (ORACEF u.a.) vor etwa
20 Jahren bedeutete einen wichtigen Schritt vorwärts in der antibakteriellen Chemotherapie: mit dieser Substanz war erstmals ein oral wirksames Cephalosporin-Antibiotikum entwickelt worden, das bei
praktisch 100%iger Bioverfügbarkeit über ähnliche antibakterielle Eigenschaften verfügte, wie die allerersten klinisch nutzbaren parenteral anzuwendenden Cephalosporine. Während in den vergangenen
zwei Jahrzehnten dann aber eine rasche Entwicklung bei den parenteral anwendbaren Substanzen erfolgte, die sich überwiegend in einer deutlichen Wirkungsteigerung im gramnegativen Bereich ausdrückte,
war die entsprechende Entwicklung bei den oralen Cephalosporinen nur durch geringe Fortschritte gekennzeichnet. Lediglich Cefaclor (PANORAL), das seit etwa 10 Jahren zugelassen ist, besitzt eine
geringfügig bessere antibakterielle Aktivität als Cefalexin (etwa Faktor 2 bis 4); deutliche Verbesserungen der antibakteriellen Aktivität, etwa um das 10 oder 100fache, wie sie bei den parenteralen
Cephalosporinen oft zu berichten waren, wurden bisher bei den oral wirksamen Cephalosporinen nicht erzielt.
Da es offenbar schwierig ist, die antibakterielle Aktivität oral wirksamer Substanzen zu erhöhen, hat man nun mit Erfolg ein typisches "parenterales" Cephalosporin "oral wirksam" gemacht. Cefuroxim
(ZINACEF) wird seit etwa 10 Jahren therapeutisch genutzt, es gehörte mit zu den ersten Cephalosporinen, die aufgrund einer gewissen Stabilität gegenüber ß-Laktamasen aus gramnegativen Erregern über
eine relativ gute Aktivität im gramnegativen Bereich verfügen (vgl ZCT 9:31, 1988). Durch Veresterung mit einem "Acetoxyäthyl-Rest" entstand Cefuroxim-Axetil, welches nach oraler Verabreichung im
Plasma als Cefuroxim "erscheint" und das seit kurzem in der Bundesrepublik Deutschland unter den Handelsnamen ELOBACT und ZINNAT erhältlich ist.
Es sei in diesem Zusammenhamng daran erinnert, daß ähnliche Molekülveränderungen (sog. "Einschleusester") auch schon bei anderen Substanzen [z.B: Ampicillin (BINOTAL)] erfolgreich angewandt worden
sind, um eine Verbesserung der Bioverfügbarkeit zu errreichen.
Antibakterielle Wirksamkeit
Cefuroxim erfaßt - ähnlich wie die bisher üblichen
oralen Cephalosporine - grampositive Erreger wie Streptokokken und Staphylokokken, unabhängig von einer etwaigen ß-Laktamaseproduktion.
Auch bei häufigen gramnegativen Erregern, wie z.B. E. coli, zeigt Cefuroxim im Vergleich zu typischen oralen Cephalosporinen hinsichtlich seiner in-vitro-Aktivität ähnliche antibakterielle
Eigenschaften. Ein Vergleich soll diese Aussage erläutern: Die folgenden Konzentrationen (MHK90) der jeweiligen Antibiotika sind erforderlich, um 90% der untersuchten E.coli-Stämme zu hemmen:
Cefalexin: 16 mg/l; Cefaclor: 8 mg/l und Cefuroxim: 5 mg/l. Deutliche Unterschiede bestehen dagegen bei gramnegativen Keimen, die seltener einmal Harnwegsinfektionen verursachen. Während die
klassischen oral wirksamen Substanzen z.B. gegenüber P. mirabilis keine ausreichende Aktivität besitzen, wird der Erreger bereits durch Konzentrationen von 1,3 mg Cefuroxim / l gehemmt.
Interpretations-Probleme bereiten die Angaben des Herstellers (Cascan GmbH, Wiesbaden) hinsichtlich der antibakteriellen Aktivität gegenüber Proteus rettgeri. Obwohl diese indolpositive
Proteus-Spezies nicht zum Spektrum des Cefuroxims gehört, wird in den Einführungsbroschüren (Stand: April 1989) ein MHK-Wert von 4,8 mg/l angegeben, der also sogar noch unter dem Wert für E. coli
liegt.
Andererseits werden die indolpositiven Proteus-Arten (P. vulgaris und P. rettgeri) allerdings unter jenen Keimen angegeben, die als "nicht empfindlich" anzusehen sind. Diese Widersprüche im
Informationsmaterial erscheinen erklärungsbedürftig.
Desweiteren fallen die folgenden Erreger nicht ins Spektrum des "Breitspektrum-Antibiotikums": S. faecalis, Enterobacter spp., Citrobacter spp., Serratia spp., Bacteroides spp., Pseudomonas spp.,
Methicillin-resistente Staphylokokken und einige andere.
Pharmakokinetische Eigenschaften
Eine Stunde nach intravenöser Applikation von 1000
mg Cefuroxim liegen die Plasmaspiegel bei 25 mg/l; nach 4 Stunden sind sie auf 3 - 4 mg/l gesunken. Gibt man 125, 250 oder 500 mg Cefuroxim-Axetil oral, so liegen die maximalen Plasmakonzentrationen
etwa 2 - 3 Stunden nach der Einnahme bei 2-3, 4-6 oder 5-8 mg/l. Es ist klar ersichtlich, daß die Spiegel z.T. nicht oder nur unwesentlich über den Hemmkonzentrationen der gramnegativen Erreger
liegen.
Das neue Antibiotikum sollte mit der Mahlzeit eingenommen werden: die Bioverfügbarkeit beträgt dann 50 bis 60%, während bei nüchterner Einnahme nur 30 - 40% resorbiert werden. Cefuroxim wird nicht
metabolisiert und mit einer Eliminationshalbwertzeit von 1,2 bis 1,5 Stunden vollständig über die Nieren eliminiert.
Unerwünschte Wirkungen
Während der klinischen Erprobung des neuen Arzneimittels zeigte sich die für ein ß-Laktam-Antibiotikum erwartungsgemäß insgesamt gute Verträglichkeit. Neben Dosis-abhängigen gastrointestinalen Beschwerden kam es gelegentlich zu Überempfindlichkeitsreaktionen, ZNS-Symptomen (Kopfschmerzen, Schwindel) und zu laborchemischen Veränderungen (Blutbild, Transaminasen). In seltenen Fällen wurde - wie auch bei anderen antibakteriell wirksamen Substanzen - eine pseudomembranöse Kolitis beobachtet (vgl. ZCT 8:11, 1987). Ein abschließendes Urteil über die Inzidenzen der unerwünschten Wirkungen kann derzeit noch nicht gegeben werden.
Indikationen
Die Anwendung von Cefuroxim-Axetil wird vom
Hersteller bei folgenden Infektionen empfohlen: Otitis, Sinusitis, Tonsillitis, Pharyngitis, Bronchitis, Pneumonie
sowie bei Infektionen des Urogenitaltraktes, der Haut und des Weichteilgewebes und bei der unkomplizierten Gonorrhö. Als Standarddosierung wird 2-mal täglich 250 mg empfohlen, bei unkomplizierten
Harnwegsinfektionen bei Frauen beträgt die Dosierung 2-mal 125 mg und bei Infektionen der unteren Atemwege sollen 2-mal 500 mg eingenommen werden.
Inbesondere bei Infektionen der oberen Atemwege zählt die Neueinführung sicherlich nicht zu den Mitteln der ersten Wahl. Nach wie vor dürfte eine Pharyngitis und Tonsillitis mit Penicillin V
(ISOCILLIN u.v.a.) vergleichbar effektiv, ähnlich gut verträglich aber viel kostengünstiger zu behandeln sein (vgl. ZCT 10:4-5, 1989). In einer Vergleichsstudie zwischen Cefaclor (3-mal 500 mg/ Tag)
und Cefuroxim-Axetil (2-mal 500 mg /Tag) wurden klinische Gesamtheilungsraten von 95 bzw. 84% erzielt. Auch bei dieser Indikation stehen mit Amoxicillin (CLAMOXYL u.a.) und Doxycyclin (VIBRAMYCIN u.
a.) länger bekannte und preiswerte Alternativen zur Verfügung. Ähnliche Überlegungen gelten für Harnwegsinfektionen.
ZUSAMMENFASSUNG
Insgesamt kann man Cefuroxim-Axetil als eine interessante Neuentwicklung ansehen, die jedoch angesichts des breiten Angebots bewährter Antibiotika zur ambulanten Behandlung von bakteriellen Infektionen nur bedingt zur Anwendung empfohlen werden kann. Sicherlich kommt sie unter bestimmten Bedingungen als alternatives Präparat - insbesondere bei komplizierten Harnwegsinfektionen - gelegentlich in Betracht.
1. Bill, N.J. and Washington II, J.A. Antimicrob
Agents Chemother 11: 470-474, 1977
2. Schleupner, C.J. et al. Arch Intern Med
148:343-348, 1988
Aktuelle Ergänzung (September 2007)
Seit der Erstellung und Veröffentlichung dieses Artikels in der Zeitschrift für Chemotherapie (Heft 4, 1989) sind zahlreiche weitere Arbeiten über Cefuroxim-Axetil veröffentlicht worden. Insbesondere soll an dieser Stelle auf die folgende Publikation hingewiesen werden:
Hinweis: Hinweise und Empfehlungen zum rationalen Einsatz oraler Antibiotika bei Erwachsenen und Schulkindern (Lebensalter 6 Jahre) einer Expertenkommission der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.V. siehe http://www.wissenschaftliche-verlagsgesellschaft.de/CTJ/CTJEMPF.HTM |
Cefuroxime axetil: an updated review of its use in the management of bacterial infections. Drugs 2001; 61: 1455-1500