Unveränderter Text aus ZCT Heft 3, 2015
Ergänzungen am Ende des Textes
Sämtliche ß-Laktamantibiotika, wie Penicilline, Cephalosporine und auch Carbapeneme, sind zur Therapie einer Infektion mit Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus (MRSA) ungeeignet. Diese lange Zeit gültige Regel gilt nicht mehr, seit mit Ceftarolin (ZINFORO) ein Cephalosporin mit MRSA-Aktivität zugelassen wurde (Heft 6 / 2012). Nun wird diese Arzneimittelgruppe mit Ceftobiprol (ZEVTERA) um ein weiteres Cephalosporin mit ähnlichen Eigenschaften vergrößert.1 Nachdem im Jahr 2010 dem Zulassungsantrag bei der EMA nicht entsprochen worden war, erfolgte die Zulassung von ZEVTERA nun durch ein dezentralisiertes Verfahren.
Ceftobiprolmedocaril-Natrium ist ein wasserlösliches Prodrug, das im Blut des Patienten innerhalb kurzer Zeit (< 1 Minute) durch Esterasen hydrolysiert wird, dabei wird der antibakteriell wirksame Stoff Ceftobiprol freigesetzt.
Strukturformel von Ceftobiprol-Medocaril (BAL 5788). Als Carbamat wird das Molekül im Plasma an der markierten Position durch Esterasen gespalten und der wirksame Metabolit Ceftobiprol (BAL 9141) wird freigesetzt.
Antibakterielle Aktivität
Ceftobiprol wirkt bakterizid durch Bindung an Penicillin-bindende Proteine (PBP) in grampositiven und -negativen Keimen. Zu den sensiblen Erregern gehören Streptococcus pneumoniae, sowie Staphylococcus aureus, einschließlich der Methicillin-resistenten Stämme (MRSA), weil die Substanz auch das mecA-Genprodukt PBP2a inhibiert. Escherichia coli, Klebsiella pneumoniae und weitere gramnegative Keime wie Acinetobacter, Citrobacter, Haemophilus influenzae oder Pseudomonaden sind ebenfalls empfindlich.
Ceftobiprol ist nicht stabil gegen Carbapenemase-produzierende oder ESBL (extended spectrum betalactamases)-bildende Bakterien. In der Tabelle 1 werden einige minimale Hemmkonzentrationen (MHK90-Werte) der beiden MRSA-wirksamen Cephalosporine gegenübergestellt.
Tabelle 1: Antibakterielle Aktivität von Ceftobiprol im Vergleich zu Ceftarolin2
Erreger |
Ceftarolin MHK90 (mg/l) |
Ceftobiprol MHK90 (mg/l) |
S. aureus (MSSA) |
0,25 |
0,5 |
S. aureus (MRSA) |
1,0 |
2,0 |
S. pneumoniae |
≤0,03 |
≤0,03 |
E. faecalis |
8,0 |
1,0 |
E. faecium |
>64 |
>64 |
E. coli |
0,5 |
≤0,06 |
K. pneumoniae |
0,5 |
0,12 |
E. cloacae |
32 |
0,25 |
P. aeruginosa |
>64 |
16 |
S. maltophilia |
>64 |
>64 |
A. baumannii |
64 |
16 |
H. influenzae |
≤0,06 |
≤0,06 |
Bei Ceftobiprol, ebenso wie bei anderen ß-Laktamantibiotika, stellt die Zeitdauer der Konzentration oberhalb der minimalen Hemmkonzentration des Erregers den wichtigsten pharmakologischen Index für einen Therapieerfolg dar.
Pharmakokinetische Eigenschaften
Ceftobiprol-Medocaril wird üblicherweise in Dosen von 500 mg alle acht Stunden über jeweils zwei Stunden intravenös infundiert. In der Tabelle 2 werden einige pharmakokinetische Daten zusammengefasst, die bei gesunden Probanden am fünften Tag nach jeweils dreimal täglicher Infusion erhoben wurden.
Tabelle 2: Pharmakokinetische Parameter von Ceftobiprol nach Mehrfachgabe3
Parameter
|
Mittelwert
|
Cmax (mg/l) |
33,0 |
AUC0-8 (mg/l x h) |
102 |
Verteilungsvolumen (l) |
15,5 |
Plasmaproteinbindung (%) |
16 |
Renale Elimination (%, unverändert) |
77,5* |
t½ (h) |
3,3 |
CLss (l/h) |
4,98 |
* nach einer Einzeldosis von 500 mg
Die Ausscheidung erfolgt überwiegend unverändert renal, nur etwa 5% einer Dosis werden in Form eines Metaboliten mit offenem ß-Laktamring im Urin gefunden.
Therapeutische Wirksamkeit
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit des Cephalosporins wurde in mehreren kontrollierten Phase-III-Studien bei mehr als 1600 Patienten mit schwerer ambulant erworbener oder nosokomial erworbener Pneumonie und anderen Infektionen untersucht. Die Studien zeigten eine Nichtunterlegenheit im Vergleich zu Vancomycin (diverse Handelsnamen) bei komplizierten Haut- und Weichgewebsinfektionen. In der Studie bei Patienten mit nosokomialer Pneumonie diente die Kombination aus Ceftazidim (FORTUM u.a.; 3 x tgl. 2,0 g) und Linezolid (ZYVOXID; 2 x tgl. 600 mg) als Vergleich. Obwohl in beiden Studienarmen etwa 50% der Patienten erfolgreich behandelt wurden, war das Behandlungsergebnis bei den beatmeten Patienten mit Ceftobiprol weniger zufriedenstellend als in der Gruppe mit der Kombinationstherapie [23,5% (24/102) vs. 36,2% (38/105)]. Eine genauere Auswertung zeigte, dass in der Ceftobiprolgruppe deutlich mehr Männer mit schweren Traumata behandelt worden waren, als in der Vergleichsgruppe (15/24 vs. 3/17). Da bei kritisch kranken, beatmeten Patienten mit einer Pneumonie (VAP, ventilator-associated pneumonia) oft niedrige Antibiotikakonzentrationen gemessen werden, kann vermutet werden, dass die Behandlung mit Ceftobiprol aufgrund der relativ niedrigen Dosierung und unterschiedlicher Gruppenverteilung der Patienten nicht überzeugend war.4
Unerwünschte Wirkungen
Die häufigsten unerwünschten Wirkungen während der klinischen Prüfung waren gastrointestinale Störungen wie Übelkeit, Erbrechen und Durchfall, Reaktionen an der Infusionsstelle, Überempfindlichkeit (Urtikaria, Juckreiz) sowie Geschmacksstörungen. Weniger häufig waren Blutbildveränderungen, wie zum Beispiel eine Thrombozytopenie.
ZUSAMMENFASSUNG
Ceftobiprol-Medocaril (ZEVTERA) ist ein Cephalosporin mit breitem antibakteriellen Spektrum zur intravenösen Verabreichung. Bemerkenswert ist die Aktivität des Antibiotikums gegen Methicillin-resistente Staphylococcus aureus–Stämme (MRSA). Es ist zugelassen sowohl zur Behandlung von schweren, ambulant erworbenen als auch von nosokomial erworbenen Pneumonien, allerdings nicht bei beatmungsassoziierter Pneumonie. Die Verträglichkeit war insgesamt gut, zu den häufigsten unerwünschten Wirkungen zählen gastrointestinale Störungen und Hautreaktionen.
Ergänzung (2019)
Leitlinie zur Therapie mit parenteralen Antibiotika
Auf die ausführliche PEG S2k Leitlinie (AWMF-Registernummer 082-006) der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie e.v. (PEG) Kalkulierte parenterale Initialtherapie bakterieller Erkrankungen bei Erwachsenen – update 2018 (2. aktualisierte Version; 25. Juli 2019) sei an dieser Stelle hingewiesen.
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