Cefotetan

ein Cephamycinderivat mit langer Halbwertzeit

Unveränderter Text aus ZCT Heft 5, 1985

Aktuelle Ergänzungen am Ende des Textes

Cefotetan (APATEF) ist ein neues ß-Laktam-Antibiotikum mit dem Grundgerüst der Cephalosporine. Es wird jedoch - wie auch Cefoxitin (MEFOXITIN) - als "Cephamycin" bezeichnet, weil es sich durch eine 7-alpha-Methoxygruppe am Ringsystem von den übrigen Cephalosporinen unterscheidet.

Die "Herkunft" der Antibiotikagruppen ist unterschiedlich: Die ersten "Cephamycine" wurden Anfang der siebziger Jahre aus Streptomyces-Arten (Bakterien!) isoliert, während die "Ursubstanz" der übrigen Cephalosporine aus Cephalosporium acremonium (Pilz!) gewonnen wurde. Die Eigenschaften der "Cephamycine" entsprechen jedoch weitgehend denen der anderen ß-Laktam-Antibiotika: sie beeinflussen ebenfalls die bakterielle Zellwandsynthese und besitzen eine geringe Toxizität für den Säugetierorganismus. Durch die 7-alpha-Methoxygruppe besitzen diese Substanzen eine hohe ß-Laktamasestabilität.

 


Mikrobiologie

 

Im gramnegativen Bereich ist Cefotetan im allgemeinen etwa um den Faktor 10 wirksamer als Cefoxitin. Aminothiazol-Cephalosporine - wie etwa Cefotaxim (CLAFORAN) - erweisen sich allerdings bei den meisten Enterobacteriaceen als wirksamer. So betragen z.B. die minimalen Hemmkonzentrationen (MHK90) von E. coli für die drei genannten Präparate: 4,0-0,5-0,12 mg/l (Cefoxitin - Cefotetan - Cefotaxim).
Für andere Erreger des gramnegativen Bereichs, wie etwa Klebsiella pneumoniae, Proteus-Arten und auch Serratia und Citrobacter-Spezies - wurden ähnliche Werte bzw. eine vergleichare Reihenfolge der MHK-Werte ermittelt. Für H. influenzae, Neisserien und Yersinia Spezies liegen die minimalen Konzentrationen des Cefotetan bei < 2 mg/l. Pseudomonas aeruginosa ist resistent.
Gegen grampositive Erreger ist Cefotetan weniger wirksam als gegen gramnegative. Staph. aureus kann noch als mäßig empfindlich bezeichnet werden. Mit 16 mg/l liegt die MHK90 allerdings noch höher als bei den bereits oben erwähnten Vergleichssubstanzen. Koagulase-negative Staphylokokken-Stämme und Enterokokken sind resistent.
Eine wichtige Eigenschaft der Cephamycine ist ihre Aktivität gegenüber anaeroben Bakterien. Über 90% der Bacteroides fragilis-Stämme werden durch Cefotetan-Konzentrationen von 16 mg/l gehemmt; das gleiche gilt für Clostridium difficile.1,5 Die Aktivität gegen diese Erreger wird z.T. durch die hohe Stabilität des Cefotetan gegenüber chromosomal- und Plasmid-codierten ß-Laktamasen bedingt.

 


Pharmakokinetik

 

Cefotetan wird parenteral verabreicht. Acht Stunden nach intravenöser Gabe von 1000 mg liegen die Plasmakonzentrationen bei ca. 17 mg/l. Etwa 1,5-3 Stunden nach einer intramuskulären Applikation von 1000 mg liegen die maximalen Serumkonzentrationen zwischen 52 und 71 mg/l.
Cefotetan wird mit einer relativ langen Eliminationshalbwertzeit von 3,5 bis 4,5 Stunden über die Nieren ausgeschieden.
Innerhalb von 48 Stunden lassen sich ca. 70-80% der verabreichten Dosis im Urin nachweisen.2,4 Die Substanz wird nicht metabolisiert, liegt aber im Serum und Urin in zwei, mikrobiologisch vergleichar aktiven Epimeren A und B vor. Eine tautomere Form ensteht nur bei hohen unphysiologischen pH-Werten (pH >8). Die Serumproteinbindung liegt bei 85%; die renale Clearance beträgt 25-31 ml/min. In einer Untersuchung an insgesamt 41 Patienten mit Niereninsuffizienz wurde eine allmähliche Verlängerung der Eliminationshalbwertzeit bei nachlassender Nierenfunktion nachgewiesen. Bei Hämodialyse-Patienten steigt die Halbwertzeit auf etwa 13 Stunden an.3

 


Klinik

 

Aufgrund der Schwerpunkte im antibakteriellen Spektrum des Cefotetan (Enterobacteriaceae und Anaerobier) wird das neue Cephamycin-Antibiotikum bevorzugt bei abdominellen Infektionen eingesetzt werden können. In entsprechenden Untersuchungen konnte seine gute Wirksamkeit nachgewiesen werden. Die normale Dosierung liegt bei zweimal täglich 1,0 g, bei schweren Infektionen kann die Dosis verdoppelt werden. In mehreren Studien wird auch seine gute Wirksamkeit beim Einsatz zur Kurzzeitprophylaxe bei abdominellen Eingriffen gezeigt. Auch zur Behandlung von Harnwegs-, Atemwegs- und anderen Infektionen mit sensiblen Erregern ist Cefotetan geeignet.4 Aufgrund des langen Applikationsintervalles dürfte es den Anforderungen der modernen Cephalosporin-Therapie mit möglichst wenigen täglichen Applikationen entgegenkommen.
Cefotetan besitzt die typische gute Verträglichkeit der Cephalosporine. Trotz der strukturellen Ähnlichkeit zum Latamoxef (MOXALACTAM) wurden wesentliche Blutungskomplikationen bisher nicht beobachtet. Auf eine mögliche Alkoholunverträglichkeit (Methyl-Tetrazolseitenkette) sollten die Patienten hingewiesen werden.

 

ZUSAMMENFASSUNG

 

Cefotetan (APATEF) ist ein neues ß-Laktam-Antibiotikum (7-alpha-Methoxycephalosporin oder "Cephamycin"). Es besitzt eine gute antibakterielle Aktivität gegen Enterobacteriaceae und Anaerobier. Dadurch scheint es besonders zur Prophylaxe und Therapie abdomineller Mischinfektionen geeignet zu sein. Aufgrund einer relativ langen Eliminationshalbwertzeit von ca. 3,5 Stunden wird es nur zweimal täglich in einer Dosis von 1-2 g parenteral verabreicht. Deshalb darf auch auf relativ günstige Tagestherapiekosten gehofft werden.


1 AYERS, L.W. et al. Antimicrob. Agents Chemother. 22: 859-877, 1982
2 NAKAGAWA, K. et al. Antimicrob. Agents Chemother. 22: 935-941, 1982
3 OHKAWA, M. et al. Antimicrob. Agents Chemother. 23: 31-35, 1983
4 LODE, H., et al. (Edit.) "Cefotetan - a long acting antibiotic for polymicrobial infections", Churchill Livingstone, 1985
5 PHILIPS, I. et al.
"Cefotetan - a new cephamycin" J. Antimicrob. Chemother. 11 (Supp. A): 1-239, 1983

 

 


Aktuelle Ergänzungen (November 2000)

 

Cefotetan wird nach einer Einteilung der Paul-Ehrlich-Gesellschaft für Chemotherapie in die "Gruppe 5" ("Cephamycine") eingeordnet (NN, Cephalosporine zur parenteralen Applikation. Chemother. J. 1994; 3:101-115).

Aufgrund spezieller Risiken durch die N-Methylthiotetrazol-(NMTT)-Seitenkette (Alkoholunverträglichkeit, Blutungsneigung!) wurde das Antibiotikum nur selten angewandt.


Es ist in Deutschland heute nicht mehr im Handel.

 

 

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